Abitur nach 13 Jahren: Diskussion über landesweite Änderungen der Gymnasien
Eltern setzen sich für eine landesweite Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ein. Aus der Region kommen gemischte Reaktionen. Und: Das Kultusministerium sieht ein großes Problem.
Die Debatte um eine flächendeckende Rückkehr zum neunjährigen allgemeinbildenden Gymnasium (G9) nimmt Fahrt auf: Neben dem Volksbegehren, das zwei Baden-Württembergerinnen anstreben, positionieren sich Schulleiter. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat eine klare Haltung dazu.
Kultusministerin will Ressourcen schonen
Einer der gewichtigsten Punkte gegen die komplette Rückkehr zu G9 hat Kultusministerin Theresa Schopper am Rande eines Vor-Ort-Termins in Hohenlohe thematisiert. Beschränkendes Argument seien die verfügbaren Lehrer. "Wir müssen unsere Ressourcen schonen", warnt die Kultusministerin. "Die brauchen wir nämlich in der frühkindlichen Bildung."
Bildungsgerechtigkeit und den Übergang von der Kita in die Schule hat sie dabei im Blick. Wenn gerade einmal 20 Prozent der Grundschüler über altersentsprechende Basiskompetenzen verfügen, müsse das alarmieren. Der Erzieherinnenberuf habe die vergangenen Jahre eine massive Aufwertung erfahren, auch mit Blick auf die Gehälter.
Schon jetzt habe Baden-Württemberg ein flächendeckendes Angebot, um an weiterführenden Schulen in neun Jahren zum Abitur zu gelangen. "Allein an 275 öffentlichen Standorten ist dies möglich", sagt Theresa Schopper. Dem gegenüber gibt es 376 Gymnasien mit einem G8-Angebot. Die Kultusministerin ergänzt: "Zu dem Angebot, das Abitur in neun Jahren abzulegen, zählen die 43 G9-Modellstandorte und die Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe." Auch das bundesweit einzigartige System der beruflichen Schulen biete mit den beruflichen Gymnasien die Möglichkeit, in neun Jahren ein vollwertiges Abitur zu erwerben.
Heilbronner Elternvertreterin setzt sich für G9 ein
Viviane Kalisch setzt sich für G9 ein. "Ich sehe keinen Sinn im G8", sagt die Vorsitzende des Heilbronner Gesamtelternbeirats. Sie kenne Eltern, die ihre Kinder deshalb bewusst an eine weiterführende Schulen schicken, an denen man nach neun Jahren das Abitur machen könne.
Für Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich das G8 etabliert. In manchen Regionen gingen über 50 Prozent der Viertklässler an ein solches Gymnasium, sagt der GEW-Sprecher im Kreis Heilbronn. "Man kann nicht sagen, dass das Gymnasium etwas tun muss, um die Akzeptanz zu erhöhen." Er begründet den Wunsch von Eltern nach G9 damit, dass viele Mütter und Väter nur ein solches Gymnasium aus eigener Erfahrung kennen. Mit sechs Jahren an einer Realschule oder einer Gemeinschaftsschule sowie drei Jahren an einem beruflichen Gymnasium erhalte man ebenfalls die Allgemeine Hochschulreife. Die anderen Schularten seien bei Eltern zwar akzeptiert, aber oft nicht fürs eigene Kind.
So reagiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Laut Harald Schröder müsse man im Bildungssektor an anderer Stelle aktiv werden, beispielsweise mehr dafür tun, dass der Schulerfolg nicht mehr von der sozialen Herkunft abhänge. Die Rückkehr zu G9 bedeute ebenfalls, dass mehr Lehrer an den Gymnasien benötigt würden. Außerdem müssten dann einzelne Schulen erweitert werden, um die Klassen unterzubekommen.
Bei der Schulentwicklung müsse man das Ganze im Auge behalten, warnt Matthias Wagner-Uhl davor, der Lobby der Gymnasialeltern zu viel Gehör zu schenken. Der Vorsitzende des Vereins der Gemeinschaftsschulen im Land sagt: "Es kann doch niemand glauben, dass wir mit einer Retro-Vorstellung von Schule Kinder für ihre mehr denn je unwägbare Zukunft vorbereiten könnten."



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