Hinter den Kulissen der öffentlichen Toilette am Marktplatz
Spätestens beim Weindorf war jeder schon auf der öffentlichen Toilette am Marktplatz. Wie sieht es da aber an einem ganz normalen Vormittag aus? Wir haben uns das stille Örtchen genauer angeschaut.

Nahezu geräuschlos fallen ein paar Groschen in das Plastikkörbchen. "Dankeschön", sagt Silke Sturm, während der Geldgeber bereits die Treppen hinauf eilt. "Über das Trinkgeld freuen wir uns." Gemeinsam mit drei Frauen und zwei Männern ist Sturm als Leiterin des Bereichs Gebäudereinigung der Aufbaugilde für die öffentliche Toilette am, oder besser gesagt unter dem Heilbronner Marktplatz zuständig.
"Hier darf aber jeder geben, was er mag", ergänzt die 55-Jährige sogleich. Und so huschen um kurz nach 10 Uhr auch immer wieder Menschen am Fenster des kleinen Aufenthaltsraums vorbei, die offenbar keinen Cent für die Arbeit der Reinigungskräfte übrig haben. Auch das sei in Ordnung. Nach rund vier Stunden sind etwa zehn Euro für Mitarbeiterin Alexandra Scheuber zusammengekommen. Seit 6 Uhr ist sie für die Sauberkeit der neun Pissoirs und drei Klos der Herrentoilette sowie der sechs Kabinen auf der Seite der Frauen verantwortlich. Um 11 Uhr ist Schichtwechsel.
Mehr Männer als Frauen kommen

Deutlich mehr Männer suchen am heutigen Vormittag das öffentliche WC auf. Für Alexandra Scheuber wird es höchste Zeit, nach dem Rechten zu schauen. Die Enttäuschung ist ihr deutlich anzumerken: In keiner der Toiletten wurde die Spülung betätigt. In der zweiten Kabine wird es besonders übel - die Klobrille ist mit Kot verschmiert, die Fliesen davor bespritzt.
Die 48-Jährige atmet tief durch und macht sich an die Arbeit. Vermutlich ist einem der älteren Männer ein Malheur passiert. Sein Versuch, die verdreckte Klobrille mit Toilettenpapier zu reinigen, jedoch missglückt. "Wenn ich bei den Männern putze, schließe ich die Tür hinter mir ab, so dass keiner reinkommen kann", erklärt die alleinerziehende Mutter.
Sicherheit geht immer vor

Sicherheit ist wichtig. Das gilt nicht nur im Hinblick auf körperliche Übergriffe. "Wir tragen beim Reinigen der Kloschüsseln sowie der Armaturen blaue Einweghandschuhe", erklärt Silke Sturm. Für gefährliche Gegenstände wie Glasscherben oder Spritzen gibt es dicke Sicherheitshandschuhe.
Letztgenannte findet Silke Sturms Team zum Glück nur noch selten. "Früher waren die Toiletten ein Anlaufpunkt für Drogenabhängige. Mit dem blauen Licht, das vor einem Jahr installiert wurde, ist es deutlich besser geworden", erklärt Sturm. Es erschwert den Fixern das Erkennen ihrer Adern.
4200 Rollen Klopapier im Monat
Durch die Bauarbeiten in der Kaiserstraße ist es momentan ruhiger. Zwei Paletten Klopapier, also etwa 4200 Rollen, gehen im Monat trotzdem locker weg. "Das gleiche gilt für Handtuchpapier", sagt Sturm. Hier würde sich die Leiterin eine umweltfreundlichere Alternative wünschen. "Viele Jugendliche ziehen unnötig viel Papier raus, werfen es auf den Boden oder verstopfen die Pissoirs", sagt auch Scheuber. "Die Hälfte könnte man sich sparen." Das gilt auch für die Seifenspender, die alt sind und immer wieder verkleben.
Freundliche Atmosphäre ist wichtig
Auch wenn die Räume unterhalb des Marktplatzes in die Jahre gekommen sind, das Personal der Aufbaugilde gibt alles, um eine freundliche Atmosphäre zu schaffen. "Wir dekorieren die Fenster zum Treppenabgang passend zur Jahreszeit", sagt Sturm. Besonders stolz ist die 55-Jährige auf ihre Sprüche, die an der Wand hängen. "Erfolg ist, wenn deine Seele dein Leben berührt", steht dort zum Beispiel. "Kürzlich hat ein junger Mann zu mir gesagt, dass es mit den Zitaten jetzt richtig Sinn macht, aufs Pissoir zu gehen", erinnert sich Silke Sturm.
Gesundheitsamt kontrolliert regelmäßig
Das Gesundheitsamt kommt regelmäßig vorbei und überzeugt sich von der Hygiene. Am Ende bleibt eine Toilette, was sie ist. Doch Silke Sturm versucht, Atmosphäre zu schaffen. Nicht zuletzt, weil während der Öffnungszeiten auch immer ein Mitarbeiter in dem knapp acht Quadratmeter großen Aufenthaltsraum zwischen den beiden Treppenabgängen hockt. Neben Putzeimern, Desinfektionsmitteln, Raumdeo - das besonders für die Männertoilette benötigt wird - sowie Stapeln an Klopapier und einem unentwegt kreisenden Ventilator.
Die Tür zur Damentoilette ist meistens geöffnet. Das dazugehörige offene Ohr für ein Schwätzchen wird gerne angenommen. Zum Beispiel, wenn Freundinnen nervös auf das Ergebnis eines Schwangerschaftstests warten. Nicht ohne Grund sagt Silke Sturm deshalb: "Man muss für den Job mit Menschen umgehen können."
Angebot "Nette Toilette"
"Eine Bedürfnisanstalt, auch öffentliches WC oder WC-Anlage genannt, ist eine allgemein zugängliche, größere Toilettenanlage im öffentlichen Raum zum Verrichten der Notdurft oder zum Urinieren." So heißt es bei Wikipedia. Mit den Jahren sind öffentliche WCs aber immer mehr aus dem Stadtbild verschwunden. Teilweise wurden historische Toilettenhäuschen in Großstädten wie Hamburg oder Berlin in Cafés umgewandelt. Die Stadt Heilbronn hat sich als Ergänzung zu den WCs am Marktplatz sowie an der Allee dem Programm "Nette Toilette" angeschlossen. Die Idee dahinter? Öffentliche Einrichtungen, Restaurants und Geschäfte öffnen ihre Toiletten für die allgemeine Nutzung, ohne dass ein Kaufzwang besteht. Eine Übersicht des Angebots findet sich auf Mein-Heilbronn.de.


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