Wenn sich die Poser-Szene in Heilbronn am Mediamarkt trifft
Menschen mit und ohne Protzkarre treffen sich nachts in Heilbronn vorm Mediamarkt. Einige lassen die Motoren aufheulen. Andere schütteln darüber missbilligend den Kopf.

"Hubraum statt Wohnraum", sagt ein junger Mann. Die Kumpels lachen. Teure, PS-starke Autos sind ihr Ding. Lack und Reifenfelgen glänzen. Der Parkplatz des Mediamarkts in Heilbronn ist an Wochenenden ein beliebter Treffpunkt für Nachtschwärmer. Nicht jeder dort rast mit dem Fahrzeug über den Platz. Schon gar nicht die Polizeistreife, die in einem dunklen Zivil-Fahrzeug langsam eine Runde dreht.
Der Treffpunkt hat einen schlechten Ruf
"Sonst ist hier mehr los", sagt eine 20 Jahre alte Heilbronnerin. Sie möchte nicht - wie alle anderen auch -, dass ihr Name öffentlich genannt wird. "Meine Mutter wäre nicht begeistert, wenn sie wüsste, dass ich hier bin", sagt sie und lächelt. Ihre 23 Jahre alte Freundin aus Neckarsulm-Obereisesheim nickt zustimmend. Die überwiegend jungen Leute, die sich an den Wochenenden auf dem Parkplatz treffen, haben bei Außenstehenden einen schlechten Ruf. Wie zum Beweis jault lautstark ein Motor auf. Der Auspuff knattert. Der Fahrer drückt fest das Gaspedal durch. Der Wagen schießt über den Platz. Das Schauspiel wiederholt sich. Der Fahrer bleibt unerkannt.
Der Treff an der Edisonstraße ist gedanklich eng verknüpft mit illegalen nächtlichen Autorennen durch die Innenstadt. Wenn, wie in der Vergangenheit mehrfach passiert, in der Weipertstraße in der Nähe des dortigen Kreisels ein Raser gegen den Baum prallt, liegt der Verdacht nahe, dass der Parkplatz Start oder Ziel der Unfallbeteiligten ist.
Lautstarkes Beschleunigen kommt nicht bei allen gut an
Raser haben auf dem Parkplatz weniger Fans, als man meinen könnte. "Fährt jemand zu schnell, muss sofort der Führerschein weg", meint ein Mann Anfang 20 aus dem Landkreis. Ein 32 Jahre alter Heilbronner, Spitzname Memo, sagt: "Für Fahrzeuge mit Leistung gibt es die Rennstrecken." Er fahre ebenfalls ein teures Auto und deutet mit dem Kopf in Richtung seines schweren Mercedes. Zu Hause warten eine Frau und ein wenige Monate alter Sohn auf ihn. Protzerei mit dem Auto liege ihm nicht. Rasen, lautstark beschleunigen - "das ist unnötig".
In der Stadt ist nachts um zwei einiges los. Nachteulen sind zu Fuß unterwegs. Auf den Straßen tummeln sich die Wagen. Taxi-Fahrer auf der Allee und in der Wilhelmstraße fahren schneller als 40. Ein blitzblank geputzter weißer Audi hält sich ans Tempolimit. Nachdem er unter der Eisenbahnbrücke beim Bildungscampus durch ist, gibt dessen Fahrer Richtung Kreisel Gas. Ein Blitzer ist nirgends zu sehen. An der roten Ampel in der Fügerstraße stehen fünf Autos, die zum Mediamarkt-Parkplatz abbiegen. Der ist gut gefüllt.
Vorbeikommen und schauen, ob man jemanden kennt
"Viele wollen hier nur abhängen", erklärt ein junger Mann aus Heilbronn. Der 20-Jährige ist mit zwei Frauen da. Sie seien im Kaisersturm gewesen. Jetzt wollen sie sich noch ein bisschen unterhalten, bevor es nach Hause geht. In einem Club wäre es ihnen zu laut. "Hier ist es ruhig, es gibt kaum Anwohner, die wir stören könnten", sagt eine von ihnen. Der Platz sei beleuchtet und keine dunkle Ecke und dazu zentral gelegen. "Es kommen bunt alle möglichen Leute zusammen", sagt eine 20-Jährige. Ein Freund ergänzt: "Man fährt vorbei, um zu gucken, ob man jemanden kennt."
Reifenspuren zeichnen sich auf dem Asphalt ab. Immer wieder heult ein Wagen auf. Sieben Freunde aus dem Landkreis und der weiteren Umgebung stehen zusammen. Sie seien im K3 im Kino gewesen, erzählen sie. Bevor sie heim fahren, unterhalten sie sich noch etwas. Die ganze Nacht auf dem Platz verbringen würde sie langweilen. Autofans sind sie alle. Klar schaue man mal ein anderes Auto an. Laute Fahrweisen aber ignorieren sie. Fahrer, die die Reifen quietschen lassen, ernten höchstens missbilligendes Stirnrunzeln.
Einem von ihnen gehört ein Dodge Challenger Scat Pack, 500 PS. Mehr als 50.000 Euro habe er dafür auf den Tisch gelegt, erzählt der Besitzer. Er sei im Außendienst tätig und unter der Woche selten zu Hause. Er verdient gut und gibt eigenen Angaben zufolge nicht viel Geld aus. "Das Auto war schon seit ich zehn bin mein Traum", sagt er. Jetzt hegt und pflegt er den in Deutschland seltenen Wagen. Er fahre langsam, damit nichts dran kommt.