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Nach der Siesta im Kaninchenstall wird gespielt

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Bei Bauer Kaninchen-Spezialitäten in Lohe bei Neuenstein ist am späten Nachmittag ganz schön was los im Stall. Im Schlachthaus herrscht bereits Ruhe.

Von Regina Koppenhöfer
 Foto: Koppenhöfer, Regina

Das Schlachthaus ist längst geputzt. Still und menschenleer ist es, als Michael Bauer die HZ-Mitarbeiterin in die nach Desinfektionsmittel riechenden Räume mit hinein nimmt. Am Vormittag sah das hier anders aus: Einige Hundert Kaninchen wurden an diesem Tag von den Mitarbeitern des Betriebs "Bauer Kaninchen Spezialitäten" geschlachtet und verpackt. In Lohe nahe Neuenstein züchten, schlachten und vermarkten die beiden Brüder Michael Bauer und Thomas Bauer Kaninchen. Während der Jüngere, Thomas Bauer, für den landwirtschaftlichen Bereich und für die Kaninchenzucht zuständig ist, ist Michael Bauers Refugium die Vermarktung und die Schlachtung.

Von der blutigen Arbeit im Schlachthaus ist nichts mehr zu sehen

Am späten Nachmittag blitzen und blinken die Edelstahltische und Körperspalter wieder. Peinlichst genau wurden sie gereinigt. Auch an der Etikettiermaschine ist kein Fleck zu sehen. "Ich schaue jetzt, dass die Maschinen alle aus sind und dass alles sauber gewaschen ist. Und morgens schau ich dann noch mal", erklärt Michael Bauer bei seinem Kontrollgang. Der staatlich geprüfte Techniker für Agrarwissenschaften wirft dabei auch einen Blick in die Kühlräume. Sauber verpackt stapelt sich hier das Kaninchenfleisch. Nicht nur in der Region, sondern auch in ganz Deutschland wird das Fleisch aus Lohe geschätzt: Es geht an Wochenmarkthändler, an Handelsketten, in die Gastronomie und an Babynahrungshersteller.

Eine strenge Geburtenplanung sorgt regelmäßig für hunderte junge Hasen

Michael Bauer ist zuständig für die Schlachterei und den Vertrieb. Wenn das Fleisch verpackt ist, werden die einzelnen Päckchen an einer Maschine automatisch ettiketiert.
Michael Bauer ist zuständig für die Schlachterei und den Vertrieb. Wenn das Fleisch verpackt ist, werden die einzelnen Päckchen an einer Maschine automatisch ettiketiert.  Foto: Koppenhöfer, Regina

Bevor das geschehen kann, muss Woche für Woche für Nachschub gesorgt - soll heißen - müssen die Häsinnen gedeckt werden. Dies geschieht durch künstliche Besamung. Durch diese Geburtenplanung weiß man im Betrieb Bauer dann auch immer ganz genau, wann "Hochbetrieb im Kreißsaal" sein wird, so Michael Bauer. Heute haben 200 Häsinnen geworfen. Zehn oder auch elf Junge pro Mama sind es in der Regel. Diese Kleinen können an diesem Tag noch nicht besucht werden, jedoch die Kaninchen mit einem Alter von fünf Wochen.

Bevor Thomas und Michael Bauer die HZ-Mitarbeiterin in einen Stall mitnehmen, muss diese aber erst einmal einen weißen Einweg-Overall anziehen und Plastiküberzieher über die Schuhe streifen. Die Schutzkleidung soll verhindern, dass Krankheiten in den Stall eingetragen werden. Dann geht es in den ganzen Stolz der Familie, in den noch ziemlich neuen Außenstall.

Nur wenige Landwirte in Europa züchten Kaninchen in großem Stil in einem Außenstall

"Außenklimahaltung" ist hier das Stichwort. Rund 1000 Mastplätze gibt es. In großen Buchten werden die Kaninchen gehalten. Das Besondere: Die Tiere haben zwei Wahlzonen und können durch Klappen vom Innenbereich in einen Außenbereich wechseln, in dem die Wände nicht vollständig verschlossen sind. Löcher in den Wänden sorgen dafür, dass jederzeit frische Luft in diesen Bereich des Stalls hereinkommt, jedoch keine Räuber in den Stall gelangen können.

Ein angenehmes Klima herrscht im Stall, in dem sechs große Buchten zu sehen sind. Ganz unterschiedlich ist das Einstreu in den Buchten. Je nach Bucht hoppeln die munteren Tiere etwa über Dinkelspelz-Pellets, Cellulose, Torf oder auch mal über Sand. Thomas Bauer erzählt, dass er die Außenklimahaltung mit dem unterschiedlichen Einstreu seit gut einem Jahr betreibt. Mit leisem Stolz weisen Thomas und Michael Bauer darauf hin, dass nur wenige Landwirte in Europa Kaninchen in großem Stil in einem Außenstall züchten und dass diese Art der Haltung in Lohe ein Pilotprojekt sei und von Forschern aus dem Bereich Tiermedizin wissenschaftlich begleitet werde.

Die Kaninchen haben den ganzen Tag lang Unterhaltung im Stall

Michael (links) und Thomas (rechts) Bauer beim Füllen der Heuraufen.
Michael (links) und Thomas (rechts) Bauer beim Füllen der Heuraufen.  Foto: Koppenhöfer, Regina

Davon ahnen die Kaninchen allerdings nichts. Zu Hunderten hoppeln sie umher. Zwischen zehn und 14 Uhr etwa hatten die Tiere Siesta gehalten, jetzt aber am späten Nachmittag sind sie wieder munter, spielen und tollen herum. Wer trotzdem lieber seine Ruhe will, zieht sich auf ein bald 20 Zentimeter hohes Podest, den "Balkon", zurück, streckt sich dort gemütlich aus und verfolgt das Treiben der anderen von sicherer Höhe aus. Langweilig wird es den Kaninchen nicht: Für die ganz Unermüdlichen hat Thomas Bauer Heuraufen und Hölzer zum Knabbern in den Buchten angebracht.

Wen indes der Hunger plagt, der drängt sich um die Futterspirale, wo es jederzeit was zu futtern gibt. Der Tisch ist reich gedeckt mit Pellets aus Zuckerrübenschnitzel, Weizenkleie und Rapsextraktionsschrot. "Das ist unsere eigene Rezeptur", verrät Landwirt Thomas Bauer, der Agrarmarketing studiert hat, mit leisem Stolz.

Apropos Rezeptur: Die Bauer-Brüder haben nicht nur Kaninchen-Fleisch im Angebot, es gibt bei ihnen gleich auch noch die passenden Kochrezepte dazu. Michael Bauer verrät, dass seine Lieblingsspeise Kaninchenkeulen geschmort in Parmesancreme mit Blattspinat sei. Richtig ins Schwärmen gerät er beim Gedanken an diese Köstlichkeit. Ein Blick über die munteren Hoppler zeigt: Von ihrem köstlichen kulinarischen Ende ahnen die arglosen Kaninchen allerdings nichts.


Pilotprojekt

Die Kaninchen in Lohe wachsen in Welfare-Anlagen in klimatisierten Ställen auf. Sie erhalten Beschäftigungsmaterial und Heu als Rauhfutter. Es gibt zwei Haltungsformen: Bodenhaltung und Außenklima. Natürliches Sonnenlicht und frische Luft sind wichtige Bausteine der Außenklimahaltung, die seit gut einem Jahr als Pilotprojekt betrieben und wissenschaftlich von Forschern der TH Bingen begleitet wird.

 
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