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Weinlese in der Steillage bei Kirchheim ist Handarbeit fürs kulturelle Erbe

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Die Trauben von Frank Braun werden bei den Weingärtnern Stromberg-Zabergäu zu einem besonderen Steillagen-Trollinger verarbeitet. Trotz höherem Preis für die 0,75-Liter-Flasche ist das kaum rentabel.

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Etwa 70 Prozent Steigung hat der Weinberg oberhalb der Kirchheimer Neckarschleife an dieser Stelle. Es geht aber noch steiler. Für die polnischen Erntehelfer bedeutet die Lese eine enorme körperliche Anstrengung.
Fotos: Helmut Melchert
Etwa 70 Prozent Steigung hat der Weinberg oberhalb der Kirchheimer Neckarschleife an dieser Stelle. Es geht aber noch steiler. Für die polnischen Erntehelfer bedeutet die Lese eine enorme körperliche Anstrengung. Fotos: Helmut Melchert  Foto: HELMUT MELCHERT

Schnaufend trägt Dariusz Marek Krajewski, genannt Max, die voll beladene Butte das schmale Stäffele hoch. Der Schweiß steht ihm im Gesicht, obwohl er am Freitagmorgen trotz weniger als zehn Grad Außentemperatur nur T-Shirt und Shorts anhat. Es ist, schätzt er, etwa die 30. Butte in zweieinhalb Stunden. "Aber ich zähle nicht." Max ist der Steillagen-Experte unter den 15 polnischen Erntehelfern des Kirchheimer Weingärtners Frank Braun. Leichtfüßig wie kein anderer absolviert der 54-Jährige die 70 Prozent Steigung hoch und runter. Drei Lesetage hat Frank Braun für das 0,7 Hektar große Stück Weinberg oberhalb der Neckarschleife anberaumt. "Auf der Ebene wäre das ein Tag", sagt der 60-Jährige.

"Wirtschaftlich lohnt sich das nicht, es ist eher Landschaftspflege, das Bewahren eines kulturellen Erbes", erklärt Frank Braun. Während in seinen anderen Weinbergen vieles maschinell abläuft, ist am Kirchberg alles Handarbeit. "Eigentlich eine inspirierende Aufgabe, wenn man keinen Zeitdruck hat", meint der Vater von zwei erwachsenen Söhnen mit Blick auf die Umgebung. Wenn er am Steilhang eine eingefallene Natursteinmauer richten müsse, sei das für ihn entspannend wie ein Puzzle.

Steillagen prägen die Landschaft

"Die Steillagen gehören zur Landschaft von Kirchheim und anderen Weinbaugemeinden, die am Neckar liegen", sagt das Vorstandsmitglied der Weingärtner Stromberg-Zabergäu. "Aber viele Kollegen haben ihre Stückle aufgegeben, weil sie zu alt sind oder aus gesundheitlichen Gründen." Um die Einzigartigkeit des Landschaftsbilds trotz dieser Entwicklung zu bewahren, hat die Gemeinde Kirchheim 2020 die "Weinkultur Kirchheim" ins Leben gerufen und die notwendigen Stellen geschaffen. Zunächst für drei Jahre ist Kirchheim "das einzige Dorf weit und breit, das sich mit einem eigenen Betrieb um die Weinkultur im Ort kümmert", heißt es auf der Homepage. 40 Kilometer neckaraufwärts hat die Stadt Stuttgart ein ähnliches Projekt.

Am Freitag steht bei Frank Braun eine besondere Lese an: für den Trollinger Premium. Seine polnischen Erntehelfer - viele seit mehr als zehn Jahren im Team - wissen genau, worauf es ankommt. "Die richtig guten, blauen, gesunden und durchgefärbten Trauben werden aussortiert und in der Kellerei extra verarbeitet", beschreibt der Vollerwerbs-Landwirt, der auch Äpfel und Kartoffeln anbaut.

 


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Keine Routine

Frank Braun freut sich über die Qualität seiner Trollinger Premium-Lese.
Frank Braun freut sich über die Qualität seiner Trollinger Premium-Lese.  Foto: HELMUT MELCHERT

Ewa Krajewska füllt die Eimer geübt mit den richtigen Trauben und kippt diese dann in die Butte von Ehemann Zbigniew. Sie arbeitet gerne in der Steillage, auch wenn kaum Zeit bleibt, die Aussicht zu genießen. Anders als auf flachem Gelände müsse man aber gut aufpassen. "Das ist keine Routine, wir müssen immer Respekt haben", sagt die 43-Jährige.

"Auch vom Trollinger kann man einen hochwertigen Wein machen", betont Frank Braun. Er freut sich über die gute Qualität des Jahrgangs 2022. Wegen des trockenen Sommers habe er Angst gehabt um die Reben, zumal am Kirchberg teils nur ein Meter Erde über dem Fels sei. "Es hat viele Trauben weggebrannt, aber trotzdem ist die Menge sehr schön", so der Experte. Durch den Regen und die zuletzt kühlen Nächte hätten sich die Reben erholt. "Das begünstigt die physiologische Reife. Oechsle-Grade sind nicht alles."

Der Trollinger Premium aus der Steillage kostet etwa drei Euro mehr als der "normale" Trollinger. "Viele Leute sind von der Schönheit dieser Landschaft ergriffen und fragen, wie sie uns helfen können", berichtet Frank Braun. Seine Antwort ist denkbar einfach: "Indem sie diese Weine kaufen und wertschätzen."

 


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Projekte von Weingärtnern und Kommunen

Auch die Lauffener Weingärtner setzen sich für die Steillagen ein. Sie sind Mitglied des Weinbergwerks, das aus vier Lagen an Neckar und Enz drei Cuvees vertreibt. "Ein Baustein, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Steillagen zu schärfen, ist der Tourismus", so Bettina Keßler von der Stadt Lauffen. Dazu gehören Führungen oder Schifffahrten. Für den Erhalt der Steillagen haben 2020 elf Kommunen und der Landkreis Ludwigsburg, darunter Lauffen, Kirchheim, Bönnigheim, den Verein Regionalentwicklung Neckarschleifen gegründet. 

 
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