Urlaub im Wald- und Wiesenkino auf der Alb
Die Hossinger Leiter ist eine von zehn Traufgang-Touren auf der Schwäbischen Alb. Die Ausschilderung der Route ist vorbildlich, das Drumherum ein kleines Natur-Juwel.

Der Startpunkt an der Traufganghütte Brunnental ist nicht nur Ort des Aufbruchs, sondern schon am frühen Morgen Anlass für den freudigen Gedanken an einen sehr gemütlichen Tagesausklang. Während die Großen beim Blick auf die überaus idyllisch gelegene Lokal-Terrasse insgeheim an ein kühles Radler in der Sonne denken, lechzen die Kinder schon freudig nach Pommes mit Ketchup. Aber beides schmeckt bekanntlich viel besser, wenn man es sich vorher verdient hat.
Also Rucksack geschultert, Wanderstock in die Hand, und los geht es. Der Beginn des Wanderwegs Hossinger Leiter ist unschwer zu finden - wie alle anderen neun Traufgangtouren ist auch diese vorbildlich ausgeschildert. Verlaufen? Quasi unmöglich.
Ein kleines Juwel
So bleibt von Beginn an Zeit, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren - den Weg und sein wunderhübsches Drumherum. Es ist nicht übertrieben, Albstadt mit Blick auf sein Wanderwegenetz als kleines Natur-Juwel zu bezeichnen. Und die gute Nachricht für uns ist: Der Ort auf der Schwäbischen Alb ist von Heilbronn und Umgebung aus in etwa eineinhalb Stunden Fahrzeit zu erreichen. Es braucht keine Urlaubswoche, um Urlaubserholung zu finden. Für ein Stück Glück reicht schon ein einziger Tag auf diesem heilen Fleckchen Erde.

Noch ehe der dicht gewachsene Sommerwald uns Wanderer einschließt, führt der Weg entlang einer echten Albstadter Besonderheit. Oder sagen wir: einer unglaublichen Schönheit. Dieses Attribut dürfen die opulent blühenden Blumen- und Kräuterwiesen zweifelsfrei für sich beanspruchen. Nicht mehr häufig lässt sich im Land ein vergleichbares Bild finden.
So muss man sich fast ein wenig zum Weiterlaufen zwingen, denn ein Foto scheint schöner als das andere, und die Verlockung, sich einfach am Rande niederzulassen und dieses Blumenkino samt seiner quirligen Insektenmusik zu genießen, ist schlicht verdammt groß.
Die Leiter wartet
Aber die Hossinger Leiter wartet. Der Weg steigt an und führt im Wald immer weiter zu auf die eisernen Stufen, die eingehauen sind in den kalten, weißgrauen Jurafels. Da schaut man schon einigermaßen ehrfürchtig nach oben - immerhin war der Weg über die Leitern vor 100 Jahren der einzige Zugang vom Albdorf Hossingen zur Talgemeinde Lautlingen, in der es Arbeitsplätze und eine Eisenbahnanbindung gab. Wie viel sorgloser dürfen wir hier heute unsere Schritte tun. Auch die Ausblicke ins Tal und bis hinüber in den Schwarzwald haben die Menschen einst sicher nicht genießen können, wie wir es an diesem Tag dürfen.

Wer vom Aufstieg müde Füße hat, macht nach der Stufen-Passage Rast an der Vesperhütte mit Grillplatz. Oder viel besser: Man läuft ein kleines Stück weiter und setzt sich ein wenig abseits des Weges ins Gras. Spätestens jetzt, auf der Picknickdecke liegend, das mitgebrachte Vesper als kleines Büfett für alle ausgebreitet, fühlt sich das hier alles an wie glückseliges Baumeln in der Hängematte.
Ab in die Höhle
Das alles genießen auch Kinder. Stöcke werden zum Hirschgeweih, die dichten Gebüsche zu grandiosen Verstecken. Weiter auf dem Rundweg sausen sie mal vorneweg und verlieren ein anderes Mal fast den Anschluss. Weil der Wald wieder etwas Aufregendes offenbart hat. Da gibt es krabbelnde Käfer und Tausendfüßler, dann wieder Rindenstücke, die sich prima zum kleinen Boot umfunktionieren lassen oder große Felsen, die wie ein Magnet wirken, so wunderbar kann man hier kraxeln - wie die Großen am Steilhang.
Wobei: Ihr ganz persönliches Highlight finden junge Wanderer unter der Erde. Eine wahrlich verwunschene Höhle! Die Erwachsenen wären doch glatt daran vorbei gelaufen. Aber nicht die kleinen Abenteurer. Und die sind zum Glück auch ausgerüstet wie findige Forscher. Nicht nur das Schnitzmesser baumelt am Hosenbund, echte Entdecker haben eine Taschenlampe dabei.

Zum Glück, denn die brauchen sie beim Streifzug durch die tiefe Dunkelheit. Ob hier mal Bären gelebt haben? Wer weiß ... In jedem Fall waren die möglichen Bewohner kleiner als wir Zweifüßer, die hier schon ordentlich den Kopf einziehen müssen. Aber sonst wäre es ja auch kein echtes Abenteuer.
Ausgedehntes Picknick und Pausen
Fast ausschließlich auf Waldboden führt die Rundwanderung entlang der Traufkanten der Schwäbischen Alb. Es ist ein weiches, angenehmes Gehen. Durchaus mit Anstiegen, aber die sind moderat und die Länge der Tour ist mit neun Kilometern sehr überschaubar. Das hat Vorteile: So darf das Picknick ruhig ein bisschen länger dauern, ebenso die Pausen auf den Bänken oder Felsen, um den Blick aufs weite Waldmeer zu genießen. Oder einfach, um dem Vogelkonzert in den Bäumen zu lauschen. Es ist tatsächlich: Urlaub an nur einem einzigen Tag.
Und trotzdem möchte man jedem, der den Weg nach Albstadt angetreten hat, empfehlen, noch ein bisschen länger zu bleiben. Schlafmöglichkeiten gibt es im Ort jede Menge - abenteuerlich für die ganze Familie noch dazu. Zum Beispiel, wenn man in den urigen Schlaffässern auf dem örtlichen Campingplatz übernachtet.
Für uns geht es an diesem Tag zwar wieder nach Hause. Doch Moment, da war ja noch was. Das kühle Radler. Pommes mit Ketchup. Und drum herum die Blumenwiesen. Ist das nicht ... herrlich?