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Zwei-Klassen-System an Grundschulen: Wer es sich leisten kann, geht an die Schwarz-Schule?

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Viele Eltern in Heilbronn befürchten im Grundschulbereich ein Zwei-Klassen-System - mit der Josef-Schwarz-Schule im Neckarbogen als das Maß aller Dinge. Zu den Sorgen äußert sich Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel im Interview - und verweist darin auf die Errungenschaften bei Schulen in städtischer Trägerschaft.

Im Heilbronner Stadtteil Neckarbogen schreitet der Bau der Josef-Schwarz-Schule voran.
Im Heilbronner Stadtteil Neckarbogen schreitet der Bau der Josef-Schwarz-Schule voran.  Foto: Berger, Mario

Heilbronner Eltern fürchten eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Grundschulen. Die Meinung vieler: Wer es sich leisten kann oder im Neckarbogen wohnt, werde sein Kind auf die private Josef-Schwarz-Schule schicken. Alle anderen besuchen die öffentlichen Schulen. Zu den Befürchtungen, städtischen Investitionen sowie weiteren privaten Grundschulen in der Stadt äußert sich Oberbürgermeister Harry Mergel.


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Die Kräne sind weithin sichtbar: Im Heilbronner Stadtteil Neckarbogen entsteht die neue Josef-Schwarz-Schule.
Foto: Ralf Seidel
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Die Josef-Schwarz-Schule wird zur größten Privatschule Deutschlands


 

Kinder im Grundschulalter, die im Neckarbogen wohnen, besuchen kostenlos die Klassen eins bis vier der Josef-Schwarz-Schule. Voraussetzung ist, dass die Eltern weniger als 120.000 Euro im Jahr verdienen. Muss man als Familie in den Neckarbogen ziehen, um seinem Kind gute, kostenlose Bildung zu ermöglichen?

Harry Mergel: Nein, denn die Frage unterstellt: Privatschulen seien besser als öffentliche. Wichtig ist mir, deutlich zu machen, dass wir insgesamt 18 Privatschulen in Heilbronn haben, die längste Tradition hat die Waldorfschule. Diese Privatschulen sehen wir als Ergänzung des öffentlichen Angebots. Generell ist unser Ziel, jedem Kind, entsprechend seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten, ein adäquates Bildungsangebot zu machen. Unsere Eltern können zwischen vielfältigen Angeboten entscheiden, was für ihr Kind am besten ist.

 

Ein Teil der Eltern sieht aber nur das Besondere: Die Schwarz-Schule bekommt einen Neubau mit guter IT-Ausstattung, auf Englisch wird schon ab Klasse eins unterrichtet.

Mergel: Wir sprechen zunächst aber über Pädagogik. Das Ziel ist, die Kinder dazu zu befähigen, dass sie sich in einer internationalen Gesellschaft entwickeln und selbstständig behaupten können. Gelingt das in einer Privatschule besser oder in öffentlichen? Ich behaupte, dass die öffentlichen mindestens genauso gut sind wie die privaten. Digitalisierung bauen wir konsequent weiter aus, auch bilingualer Unterricht wird teilweise angeboten. Ruhigen Gewissens kann ich unseren Eltern alle Grundschulen empfehlen. Dort wird hervorragende Arbeit geleistet. Lehrer geben ihr Bestes, wenn auch unter schwierigen Bedingungen. Personal ist für Schulen das größte Problem. Es fehlen Lehrer.

Für Lehrer ist das Land zuständig. Um Gebäude und Ausstattung kümmert sich die Stadt Heilbronn. Was setzt sie den großen Investitionen im Neckarbogen entgegen?

Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel.
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel.  Foto: Berger, Mario

Mergel: Lassen Sie mich etwas weiter ausholen. 2007 haben wir als erste Stadt in Süddeutschland eine kommunale Bildungsplanung auf den Weg gebracht. Die Ergebnisse sind teilweise bis heute spektakulär. Für uns hat die frühe Bildung bis zum Alter von zehn Jahren hohe Priorität. In diesem Alter werden die Grundlagen für eine erfolgreiche Bildungsbiografie gelegt. Wir verlangen keine Kindergartengebühren und bieten ein sehr gutes Angebot an Ganztagesbetreuung. Das zeigt auch dieser Vergleich: In Heilbronn besuchen über 80 Prozent der Kinder eine Ganztagsschule, im Land sind es nur 20 Prozent. Es sind nicht nur pädagogische Motive, die kulturellen und sportlichen Angebote im Ganztag kommen allen Kindern zugute. Denken Sie auch an den gesellschaftspolitischen Aspekt, dass Frauen ihren Beruf ausüben können.

 

Wie sieht es bei den Gebäuden aus?

Mergel: Wir haben insgesamt 35 Schulen in städtischer Trägerschaft, davon 17 Grundschulen. Natürlich sind es enorme Herausforderungen, alle Schulen gut in Schuss zu halten. Aber daran arbeiten wir permanent. In den vergangenen fünf Jahren haben wir 105 Millionen Euro in Sanierung und Neubau von Schulen investiert, bis 2030 fließen weitere 150 Millionen Euro in diese Aufgabe. Im vergangen Jahr wurde der Neubau der Gerhart-Hauptmann-Schule eingeweiht und die umfassende Sanierung der Dammschule abgeschlossen. Auch das zeigt, welchen Stellenwert Bildung für uns hat.

 

Familien aus dem Neckarbogen müssen für ihren Grundschüler an der Schwarz-Schule kein Schulgeld bezahlen, wenn sie weniger als 120.000 Euro verdienen. Diese Abmachung gibt es zwischen Stadt, Schule und Dieter-Schwarz-Stiftung. Woher kommt diese Grenze?

Mergel: Die Gebührenordnung wird vom jeweiligen Schulträger festgelegt.


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Ist geplant, eine ähnliche Abmachung auch für den weiterführenden Teil der Schwarz-Schule zu treffen?

Mergel: Sobald es dazu Konkretes geben wird, werden wir darüber informieren.

 

Wie geht es weiter mit der gymnasialen Oberstufe in Heilbronn, die es nur an der Josef-Schwarz-Schule gibt?

Mergel: Ich will nicht ausschließen, dass es an den beiden öffentlichen Gemeinschaftsschulen möglicherweise eine gymnasiale Oberstufe geben wird. In Heilbronn gibt es allerdings eine Besonderheit: Ein breites Angebot an beruflichen Gymnasien. Sie sind eine Alternative für Jugendliche, die die Mittlere Reife haben und das Abitur anschließen wollen.


So sieht es gerade an den Grundschulen aus

Laut Stadtverwaltung Heilbronn haben im vergangenen Schuljahr 583 Grundschüler eine der Privatschulen in Heilbronn besucht, insgesamt gibt es 4168 Grundschüler. An der Josef-Schwarz-Schule seien es damals 202 Grundschüler gewesen, darunter 106 Mädchen und Jungen aus Heilbronn.

 
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Kommentare

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Markus Henkel am 25.04.2023 07:52 Uhr

Im Vergleich der Josef-Schwarz-Schule zu den öffentlichen Schulen unter städtischer Trägerschaft fällt vor allem auf, wie schnell die Verwaltung im privaten Sektor Genehmigungen erteilt und alles möglich macht. Die eigenen Grundschulen hingegen müssen jahrelang auf den Anschluss mit schnellem Internet warten (obwohl das Kabel bereits in der Straße vor dem Gebäude lag – siehe Biberach) oder Gymnasien warten selbst nach 4 Jahren immer noch auf die Umsetzung ihrer eingereichten Digitalisierungspläne. Die Schulleiter bekommen dann aus dem Schul-, Kultur- und Sportamt zu hören, sie müssten sich eben dem Wettbewerb mit den Privaten stellen. Nur ist es kein fairer Wettbewerb, wenn Kinder auf Privatschulen besser ausgestattet lernen können, während auf öffentlichen Schulen ganze Jahrgänge ohne Digitalisierung lernen müssen. Herrn Mergels "Ich behaupte, dass die öffentlichen mindestens genauso gut sind wie die privaten." stimmt so also nicht.

Das von OB Mergel erwähnte Angebot an Ganztagesbetreuung zeigt ebenfalls nicht ganz so "spektakuläre Ergebnisse" wie propagiert. Das funktionierende Konzept und bei Eltern beliebte Konzept des "Heilbronner Wegs" ist leider mittlerweile durch größtenteils verpflichtende Ganztagesschule abgelöst worden. Für eine vernünftige Umsetzung gibt es zu wenig Personal und teilweise auch nicht die notwendigen Räumlichkeiten, um die Ganztagesschule mit Leben zu füllen. Die Eltern der Grundschule Alt-Böckingen haben zu Recht lange darauf bestanden, dass räumliche Erweiterungen notwendig sind, um den verbindlichen Ganztag einzuführen. In Klingenberg müssen immer neue Container für die Kinder reichen. Eine reine Aufbewahrung der Kinder (teilweise gegen Bedenken und den Willen der Eltern) ist eben kein pädagogisches Konzept. Die Verwaltung muss hier zu ihrem äußerst zügigen Vorgehen im privaten Bildungsbereich aufschließen.

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