Polizeistudie: Polizei Baden-Württemberg lehnt Teilnahme ab - Was ist der Streitpunkt?
Mit einer Studie sollen Erkenntnisse über die Arbeitssituationen der Beamten gewonnen werden - eigentlich. Die Polizei Baden-Württemberg will sich daran nicht beteiligen.
Weshalb arbeitet jemand für die Polizei? Antworten darauf soll eine bundesweite Online-Studie der Deutschen Hochschule der Polizei liefern – eigentlich. Mitte vergangener Woche teilte die Polizei Baden-Württemberg mit, dass sie sich daran nicht beteiligen wird.
Ablehnung des Hauptpersonalrats bisher ohne Begründung
Der Hauptpersonalrat hat dies bisher ohne weitere Begründung abgelehnt. „Bislang kennt das Landespolizeipräsidium nur das negative Votum, aber keine Hintergründe, die zu dieser Entscheidung führten“, sagt Nadia El Almi, Sprecherin des Innenministeriums Baden-Württemberg. Der Hauptpersonalrat ist vergleichbar mit einem Betriebsrat und ist für die 35.000 Beschäftigten der Polizei im Land zuständig.
Innenministerium sucht weiterhin Gespräch und hofft auf spätere Beteiligung
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sieht die Megavo-Studie (Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten) kritisch. „Die Polizei wie eine Ratte im Labor zu betrachten, lehnen wir ab.“
Wie das Innenministerium Baden-Württemberg mitteilt, sollen mit der Studie Erkenntnisse gewonnen werden, die die Arbeitssituation betreffen. „Es geht hier nicht um einen Generalverdacht, unter den die Kolleginnen und Kollegen gestellt werden sollen“, sagt El Almi. Das Landespolizeipräsidium sei weiterhin mit dem Hauptpersonalrat im Gespräch und schaue, ob eine „spätere Beteiligung Baden-Württembergs noch möglich ist“.
Aus Kreisen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) – Mitbewerber zur DPolG – war zu vernehmen, dass die Studie nach wie vor unterstützt wird.
Den Hauptpersonalrat nicht einzubeziehen sei kein Rechtsverstoß
Baden-Württemberg ist eines der wenigen großen Bundesländer, das nicht an der Studie teilnimmt. „Ich lobe ausdrücklich das Vorgehen des Innenministeriums. Baden-Württemberg hat das schon richtig gemacht“, sagt Wendt. Dieses habe den Personalrat in die Entscheidung miteinbezogen. „Bayern und Berlin wurden nicht gefragt.“ Ein rechtlicher Verstoß sei das nicht. „Wenn Personalräte sich das gefallen lassen, ist das so.“
Befürchtung der Polizei, dass nur ein "erwünschtes Ergebnis zählt"
Jürgen Köhnlein, Landesvorsitzender der DPolG Bayern, sagt: „Der Hauptpersonalrat wurde vom Innenministerium im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit informiert.“ Im Klartext bedeutet das: Der Auftrag werde zur Kenntnis genommen und bearbeitet. Ein Veto-Recht habe die bayerische Polizei dabei nicht.
„Die Studie wurde von uns kritisch überprüft“, sagt Köhnlein. „Die berechtigten Ängste bleiben jedoch, dass nur ein erwünschtes Ergebnis zählt. Eben das Ergebnis, dass die Polizei ein latentes Rassismus-Problem hat.“ Wenn vorher feststehe, „dass ein anderes Ergebnis gar nicht akzeptiert wird, kann man sich die Mühe sparen“.
Winfried Kretschmann wird fehlender Respekt vorgeworfen
Da die Teilnahme für Polizisten freiwillig sei, schlössen die Ministerien daraus, man müsse dem Personalrat nichts vorlegen, sagt Wendt und kritisiert die Landesregierung. „Nur weil der grünen Fraktion die Antwort nicht passt, meinen sie, Druck ausüben zu müssen.“ Wendt sieht darin ein undemokratisches Verhalten vom Ministerpräsidenten.
„Winfried Kretschmann hat keinen Respekt vor dem demokratisch gewählten Personalrat. Diese Reaktion erschwert eine Abstimmung.“ Nach der Studienablehnung hatte sich Kretschmann gegenüber Medien geäußert: „Wir wollen, dass diese Studie gemacht wird.“ Anfragen der Stimme gegenüber Kretschmann blieben unbeantwortet. Wendt ist sich sicher, dass es „schwerwiegende juristische Probleme mit der Studie gibt“ und diese Grund der Ablehnung seien.
Studie seit Langem geplant
Anfänglich sollte die Studie zur Aufklärung von Rassismusvorfällen in der Polizei dienen. Nach Kritik des damaligen Innenministers Horst Seehofer (CSU), der eine „Rassismus-Studie“ befürchtete, wurde der Fragenkatalog überarbeitet, um den Berufsalltag der Beamten ganzheitlicher zu betrachten. Finanziert wird die Studie durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und läuft bis 2024.
Aufgrund der Verschwiegenheitspflicht des Personalrats könne „keine Auskunft“ gegeben werden, weshalb die Studie abgelehnt wurde, sagt Sprecherin Elisabeth Schnell von der DPolG. Ein Personalrat müsse seine Arbeit machen, so Rainer Wendt, „mit Blockade, Boykott oder Veto hat das nichts tun.“ Es sei ein ganz normaler Abstimmungsprozess und eine „formale Ablehnung“, wie er betont.