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Wie Reinhold Würths Enkel Benjamin in die Führungsrolle wächst

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Im Stimme-Interview erzählen Reinhold und Benjamin Würth, was sie verbindet, wie sie in die Zukunft blicken und wie sie Weihnachten feiern. Dem 88-jährigen Unternehmer machen noch einige Entwicklungen zu schaffen.

Interview mit Reinhold (rechts) und Benjamin Würth: Wie arbeiten Großvater und Enkel zusammen, welche Werte teilen sie, welche neuen Ansätze verfolgt der Neue?
Interview mit Reinhold (rechts) und Benjamin Würth: Wie arbeiten Großvater und Enkel zusammen, welche Werte teilen sie, welche neuen Ansätze verfolgt der Neue?  Foto: Berger, Mario

Vor gut einem Jahr regelte Reinhold Würth offiziell seine Nachfolge im Unternehmen. Sein Enkel Benjamin Würth ist nun Stellvertretender Vorsitzender im Stiftungsaufsichtsrat. Seite an Seite arbeiten die zwei zusammen. Im Gespräch mit der Heilbronner Stimme erklären sie, welche Vorlieben sie teilen, wo es mit dem Unternehmen derzeit hingeht und was an Weihnachten geplant ist.

 

Herr Würth, in Ihrer ersten Rede als der designierte Nachfolger Ihres Großvaters im Stiftungsaufsichtsrat der Würth-Gruppe haben Sie vor einem Jahr gesagt, das Unternehmen muss nahbar bleiben. Geht das, mit 87.000 Mitarbeitern?

Benjamin Würth: Ja, das geht über die Kultur im Unternehmen. Nahbar bleiben wir, wenn wir zum Beispiel die Arroganz fernhalten, was meinem Großvater immer so wichtig ist. Das ist wichtig im Unternehmen, aber auch gegenüber den Kunden. Auch da wollen wir als Würth immer nahbar bleiben. Und ganz persönlich: Mir kann jeder eine E-Mail schreiben. Logisch, man kennt nicht alle 87.000 Mitarbeiter. Aber man kann doch nahbar und erreichbar sein.

 

Als Sie das Signal bekommen haben, dass Sie sich auf die Führungsrolle im Unternehmen einstellen können, wie sind Sie damit umgegangen?

Benjamin Würth: Die Frage ist schwierig zu beantworten, weil wir mit dem Unternehmen aufgewachsen sind. Das Unternehmen ist wie eine Familie. Wenn man mal Teil einer Familie ist, ist es nicht schwer, mit der Familie umzugehen. Jede Entscheidung, die man trifft, hat Auswirkungen, sie kann richtig sein, sie kann aber auch falsch sein. Dieser Verantwortung sind wir uns stets bewusst.

 


 

Vor elf Jahren haben Sie, Herr Professor Würth, über ihren ältesten Enkel mal gesagt, er sei gerade "Sand futtern" in Indien. Erinnern Sie sich?

Reinhold Würth: Hab ich das gesagt? Ich glaube nicht. Auf jeden Fall war er da auf dem Rücksitz eines Motorrads in Delhi unterwegs, hat bei Regen Kunden besucht.

Benjamin Würth: Das war eine der Zeiten, in der ich am meisten gelernt habe. So ein Monsunregen ist schon etwas anderes, wenn man plötzlich bis zu den Knien im Wasser steht. Da versteht man dann auch, was hinter manchen vermeintlich kulturellen Unterschieden steckt - etwa wenn die Inder sagen, sie konnten nichts verkaufen, weil es geregnet hat. Ich hab's erlebt, wenn man mit dem Motorrad da einfach nicht mehr vorankommt. Man muss die Menschen verstehen, wenn man mit ihnen Geschäfte machen will. Und das erkennt man am besten direkt vor Ort.

 


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Über Bettina Würth wurde gesagt, dass sie sich – im Gegensatz zu ihrem Vater – auch mal von einer gegenteiligen Meinung überzeugen lässt. Ist das so verteilt bei Ihnen?

Benjamin Würth: Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen, und da kann auch ich mir viel abschauen in der Familie. Man kann immer links oder rechts rumgehen, um zum Ziel zu kommen.

Reinhold Würth: Wenn das Argument besser ist, wäre es fatal, wenn man aus Prinzip oder aus Machtstreben in die falsche Richtung geht. Ich lass mich immer wieder gern überzeugen. Das ist im Großen passiert, etwa als wir uns vor Jahrzehnten in der IT für SAP entschieden haben. Das passiert aber auch bei vielen kleinen Entscheidungen, ständig.

 

Ihr Großvater hat also nicht immer gesagt, wo es langgeht?

Benjamin Würth: Nein, das Schöne war, dass er nie gesagt hat: "Du musst!" Jeder von uns hatte die Freiheit, seine Zukunft zu finden. Passe ich hier überhaupt in das Unternehmen, habe ich das Zeug dazu, hier Karriere zu machen, oder bin ich jemand ganz anderes?

Reinhold Würth: Im Grunde darf jeder machen, was er möchte. Solange sich das im Rahmen unseres Familienkodex bewegt, ist das in Ordnung, ich mache keine Vorschriften. Aber vielleicht bin ich manchmal auch ein bisschen Vorbild. Das Fliegen war eine große Leidenschaft. Benjamin und sein Bruder Sebastian haben diese Freude am Fliegen übernommen. Die schauen sich schon ein bisschen ab, was der Alte macht.

 

Jetzt fliegen auch Sie, Herr Würth?

Benjamin Würth: Ja, seit 2015. Es bringt fürs Geschäft die Flexibilität und die Geschwindigkeit, die heute notwendig sind. Mein Opa sagt immer: Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Und die Entwicklung wird immer schneller. Wir sind mit 400 Gesellschaften weltweit in mehr als 80 Ländern auf der Welt vertreten. Wie gesagt, ist die Nähe zum Kunden und den Tochtergesellschaften über die persönliche Begegnung elementarer Erfolgsfaktor. Da spielt die Sichtbarkeit der Familie in den weltweiten Konzerngesellschaften für uns als Familienunternehmen eine sehr entscheidende Rolle. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist eine individuelle Mobilität unabdingbar.

 

So wie bei der Künstlichen Intelligenz. Wo sehen Sie denn Chancen auch für Ihr Geschäft?

Reinhold Würth: Wir erweitern gerade die Logistik hier und künftig soll der Automatisierungsgrad bei 75 Prozent liegen. Da wird KI eine wichtige Rolle spielen. Die Mitarbeiter werden dann nicht entlassen, sondern selbstverständlich in anderen Abteilungen weiterbeschäftigt. Ich mache mir schon intensiv Gedanken, was wohl 2050 sein wird. Da komme ich einfach zu dem Resultat, dass es nicht unmöglich ist, dass die Leute bloß noch drei Tage in der Woche arbeiten werden, weil die KI ihnen Arbeit abnimmt. Für uns ist das auch gut: Künstliche Intelligenz arbeitet rund um die Uhr.

 

Sie als Unternehmer würden also das Geld, das Sie mit KI verdienen, auf die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter anrechnen?

Reinhold Würth: Also man wird in einigen Bereichen einfach weniger Menschen brauchen, aber mehr in anderen. Etwa in der Informatik. Deshalb haben wir Programme laufen, dass sich Mitarbeiter weiterbilden, zum Beispiel im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Und wenn ich von einer Drei-Tage-Woche spreche, dann soll das für die Menschen eine Freude sein. Die sollen den gleichen Lohn haben wie früher bei einer Fünf-Tage-Woche. Sie sollen ihre Freizeit genießen können.

 


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Das widerspricht aber Ihrer Lebenseinstellung. Sie hätten mit einer Drei-Tage-Woche auch genug Geld gehabt und doch so viel mehr gearbeitet.

Reinhold Würth: Nein, bei mir gab es keine Künstliche Intelligenz. Ich bin jetzt im 75. Arbeitsjahr, ich habe sozusagen zwei Arbeitsleben hinter mir.

 

Und Sie sagen üblicherweise, Arbeit muss Spaß machen. Es wundert mich nur, dass Sie nicht sagen, dass auch Ihren Mitarbeitern die Arbeit fünf Tage die Woche Spaß machen soll...

Reinhold Würth: Das stimmt schon. Es gibt durchaus Mitarbeiter, die die Arbeit als Hobby empfinden. Manche erklären mir, dass sie sich richtig freuen, wenn das Wochenende rum ist. Entscheidend ist: Die ganze Wirtschaft wird die Künstliche Intelligenz nutzen. Da muss man mitschwimmen. Anders gehen Sie unter. Und ich möchte, dass nicht die Gefahren gesehen werden, sondern es soll ein Leuchtturm für die Zukunft des Unternehmens sein.

 

Sie haben in Berlin eine KI-Einheit. Sie sind in Heilbronn beim KI-Innovationspark Ipai Partner. An welchem Standort sehen Sie die Zukunft?

Reinhold Würth: Das bleibt nicht darauf beschränkt. Wir haben allein in München 250 Leute nur in der Informatik. In Indien gibt es eine große Einheit mit einer dreistelligen Mitarbeiterzahl, in der Schweiz ebenfalls. In den USA bauen wir gerade eine Informatikabteilung auf. Das ist der Bereich im Unternehmen, der am schnellsten wächst. Und in der Informatik geht alles in Richtung KI.

 

Herr Würth, Sie leben in der Schweiz. Fühlen Sie sich noch als Hohenloher?

Benjamin Würth: Natürlich haben meine Familie und ich unseren Lebensmittelpunkt in der Schweiz, gleichwohl fühle ich mich heimisch, wenn ich hier hohenlohisch reden kann. Heimatverhältnisse können komplex sein: Der ehemalige Außenminister Kissinger ist vor wenigen Wochen gestorben. Er war gebürtig aus Fürth in Franken. Gleichwohl US-amerikanischer Bürger, er hat sich aber sein Leben lang mit seinem Fußballverein Fürth identifiziert.

 

Also halb-halb?

Benjamin Würth: Lassen Sie es mich so sagen: Ich habe zwei Herzen in meiner Brust. Ich fühle mich als schweizerischer Württemberger oder als württembergischer Schweizer, je nachdem. Von der Stammesmentalität geht dies gut zusammen. Ich fühle mich an beiden Orten zu Hause.

 

Sie wollten doch auch schon einmal in die Schweiz ziehen, Herr Professor Würth. Wegen der Steuer...

Reinhold Würth: Ich wäre auch gegangen, wenn mich meine Frau damals nicht gebremst hätte. Jetzt wird wieder eine Reichenabgabe diskutiert. Das ist schon sehr ärgerlich. Wir haben 87.000 Arbeitsplätze weltweit geschaffen, das hat den Staat viel weniger gekostet, als wenn er das selbst hätte machen wollen. Unser Geld steckt in der Firma, fast neun Milliarden Euro Eigenkapital. Was soll das? Das Geld fehlt dann nur, um weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Wir haben schon eine der höchsten Steuerquoten weltweit.

 


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Das Unternehmen ist ja gut gewachsen. Wie sieht es jetzt aus?

Reinhold Würth: Wir werden dieses Jahr einen neuen Umsatzrekord machen. Mit über 20 Milliarden Euro konsolidiertem Umsatz. Wir planen auch für das kommende Jahr mit Wachstum. Unser Marktanteil ist ja immer noch sehr klein. Die Jungen haben also noch eine große Spielwiese.

 

Mit welchen Gefühlen blicken Sie ins Jahr 2024 und wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Risiken?

Reinhold Würth: Selten bin ich in ein neues Jahr gegangen, in dem ich so große Sorgen hatte. Die Kriege in Nahost und in der Ukraine belasten mich. Sie beide haben das Potenzial, zu einem Brandbeschleuniger für einen dritten Weltkrieg zu werden. Wenn Putin taktische Atomraketen einsetzt, dann wird die Nato nicht ruhig bleiben können. Unsere ganze Zivilisation könnte dann um Jahrhunderte zurückgeworfen werden. Dann brauchen wir uns über die Visionen für das Jahr 2050 nicht mehr unterhalten.

 

Sie können nicht gelassener werden im Alter, wie es aussieht.

Reinhold Würth: Nein, ich bin nicht gelassen fürs nächste Jahr. Was das Unternehmen betrifft, ja, aber was die Weltpolitik betrifft, nein, da habe ich große Sorgen.

 

Und Sie bleiben weiter präsent?

Reinhold Würth: Solange ich körperlich noch fit bin und nicht senil, möchte ich immer noch ein bisschen zum Erfolg beitragen. Ich meine, das hat ja gut gewirkt. Und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bin ich ja auch ein bisschen Legende, möchte ich mal sagen.

 

Wie geht es Ihrer Frau?

Reinhold Würth: Den Umständen entsprechend gut. Sie ist ein medizinisches Wunder. Sie schlägt sich sehr gut. Wir sind dankbar.

 

Jetzt dürfen Sie zusammen Weihnachten feiern.

Reinhold Würth: Ja, wir sind in Österreich, in Salzburg, wo wir ohnehin inzwischen ein Drittel des Jahres leben. Die Familie kommt zu Besuch. Wir machen es gemütlich.

Benjamin Würth: Es ist traditionell ein großes In and Out. Wir kommen, dann geht es für uns zurück in die Schweiz, dort kommt dann meine Mutter vorbei.

 


Zu den Personen: Reinhold Würth und Benjamin Würth

Reinhold Würth (88) ist mit 14 Jahren ins Unternehmen seines Vaters eingestiegen, hat es nach dem Tod von Adolf Würth 1954 übernommen und seitdem zum größten Händler von Schrauben und Befestigungsmaterial weltweit aufgebaut. 1999 wurde er zum Ehrenprofessor an der Universität Karlsruhe (TH) berufen. Er ist seit 67 Jahren mit seiner Frau Carmen verheiratet, mit der er drei Kinder hat. Tochter Bettina ist Vorsitzende des Beirats der Würth-Gruppe. Ihr designierter Nachfolger ist Sebastian Würth, Sohn von Bettinas Schwester Marion.

Benjamin Würth (42) ist Sohn von Marion Würth und der älteste Enkel von Reinhold Würth. Er soll ihm als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats, dem obersten Führungsgremium der Würth-Gruppe, nachfolgen. Benjamin Würth ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in der Schweiz. Operativ wird das Unternehmen von der Konzernführung unter Robert Friedmann geleitet.

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