Ärger über Ruhestörer und Auto-Poser: Hat die Polizei zu lange weggeschaut?
Junge Menschen treffen sich draußen, sind laut, hinterlassen Müll und protzen mit ihren PS-starken Autos. Polizeichef Hans Becker äußert sich zu Brennpunkten in der Region, insbesondere Heilbronn und Öhringen.

Ruhestörer und Poser machen Bewohner im Heilbronner Neckarbogen und in Öhringen das Leben schwer. Auch in anderen Orten arten Treffen junger Menschen aus. Die Probleme löse man nicht mit klassischen polizeilichen Mitteln, sagt Polizeichef Hans Becker.
Wie bewerten Sie die Lage, sind Jugendliche außer Rand und Band?
Hans Becker: Das würde ich nicht sagen. Einige schlagen über die Stränge. An Wochenenden sind Ruhestörungen unser häufigster Einsatzgrund. Die Zahl der Ordnungswidrigkeiten übersteigt deutlich die der Straftaten. Grundsätzlich habe ich Verständnis, dass junge Menschen nach Monaten der Einschränkungen den Wunsch haben, in Clubs zu gehen, auszugehen, sich auszutauschen.
Wie ist die Situation im Präsidiumsbereich?
Becker: Es ist überall das Gleiche. Ob in Wertheim, Bad Mergentheim, Öhringen oder Heilbronn. Junge Menschen treffen sich in großen Gruppen an bestimmten Orten und es geht dort laut zu. Ich muss aber sagen, dass wir bei den Beschwerden über Lärmbelästigungen insgesamt keinen Anstieg im Vergleich zu den Zeiten vor Corona haben.
Dennoch gibt es etwa in Heilbronn und Öhringen massive Probleme. Hat die Polizei zu lange weggeschaut?
Becker: Wo es Beschwerden gibt, gehen wir hin. Es gibt kein Pardon, wenn dort jemand unnötig mit dem Auto in der Gegend herumfährt, Lärm und CO2 verursacht. Eine Nichtreaktion kann es nicht geben. Klar ist aber auch: Mit klassischen polizeilichen Mitteln lösen wir diese Probleme nicht. Die Polizei kann an einem Abend die Treffen auflösen und Platzverweise aussprechen, und am nächsten Abend sind sie trotzdem wieder da. Zuerst sind die kommunalen Verantwortlichen gefragt. Mit der Stadt Heilbronn sind wir in einem guten Dialog.
Die Poser-Szene gibt es seit Jahren und wird immer größer. Hat die Polizei diese Entwicklung vernachlässigt?
Becker: Die Szene hat sich vergrößert. Darauf stellen wir uns ein. Dieses Jahr haben wir bereits mehr als 500 Autos kontrolliert und 50 Autos wegen technischer Veränderungen eingezogen. Wir setzen Nadelstiche. Es ist ein Mengenproblem.
In Öhringen eskaliert die Lage: Drogen, Sex, Lärm und Müll. Bürger fühlen sich im Stich gelassen.
Becker: In der von Ihnen dargelegten Form ist mir das Problem nicht bekannt. Ich werde mich erkundigen und wenn Handlungsbedarf besteht, werden wir aktiv. Auch die Anliegen der Öhringer Bevölkerung nehmen wir ernst und auch hier gilt, dass wir die Balance halten müssen zwischen dem nachvollziehbaren Freiheitsdrang der jungen Menschen und der Durchsetzung von Verboten.
Wird die Polizeipräsenz an den auffälligen Plätzen verstärkt?
Becker: Seit einigen Wochen haben wir zusätzliche Kräfte an den Wochenenden im Einsatz. Öhringen beispielsweise hat zwei Streifen. Wenn es dort zu Problemen kommt, ziehen wir Kräfte aus Künzelsau oder Neckarsulm hinzu. Wir haben aber nur eine bestimmte Zahl an Einsatzkräften, es gibt personelle Grenzen. Wenn wir einen dringenden Einsatz haben, muss die Lärmbelästigung warten. Darüber ärgern sich die Bürger.
Die Polizei reagiert auf Klagen. Warum verhindert sie derartige Entwicklungen nicht, indem sie beispielsweise Streifen an den bekannten Brennpunkten platziert?
Becker: Beliebte Treffpunkte werden regelmäßig angefahren und bestreift, zu Fuß und teilweise auch mit Zivilfahrzeugen. Sollten wir Ordnungsstörungen oder gar Straftaten feststellen, schreiten wir konsequent ein. Eine stationäre Dauerpräsenz ist sehr personalintensiv und aufgrund unserer Aufgabenvielfalt nicht immer machbar.
Was halten Sie von einem Verweilverbot an bestimmten Orten zu festgelegten Zeiten, etwa nachts ab 24 Uhr?
Becker: Das ist grundsätzlich ein probates Mittel, um die Lage zu beruhigen. Man muss aber bedenken, dass ein Verweilverbot etwa im Neckarbogen alle treffen würde, also auch die Anwohner. Ein solches Verbot würde auch andere benachteiligen. Es träfe auch jene, die sich ordentlich verhalten, und einfach die schöne Umgebung genießen wollen. Und übrigens, wenn Sie die Szene vertreiben, dann trifft sie sich an einem anderen Ort.
Das ist die Lage
Lärm, Dreck, Autoposer und Horden junger Menschen plagen Anwohner in der Region vor allem an den Wochenenden bis spät in die Nacht. Dieses Phänomen beobachtet Hans Becker (63), Präsident des Heilbronner Polizeipräsidiums, überall in seinem Zuständigkeitsgebiet. Besonders schlimm ist die Situation in Öhringen und im Neckarbogen in Heilbronn. Bürger kritisieren, kommunale Ordnungsdienste und Polizei würden dem Treiben nicht Herr werden. In Heilbronn kündigt das Rathaus bei einem Bürger-Dialog konkrete Schritte an.