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Nach Mindestlohn-Urteil zur 24-Stunden-Pflege wächst der Druck zum Handeln

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Der Mindestlohn gilt auch für Bereitschaftszeiten bei der Betreuung daheim, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Nun debattiert die Politik über die Folgen. Linken-Politikerin Jessica Tatti sagt: Würdige Pflege für alle im Alter muss Realität werden. Heike Baehrens (SPD) mahnt einen Ordnungsrahmen für Dienstleistungsagenturen an, Karin Maag (CDU) sieht Anpassungsbedarf bei den Arbeitszeiten.

von Hans-Jürgen Deglow
Würdige Pflege im Alter - sie zu realisieren, ist eine der größten gesellschaftspolitischen Aufgaben. Foto: dpa
Würdige Pflege im Alter - sie zu realisieren, ist eine der größten gesellschaftspolitischen Aufgaben. Foto: dpa  Foto: dpa

Nach dem Grundsatzurteil für eine bessere Bezahlung ausländischer Pflegekräfte in der häuslichen 24-Stunden-Betreuung werden Rufe nach Neuregelungen laut.  So mahnt Heike Baehrens, Pflegebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion:  „Es ist überfällig, einen rechtlichen Rahmen für die Beschäftigung in privaten Haushalten zu schaffen. Das gibt denen Handlungssicherheit, die solche Hilfen in Anspruch nehmen und sorgt dafür, dass Betreuungskräfte nicht ausgenutzt werden.” Ein erster Schritt sei in dieser Legislaturperiode bereits erfolgt, indem die Rechte grenzüberschreitender Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestärkt und auch die Kontrollrechte des Zolls ausgeweitet worden seien, „um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse aufzuspüren”. 

Heike Baehrens: Rund-um-die-Uhr-Betreuung kann nicht billig sein

Die Politikerin aus Göppingen betonte: „Nun braucht es einen Ordnungsrahmen für Dienstleistungsagenturen, die ausländische Betreuungskräfte vermitteln: mit klarer Vertragsgestaltung, verbindlichen Arbeitszeitregelungen und Qualitätsstandards. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erhalten dadurch die Sicherheit, dass für die Beschäftigten auch tatsächlich die notwendigen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden.” Es müsse aber allen klar sein, so Baehrens: „Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung kann niemals von einer Person allein geleistet werden und kann auch nicht billig sein, wenn arbeitsrechtliche Mindeststandards eingehalten werden.” Daher setze sich die SPD auch für die Förderung legaler haushaltsnaher Dienstleistungen durch Zuschüsse ein.


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Jessica Tatti: Pflegeversicherung muss zur Vollversicherung werden

Die Linken-Abgeordnete Jessica Tatti (Reutlingen) sagte: „Ich begrüße das Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Die Ausbeutung von Pflegekräften muss beendet werden, sowohl in Heimen als auch in privaten Haushalten. Selbstverständlich muss die Pflege zu Hause für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen bezahlbar sein, aber nicht auf dem Rücken osteuropäischer Pflegekräfte. Die Pflegeversicherung muss zur Vollversicherung werden, damit eine würdige Pflege im Alter für alle Realität wird.“

Karin Maag (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, sieht Anpassungsbedarf bei den Arbeitszeiten: „Selbstverständlich ist es für die Pflegekräfte, die oft aus Osteuropa kommen, richtig, dass der jeweilige Arbeitgeber, in der Regel eine Vermittlungsagentur den Mindestlohn 12,55 bzw. 15 Euro bezahlen muss. Eine sogenannte 24h-Betreuung mit der nach wie vor von einigen Unternehmen geworben wird, ist auch sicher nicht mit unserem geltenden Arbeitszeitrecht vereinbar. Das Urteil wird zumindest zur Folge haben, dass die Arbeitszeiten der Pflegekräfte angepasst werden müssen. Allerdings gibt es auch viele Unternehmen in Deutschland, die mit regulären Standards entsprechende Pflege anbieten."  

Die Politikerin aus Stuttgart fügte hinzu:  „Daneben verweise ich auf das mittlerweile ausgesprochen gute und differenzierte ambulante Pflegeangebot in Deutschland, das mit der Tages- und Nachpflege, der Verhinderungspflege sehr viel Unterstützungsmöglichkeiten auch für die Angehörigen bietet."

Das Bundesarbeitsgericht hatte am Donnerstag ein Grundsatzurteil gefällt. Ausländischen Arbeitnehmern, die Senioren in ihren Wohnungen betreuen, stehe der gesetzliche Mindestlohn zu, urteilten die höchsten deutschen Arbeitsrichter (5 AZR 505/20). Der Mindestlohn gelte auch für Bereitschaftszeiten, in denen die zumeist aus Osteuropa stammenden Frauen Betreuung auf Abruf leisteten.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) äußerte sich am Freitag in Berlin. Er sprach sich dafür aus, eine eigene gesetzliche Regelung zu Arbeitsschutz und Arbeitszeiten zu schaffen. Dies sei in der Regierung bisher nicht konsensfähig gewesen, man könne im Lichte des Urteils aber ins Gespräch kommen.


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Hubertus Heil: Wegweisend und richtig

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte das Urteil „wegweisend und richtig”.  Nun müsse der Weg einer „Pflege-Bürgerversicherung” gegangen werden, um „auch im Haushalt lebende pflegebedürftige Personen besser absichern und unterstützen zu können”. 

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte das Urteil zuvor bewertet als „Tsunami für alle, die daheim auf die Unterstützung ausländischer Pflegekräfte angewiesen sind”. Es werde zu einer Kostenexplosion führen, sagte Vorstand Eugen Brysch. Vom Sozialverband VdK hieß es, jetzt drohe der häuslichen Pflege „das Armageddon". „Rund-um-die-Uhr Pflege ist nur noch mit Mindestlohn legal. Für die allermeisten wird sie damit unbezahlbar”, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele den Zeitungen der Funke Mediengruppe.


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