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Trotz Verunsicherung
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Heilbronner Juden setzen gegen alle Anfeindungen Zeichen der Hoffnung

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Juden in Deutschland leiden zunehmend unter Antisemitismus. Was Michael Rubinstein, Direktor der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, dazu sagt und wie Heilbronn ein Zeichen setzen will.

Im Dezember feiern Juden das Lichterfest Chanukka, auch an der Allee. Gegen alle aktuelle Anfeindungen wollen sie verstärkt Flagge zeigen.
Im Dezember feiern Juden das Lichterfest Chanukka, auch an der Allee. Gegen alle aktuelle Anfeindungen wollen sie verstärkt Flagge zeigen.  Foto: Berger

Synagogen müssen schon lange mit Panzerglas, Security und Polizeistreifen gesichert werden. In gewisser Weise habe man mit mehr oder weniger latentem Antisemitismus, der keinesfalls erst von Muslimen importiert worden sei, zu leben gelernt.

Aber seit den Angriffen der Hamas auf Israel herrsche unter Juden in Deutschland große Verunsicherung. Kaum jemand traue sich noch mit dem Davidstern an der Halskette oder der Kippa auf dem Kopf in die Öffentlichkeit. Und: Das rechtsradikale Gedankengut von AfD-Politikern übersteige "alle Befürchtungen".

"Nicht schweigen. Zivilcourage zeigen. Jüdisch ist jetzt!"

Es waren Sätze wie diese, die manchem der 50 Besucher unter die Haut gingen. Der Direktor der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW), Michael Rubinstein, sprach und diskutierte diese Woche in den beinahe überfüllten Räumen der neuen jüdischen Gemeinde von Heilbronn über die Situation von Juden in Deutschland.

Trotz, oder gerade wegen aller aktueller Anfeindungen konzentrierte sich der 51-jährige Rheinländer auf mutmachende Worte und Inhalte. Sein Appell: "Nicht schweigen. Zivilcourage zeigen. Jüdisch ist jetzt!"

Seit den 1990ern großen Zulauf durch Juden aus dem Osten

Jüdisches Leben sei 80 Jahre nach dem Holocaust hierzulande wieder vielfältig und vital. Durch sogenannte Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion sei die Zahl der Gemeinden auf über 100, die der Mitglieder seit 1990 von 30.000 auf über 107.794 (2007) angewachsen, zuletzt aber auf 90.885 gesunken. Putins Krieg habe durch neue Ukraine-Flüchtlinge indirekt zur Stabilisierung der Zahlen beigetragen.

Die IRGW zähle 2.582 Mitglieder, wobei längst nicht alle Juden zur Gemeinde kämen. Neben der Zentralgemeinde in Stuttgart, die mit der Synagoge auch eine Grundschule und Kita betreibt, gibt es Filialen in Ulm, Esslingen, Aalen, Bad Mergentheim, Heidenheim, Reutlingen, Schwäbisch Hall, Weingarten und seit 2002 - dank der Gründerin und Integrationsfigur Avital Toren - auch an der Heilbronner Allee.

Neue Dachmarke will auf Angebote aufmerksam machen

Kernproblem sei neben mancherlei Anfeindungen die Überalterung, der die IRGW mit neuen religiösen, kulturellen, sozialen, "relevanten" Angeboten begegne, zunehmend für Familien, Kinder und Jugendliche.

Dazu gehöre ein "sexy" Marketing unter der Dachmarke "Com-Jewnity". So versuche man, nach innen, aber auch nach außen integrativ und nachhaltig zu wirken.

"Wir sind nicht Mitbürger, sondern Vollbürger dieses Landes"

Rubinstein lehnt im Übrigen die Bezeichnung von Juden als "Mit-Bürger" ab. "Das ist diskriminierend. Wir sind nicht Mitbürger, sondern Vollbürger dieses Landes. Ohne Mit- und Aber. Wir möchten auf Augenhöhe als Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden." Anders als seine Eltern, so eine seiner anschaulichen Anekdoten, habe Rubinstein kein Problem, das deutsche Nationaltrikot zu tragen.

Als Zeichen dafür, dass Juden seit 1.400 Jahren "zu uns gehören", wird laut Günther Spengler vom Freundeskreis der Synagoge noch in diesem Frühjahr ein "Baum der Hoffnung" gepflanzt: mitten in der Heilbronner Innenstadt.

 
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