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Neujahrsvorsätze: "Der Motivationsschub kommt nicht durch das Datum, sondern von innen heraus"

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Der Motivationscoach und Buchautor Norman Gräter aus Künzelsau erzählt im Interview, was er von Neujahrsvorsätzen hält und wie man vermeidet, Mitte Januar schon das Handtuch zu werfen.

Bilder oder Zettel mit Sprüchen können helfen, bei seinen Zielen am Ball zu bleiben, empfiehlt Norman Gräter. Der 45-Jährige ist Motivationstrainer und Buchautor.
Bilder oder Zettel mit Sprüchen können helfen, bei seinen Zielen am Ball zu bleiben, empfiehlt Norman Gräter. Der 45-Jährige ist Motivationstrainer und Buchautor.  Foto: Berger, Mario

Das neue Jahr verbinden viele Menschen mit Vorsätzen: Die meisten Menschen nutzen Silvester als symbolischen Neuanfang, um ihrem inneren Schweinehund den Kampf anzusagen und etwas in ihrem Leben zu verändern: weniger Süßigkeiten zu essen, Gewicht zu verlieren oder mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren.

Aber wie hält man durch? Und macht es überhaupt Sinn, mit seinen Zielen bis Neujahr zu warten und dann eine Kehrtwende in seinen Gewohnheiten hinzulegen? Der Motivationscoach Norman Gräter gibt Tipps und Tricks.

 

Herr Gräter, Sie als Motivationscoach: Was halten Sie von Neujahrsvorsätzen?

Norman Gräter: Meine ehrliche Meinung: Gar nichts. Warum muss ich auf den 31. Dezember warten, um ab dann etwas zu verändern? Vorsätze an sich finde ich toll, nur ob die an Neujahr sein müssen, stelle ich infrage. Wenn ich es bisher nicht geschafft habe, vom Rauchen wegzukommen oder weniger zu trinken, warum sollte ich es dann ab Silvester schaffen?


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Für viele ist Silvester vermutlich ein symbolischer Neuanfang, aber hat man dadurch wirklich mehr Motivation?

Gräter: Das ist der Punkt. Wenn sich jemand einen Vorsatz setzt, "weil man das so macht", frage ich immer, wer dieser "man" ist. Wir folgen oftmals irgendwelchen Bräuchen, die ganz oft keinen Sinn ergeben. Wenn ich etwas verändern will, dann stört mich doch jetzt etwas. Der Motivationsschub, etwas zu tun, kommt nicht durch das Datum, sondern von innen heraus. Meiner Meinung nach scheitern schon viele Menschen Mitte Januar an ihren Zielen, weil sie nicht zu 100 Prozent dahinterstehen.

 

Die innere Einstellung ist also das A oder O. Was hilft noch, Vorsätze einzuhalten?

Gräter: In der Coach-Sprache sagt man, wir machen jetzt einen Ökocheck. Wenn wir annehmen, jemand möchte ab dem 1. Januar aufs Rauchen verzichten, würde er sich erstmal fragen, was der Vorteil und der Nachteil ist, dieses Ziel zu erreichen. Der Vorteil ist: Er lebt gesünder. Der Nachteil könnte lauten, nichts mehr mitzukriegen. Raucher stehen ja immer draußen und unterhalten sich. Wenn Gesundheit im Wertesystem eines Menschen ganz oben stehen würde, dann wäre er rauchfrei. Ist jedoch der höchste Wert des Menschen Gemeinschaft, Familie, Miteinander wäre es ja ein Nachteil, wenn er nicht mehr raucht, weil er die Kollegen nicht mehr trifft. Das bedeutet, das Ziel, mit dem Rauchen aufzuhören, würde gegen den höchsten Wert arbeiten. Durch diesen Ökocheck kommt oftmals raus, warum ich mein Ziel bisher nicht erreicht habe.

 

Was hilft noch?

Gräter: Sich kleine Ziele zu setzen. Oftmals sagen wir, ab Januar nie wieder mehr Schokolade zu essen. Wenn ich aber bis dato 45 Jahre meines Lebens jeden Tag Schokolade gegessen habe, dann ist das Ziel viel zu groß. Weder das Gehirn noch der Körper sind auf diesen extrem harten Umschwung vorbereitet. Man könnte stattdessen sagen: Ich lasse den nächsten Schokoriegel weg. Wenn ich das nämlich jedes Mal so mache, dann esse ich gar keine Schokolade mehr.

 

Haben Sie noch ein konkretes Beispiel?

Gräter: Menschen, die fit werden möchten, trainieren am Anfang im Fitnessstudio oft mehrmals die Woche für zwei Stunden. Wenn ich mich bis dato aber noch nie sportlich betätigt habe, dann falle ich nach zwei Stunden von diesem Trainingsrad und will nie wieder ins Fitnessstudio.

 

Wie sollte man stattdessen vorgehen?

Gräter: Schön ist, sich zu überlegen, wie man das Ziel mit viel Spaß und Leichtigkeit erreicht. Das könnte bedeuten, sich erstmal seinen Trainingsanzug anzuziehen und zum Fitnessstudio zu fahren. Noch nicht mal reingehen, einfach nur hinfahren. Beim zweiten Mal geht man rein, schaut sich alles an, aber trainiert noch nicht. Beim dritten Mal geht man rein und trainiert vielleicht zehn Minuten auf dem Fahrrad, nicht zwei Stunden. Stundenlang zu leiden, um sich gut zu fühlen, das schreckt ab. Ich empfehle, die Ziele nach und nach zu steigern.


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Freundet man sich so mit seinem Vorsatz auf Dauer an?

Gräter: Genau. Es ist doch so: Wenn ich mir erst zu Neujahr einen Vorsatz setze und nicht sofort, heißt das doch im Umkehrschluss, dass es mir nicht so wichtig ist. Also warum soll ich mir dann ab dem 1. Januar einen riesigen Stress machen. Besser ist es, sich Zeit zu lassen und beispielsweise über ein ganzes Jahr rauchfrei zu werden oder abzunehmen.

 

Wir Menschen wollen schnell Erfolge sehen.

Gräter: Ja. Dazu sage ich: Creation over a lifetime. Also: Erschaffen über eine Lebenszeit. Wir haben immer diesen gesellschaftlich geprägten Druck, schnell erfolgreich sein zu müssen. Nehmen wir das Beispiel: Influencer in den sozialen Medien. Man sieht sie mit Millionen von Followern und denkt sich: Das will ich auch. Meine Frau und ich waren vor kurzem in London. Dort gibt es den berühmten Gastronomen Nusret Gökce, wenn er Fleisch schneidet, lässt er auf unterhaltsame Art und Weise Salz aus seinem Ärmel auf das Gericht fallen. Ich dachte erst, was für ein komischer Typ. Aber er ist sehr erfolgreich, hat 14 Steakhäuser auf der ganzen Welt verteilt und ist ungefähr 45 Millionen Euro schwer. Wir haben ihn also in seinem Londoner Steakhouse getroffen, und ich habe ihn gefragt, was das wichtigste ist, um erfolgreich im Leben zu sein. Seine Antwort bringt uns zurück zu: Creation over a lifetime. Er sagte, jeder guckt auf das eine Bild oder das eine viral gegangene Video und sagt: Das will ich auch. Nur, dass er seit 26 Jahren in dem Beruf arbeitet, den er liebt, das sieht man jenem Bild oder Video nicht an. Er hat als Metzger als kleiner Junge angefangen. Wir neigen dazu, unseren Tag fünf mit dem Tag 5897 eines anderen zu vergleichen.

 

Was hilft, wenn man das weiß, aber trotzdem ungeduldig ist?

Gräter: Ich hatte mal eine App im Einsatz, die mir jede Viertelstunde eine Nachricht auf mein Handy gesendet hat, die ich zuvor eingeschrieben habe. Man kann auch Zettelchen im ganzen Haus verstecken, kleine Erinnerungen, die einem helfen, dabei zu bleiben. Es gibt eine Theorie, dass sich das Gehirn rote Schrift auf gelbem Papier wegen des starken Kontrasts besser merken kann. Das Allerwichtigste aber ist, jeden kleinen Erfolg zu feiern. Das heißt, immer wenn ich etwas gut mache, mich zu loben. Das kann ein kleiner Schritt sein, wie zum Beispiel am Süßigkeitenschrank vorbeizugehen. Den Profis empfehle ich, wirklich durchs Zimmer zu springen und zu tanzen. Die, die im Büro und nicht zu Hause sind, können sich auf die Schulter klopfen. Ohne Selbstliebe ist alles nichts wert. Man ist erst ein Superheld, wenn man sich für super hält. Der Spruch ist banal, aber da ist etwas Wahres dran. Man kann sein Ziel erst erreichen, wenn man sich sagt: Ich schaffe das.

 

Haben Sie sich für 2023 etwas vorgenommen?

Gräter: Nein, zumindest kein Ziel, sondern eine Absicht. Ich stehe jeden Morgen auf und setze mir die Absicht, etwas zu erfahren und zu erleben, das über meine kühnsten Träume hinausgeht. Sich jeden Tag eine Absicht zu setzen, finde ich schöner als nur einmal im Jahr zu Silvester. Wer das trotzdem zu Neujahr machen will, Feuer frei. Besser am 31. Dezember als nie (lacht).


Zur Person

Norman Gräter, 1977 geboren, wuchs in Künzelsau auf. Nach seiner Ausbildung bei der Firma Würth arbeitete er 16 Jahre im Eventmanagement mit Künstlern wie David Garret oder Anastacia. 2017 erschien sein erstes Buch "Zielerreichung für High Potentials". Im August dieses Jahres folgte das zweite Buch: "Re-Connect to Love and to Myself:." Seit fünf ahren lebt Gräter in Berlin. Seinen Zweitwohnsitz hat der 45-Jährige weiterhin in Künzelsau, hier wohnen auch seine drei Kinder. Seit 2014 ist Gräter als Motivationsredner in Firmen unterwegs und hält Vorträge.

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