Heilbronn-Franken und die Künstliche Intelligenz: Das ist die Vision für die Region
Endlich gibt es das verbindende Element, von dem fast alle in der Region profitieren können. Etwas, auf das man stolz sein kann – wenn man denn nur will, meint unser Autor.

"Heilbronn macht Schlagzeilen", so hieß es vor gut zwei Jahren in dieser Zeitung. Denn die überregionale Presse setzte sich ein ums andere Mal mit dem Engagement von Dieter Schwarz und seiner Stiftung auseinander, und das teilweise auch sehr kritisch.
Die Bedenken sind inzwischen weitgehend Staunen und Respekt gewichen. Doch es wäre zu kurz gegriffen, alles nur auf die Investitionen des Heilbronner Mäzens zu reduzieren. Es verstellt den Blick auf das, was die Region darüber hinaus zu bieten hat - und was es braucht, um die außergewöhnlichen Chancen, die sich hier bieten, konsequent ergreifen.
Die Bindestrichregion bekommt die Aufmerksamkeit
Es geht um Heilbronn-Franken. Zugegeben, als Markenname ist die Region weniger einprägsam als andere Bindestrichvarianten à la Leutheusser-Schnarrenberger, weniger liebenswürdig als die süße Marie-Luise-Valentina von nebenan.
Doch ihre Stärken kann sie inzwischen deutlich besser ausspielen als noch vor wenigen Jahren. Das liegt vor allem an der Aufmerksamkeit, die Heilbronn als aufstrebendes KI-Zentrum erhält. Innerhalb der nächsten wenigen Jahre soll hier das größte KI-Ökosystem Europas entstehen.
Andernorts traut man das dieser Stadt inzwischen zu. Gerade erst lautete eine Schlagzeile der "Süddeutschen Zeitung: "Willkommen im deutschen KI-Kraftzentrum." Wohlgemerkt: Das schreiben Münchner über Heilbronn, und es war nicht ironisch gemeint.
Der Ipai soll kein Fremdkörper werden
Entscheidend ist dabei nicht, wie viel Stahl und Glas verbaut werden soll. Entscheidend ist, dass die großen europäischen Unternehmen ihre Chance darin sehen, von Anfang an dabei zu sein. Während sie vor wenigen Jahren noch Büros im Silicon Valley (wie Audi) oder Tel Aviv (Porsche) eröffneten, kleine Einheiten in Berlin (wie Würth) oder Dortmund (EBM-Papst) aufbauten, sind sie heute allesamt Nachbarn im Heilbronner Ipai.
Und "more is to come" heißt es dort geheimnisvoll. Englisch ist schon heute bei vielen Veranstaltungen die erste Sprache.
Der Andrang, der im schnell wachsenden KI-Innovationspark herrscht, sollte die Region aufrütteln. Sie muss mitziehen. Ansonsten droht der neue Ipai ein 23 Hektar großes Raumschiff in der Raumschaft zu werden. Die IHK Heilbronn-Franken hat das in Ansätzen verstanden und den Dialog Zukunft gestartet, eine Art neuen Pakt für die Region, der unter anderem KI als tragende Säule definiert. Er erreicht allerdings noch zu wenige Akteure da draußen. Das muss sich ändern.
Die starken Nachbarn sind für den Ipai wichtig
Und es kann auch nicht der IHK überlassen werden. Es braucht den Willen in den Schulen, in den Vereinen, in den Rathäusern und natürlich vor allem in den Unternehmen, sich fitzumachen als Akteur einer KI-Region. Sie müssen sich vernetzen und immer wieder die Frage stellen, wo und wie KI sinnvoll eingesetzt werden kann.
Die Türen stehen offen. Ipai-Chef Moritz Gräter betont: "Wir schätzen uns mehr als glücklich, dieses KI-Kraftzentrum in einer wirtschaftlich so starken Region zu errichten, und aktiv die Transformation der Region vorantreiben zu dürfen." Die Durchmischung von Familienunternehmen, "hidden Champions", Weltmarktführern und internationalen Unternehmen aus unterschiedlichsten Sparten begreifen die Ipai-Verantwortlichen als absoluten Standortfaktor und -vorteil.
Demnächst kommt noch der europäische KI-Hoffnungsträger Aleph Alpha in den Ipai. Spätestens dann wird Heilbronn in einem Atemzug genannt mit Städten wie Paris, die um ihre Vertreter im weltweiten KI-Wettbewerb teilweise sogar zittern müssen. Heilbronn dagegen fiebert den Neuzugängen entgegen, die Schwarz-Gruppe und die Dieter-Schwarz-Stiftung kümmern sich um das Finanzielle und erhalten dafür auch noch viel Sympathie.
Bemerkenswerte Worte aus Stuttgart
Es hagelt Superlative. Vor wenigen Tagen verkündete der baden-württembergische Staatsminister Florian Stegmann: "Der Ipai in Heilbronn ist nach meiner Einschätzung das größte Transformationsprojekt Deutschlands." Eine beachtliche Einschätzung aus der Landeshauptstadt. Und zugleich eine, die nicht aus der Luft gegriffen ist.
Mit solchen Aussagen bekommt die Region auch die mediale Aufmerksamkeit, nach der sie sich so lange gesehnt hat. "Wein, Schwein und Weltmarktführer" - der Slogan der Stallwächterparty von vor 16 Jahren in Berlin hat damals sicher einen sympathischen Eindruck hinterlassen.
Doch es war eben auch das Provinzielle herauszuhören. Heute ist Heilbronn bei Start-ups und Investoren ebenso wie bei den Großkonzernen ein Begriff, und sie verbinden nicht an erster Stelle den guten Wein mit der Stadt. Der darf gerne kredenzt werden, im Fokus aber steht etwas anderes.
Die Stunde der Regionalpatrioten
Es bleibt dabei: Heilbronn-Franken ist eine vielfältige Region. Sie lebt von ihrem starken Mittelstand, von einzigartigen Firmenclustern rund um die Schraube, den Ventilator, das Glas, Ventile oder Verpackungsmaschinen. Sie lebt von Erfindungsreichtum und Unternehmergeist.
Dabei bleibt ein Hohenloher immer ein Hohenloher, ein Tauberfranke ein Tauberfranke. Und die Schwäbisch Haller waren schon immer ein eigenes Volk und stolz darauf. Trotzdem hat der Flugzeugsitzhersteller Recaro gerade seine Mitgliedschaft im Ipai besiegelt.Denn Lokalpatrioten können auch Regionalpatrioten sein.
Es ist eine einmalige Chance
Vorbehalte sollten den Aufbruch zu neuen Ufern jedenfalls nicht verhindern. Thomas Bornheim, der umtriebige Chef der Programmierschule 42 in Heilbronn, sagt: "Leute aus Frankfurt und München besuchen uns und scharren mit den Hufen, andere sind nur ein paar Kilometer entfernt und finden den Weg nicht." Dabei wäre jetzt die Zeit, loszulaufen. Denn Heilbronn-Franken sollte als Gewinner aus dieser groß angelegten Transformation hervorgehen.
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