Stimme+
Aufrüstung der Bundeswehr
Lesezeichen setzen Merken

Kommt die allgemeine Wehrpflicht zurück? – „Sicherheit Europas retten“

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Deutschland rüstet auf, Europa auch. Neben genügend Material braucht es auch genügend Personal. Jetzt werden Forderungen nach der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht laut.


Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

„Whatever it takes“, wiederholte Friedrich Merz die Worte des ehemaligen Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi, der 2012 mit diesen Worten deutlich machte, man werde alles tun, um den Euro zu retten. Friedrich Merz will nicht den Euro retten, sondern die Sicherheit Europas, egal, welche Anstrengung dafür nötig ist.

Denn über eines herrscht Einigkeit: Europa und die Nato können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die USA für die europäische Sicherheit aufkommt. Am Dienstag einigten sich die Spitzen aus Union und SPD auf mögliche neue Sondervermögen sowie darauf, Investitionen in die Bundeswehr dauerhaft von der Schuldenbremse auszunehmen.

Allgemeine Wehrpflicht in Deutschland wurde ausgesetzt – nicht abgeschafft

Der Bundeswehr fehlt nicht nur Ausrüstung und Material, es fehlt auch an Soldaten. Aktuell „sichern 181.000 Menschen in Uniform und 81.000 in Zivil die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr“. 

Am 1. Juli 2011 wurde die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland offiziell ausgesetzt - und nicht abgeschafft, was häufig gleichgesetzt wird. Darauf hatte sich der Bundestag am 24. März 2011 geeinigt, als Teil einer Reform der Bundeswehr, die unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) beschlossen wurde. 

Die Wehrpflicht ist in Artikel 12 des Grundgesetzes verankert, das hat sich auch bis heute nicht geändert. Die Aussetzung der Wehrpflicht wurde mit einer Änderung des Wehrpflichtgesetzes durchgesetzt, die besagt, dass sie „im Frieden“ ruht, beziehungsweise die Durchsetzung nur für den „Spannungs- und Verteidigungsfall“ gilt. 

Für die Wiedereinführung der Wehrpflicht muss der Bundestag zwar zustimmen, allerdings genügt hierfür eine einfache Mehrheit, da lediglich das Wehrpflichtgesetz geändert werden muss, nicht das Grundgesetz. Hierfür wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig. 

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

Einstellungen anpassen

Verteidigungsminister Boris Pistorius steht der Wehrpflicht skeptisch gegenüber

Debatten um die Wiedereinführung der Wehrpflicht gab es in den vergangenen Jahren immer wieder. Aktuell fordert unter anderem der Reservistenverband der Bundeswehr eine rasche Wiedereinführung, es würden noch in diesem Jahr 20.000 neue Soldaten benötigt. Der noch amtierende SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius steht einer Wiedereinführung skeptisch gegenüber.

In der ARD sagte er, es fehle die nötige Infrastruktur: „Wir haben gar keine Kasernen in der Größenordnung, um alle Wehrpflichtigen eines Jahrgangs einziehen zu können.“ Pistorius hatte im November 2024 einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsah zumindest einmal alle jungen Menschen zu erfassen, indem sie angeschrieben werden und zu ihrer Dienstbereitschaft und -fähigkeit befragt werden. Laut des Gesetzesentwurfes sollten Männer verpflichtend antworten müssen, Frauen nicht. 

Keine Einigkeit über die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland

Mehrere Unionspolitiker haben nun bereits öffentlich die Wiedereinführung der Wehrpflicht noch in diesem Jahr gefordert, unter anderem der CSU-Verteidigungspolitiker Thomas Silberhorn sowie CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Auch der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) sprach sich dafür aus. Der SPD-Verteidigungsexperte Falko Droßmann nannte dagegen die Unionsforderungen „unmöglich wie auch unzeitgemäß“ und einen „rein populistischen Vorschlag“.  

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, sagt: „Eine Wiedereinführung der alten Wehrpflicht ist aus vielen Gründen alles andere als pragmatisch und kostet viel zu viel Zeit, bis sie wirksam wäre. Es würde unfassbare Kapazitäten binden und auch viel Geld kosten, die alten Strukturen im großen Umfang wieder aufzubauen.“

Regionale Abgeordnete positionieren sich zur Wehrpflicht in Deutschland

Dass die Bundeswehr personell besser aufgestellt werden muss, davon ist auch der Heilbronner Bundestagsabgeordnete Alexander Throm (CDU) überzeugt. „Einen allgemein verpflichtenden Wehrdienst lehne ich persönlich jedoch ab. Stattdessen muss die Bundeswehr verstärkt für freiwillige Dienste geöffnet und attraktiver für alle Bevölkerungsgruppen gemacht werden“, so Throm.

Der Hohenloher Grünen-Abgeordnete Harald Ebner wird mit seiner Fraktion künftig aller Voraussicht nach in der Opposition sitzen. Einer allgemeinen Wehrpflicht steht er kritisch gegenüber. Stattdessen betont er, man habe sich mit der alten Bundesregierung bereits auf  einen Gesetzentwurf über ein freiwilliges Wehrdienstmodell geeinigt. „Darüber sollen alle jungen, wehrfähigen Menschen mit einem Fragebogen angeschrieben werden. Junge Männer müssen diesen verpflichtend ausfüllen - für junge Frauen ist dies freiwillig, da das Grundgesetz hier keine Pflicht erlaubt. Die Bundeswehr trifft anhand der eingehenden Fragebögen eine Auswahl und lädt zur Musterung ein“, erklärt Ebner. Diesen Vorschlag hält er weiterhin für einen sinnvollen Weg.

Sozialverbände über die mögliche Wiedereinführung des Wehr- oder Zivildienstes

Wer den Wehrdienst verweigert, kann ihn laut Kriegsdienstverweigerungsgesetzes durch den Zivildienst ersetzen. Der Zivildienst kam somit auch dem Sozial- und Gesundheitswesen zugute, da Zivildienstleistende für Einrichtungen teils eine wichtige personelle Stütze darstellten. Heute fehlt es in diesen Bereichen an Personal, eine Wiedereinführung könnte also gegebenenfalls auch für soziale Einrichtungen von Vorteil sein.

Ulf Hartmann, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg, sieht diese Möglichkeit kritisch und den Handlungsbedarf woanders: „Für die nächsten Jahre fehlt eine durchgängige Finanzierung für die Freiwilligendienste. Bevor die künftige Bundesregierung über neue Pflichtdienste diskutiert, brauchen die Träger eine Finanzierungssicherheit mit attraktiven Rahmenbedingungen für die Freiwilligen“, sagt Hartmann auf Anfrage unserer Redaktion. Weiter wäre eine staatlich finanziertes Freiwilligengeld auf BaföG-Niveau notwendig, damit sich jeder junge Mensch einen Freiwilligendienst leisten könne. 

Joß Steinke, Leiter der Jugend- und Wohlfahrtspflege beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) sagt, das DRK begrüße die Diskussion über ein „Gesellschaftsjahr“, wie auch immer dies gestaltet werde. Es brauche deutlich mehr Engagement im sozialen Sektor, ein solches Jahr könne ein Türöffner für späteres ehrenamtliches Engagement oder eine soziale Ausbildung sein. Eine verbindliche Pflicht sieht er hierbei aber nicht als optimalen Weg. Das System des Freiwilligendienstes funktioniere, allerdings kritisiert er wie Ulf Hartmann, dass es mehr öffentliche Investitionen brauche.  Das derzeitig gezahlte „Taschengeld“ sei zu niedrig und führe dazu, dass ein Freiwilligendienst vom eigenen Geldbeutel abhänge. 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben