Es war der 29. Februar 1984. Der damalige kanadische Premierminister Pierre Trudeau, Vater von Justin Trudeau, trat vor die Presse und begründete seine Entscheidung, die er am Morgen schriftlich mitgeteilt hatte: Nach einem langen Spaziergang durch den Schnee sei er zu dem Entschluss gelangt, nach 16 Jahren an der Spitze der kanadischen Liberalen zurückzutreten, sagt er. Trudeau war bis dahin einer der beliebtesten Politiker Kanadas gewesen, er regierte das Land mit einer Unterbrechung von 1968 bis 1984. Bis heute haftet ihm das Image des Philosophen unter den Politikern an.
Regierungskrise in Kanada: Deswegen ist Justin Trudeau zurückgetreten
Er galt als Strahlemann der internationalen Politik und begeisterte mit Oben-Ohne-Fotos aus dem Surfurlaub: Doch zuletzt lief es nicht mehr rund für den kanadischen Premierminister.

Er war der Strahlemann der internationalen Politik. Einer, der sogar die immer coolen Kanadier verzückte, als er 2016 beim Surfen an der kanadischen Westküste entdeckt wurde und Oben-Ohne-Fotos von ihm die Runde machten. Doch jetzt hat Justin Trudeau seinen Rückzug als Premierminister angekündigt, schwächelt seine liberale Partei doch seit Monaten in den Umfragen.
Justin Trudeau steht seit Monaten in der Kritik
Als der 53-Jährige am Montag in der Hauptstadt Ottawa vor die Presse trat, hatte er nur noch wenig von der strahlenden Aura, die ihn sonst immer zu umgeben schien. Müde und abgekämpft sah er aus, das dunkle Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht und dann fegte auch noch ein Windstoß sein Manuskript vom Rednerpult. „Dieses Land verdient eine echte Auswahl bei der nächsten Wahl und mir ist klargeworden, dass ich nicht die beste Alternative bei dieser Wahl sein kann, wenn ich interne Kämpfe ausfechten muss“, sagte Trudeau, wechselnd zwischen Englisch und Französisch. Die Zeit für einen frischen Start sei gekommen. Trudeau kündigte an, das Parlament bis Ende März zu pausieren, Gesetzesvorhaben werden in dieser Zeit nicht weiter vorangetrieben. Die Suche nach einem Nachfolger solle „robust“ und „landesweit“ erfolgen, bis der gefunden ist, will er im Amt bleiben.
Wann in Kanada Parlamentsahlen stattfinden, ist noch unklar
Wie und wann seine Partei intern einen Nachfolger bestimmen wird und wann eine Neuwahl stattfinden könnte, ist noch unklar. Die nächste reguläre Parlamentswahl in dem Land mit knapp 40 Millionen Einwohnern stünde im Herbst an. Mit einem Misstrauensvotum könnten jedoch, ähnlich wie in Deutschland, vorgezogene Neuwahlen erzwungen werden. Somit ist der zweitgrößte Flächenstaat der Erde kurz vor dem Amtsantritt Donald Trumps am 20. Januar politisch gelähmt. Justin Trudeau sei nun zu schwach, um dem Populisten im Süden viel entgegenzusetzen, fürchten Kommentatoren.
Donald Trump hatte mit hohen Zöllen gedroht
Die kanadische Wirtschaft droht weiter unter Druck zu geraten, wenn Trump seine Pläne wahr macht und 25 Prozent Einfuhrzölle auf Produkte aus Kanada erhebt. Die beiden Länder sind traditionell eng befreundet, vor allem in den dicht besiedelten Regionen um die großen Seen im Osten und am Pazifik im Westen gibt es einen regen Austausch von Waren und Arbeitskräften. So sorgen Trumps Zoll-Pläne seit Monaten für Aufregung und hatten letztlich zum Bruch zwischen Trudeau und seiner Stellvertreterin und Finanzministerin Chrystia Freeland gesorgt. Sie war im Dezember zurückgetreten, nun werden ihr Ambitionen auf die Führung der liberalen Partei nachgesagt, genauso wie anderen Partei-Größen der traditionell starken kanadischen Liberalen, die politisch etwas links der Mitte zu verorten sind.
Die liberale Partei Kanadas schwächelt in Umfragen
Ob es den Liberalen mit neuem Personal gelingen wird, den immensen Abstand zu den Konservativen aufzuholen, die mit 40 Prozent doppelt so hohe Umfragewerte erreichen, ist fraglich. Probleme wie teure Lebensmittel- und Energiepreise und der Mangel an bezahlbaren Wohnungen seien von der Regierung zu lange ignoriert worden, Trudeaus Schritt komme zu spät, meinen Beobachter. Trump erneuerte indes am Tag des angekündigten Rückzugs eine seiner kruden Ideen: „Viele Leute in Kanada würden es lieben, der 51. Staat zu sein“, schrieb er auf der Plattform Truth Social. Durch eine Vereinigung mit den USA wären nach Trumps Logik auch die Zölle vom Tisch.