Aus für ambulante Pflege des DRK
Der Personalmangel in der Pflege ist auch beim Deutschen Roten Kreuz angekommen. Mit teilweise dramatischen Folgen. So muss das DRK Heilbronn jetzt seinen Ambulanten Pflegedienst schließen, weil entscheidende Personalstellen nicht wiederbesetzt werden können.

"Die wirtschaftliche und personelle Situation bereitet uns Sorge und Nöte", gibt Stefan Wolf, stellvertretender Heilbronner Kreisgeschäftsführer, zu.
Im Fall der ambulanten Pflege, die mit 35 Mitarbeitern rund 180 Kunden in der Stadt und im nördlichen Landkreis betreut, heißt das, dass sich die Pflegedienstleitung der gGmbH beruflich verändert hatte. "Trotz intensivster Bemühungen war einfach kein Ersatz zu finden. Dann haben wir für uns diese sehr schwierige Entscheidung getroffen", sagt Wolf. Alle anderen Dienstleistungen des DRK, wie Pflegeheime, Betreutes Wohnen und der Hausnotruf, seien davon aber nicht betroffen.
Angebote für Beschäftigte und Betreute
Die Mitarbeiter wurden vor einigen Wochen darüber informiert, dass das ambulante Angebot im Juni eingestellt wird. In Einzelgesprächen wird derzeit mit der DRK-Kreisgeschäftsführung ausgelotet, wie es für jeden einzelnen Beschäftigten weitergehen soll. "Den Leuten stehen eigentlich alle Türen offen, und viele haben sich auch schon umorientiert. Das ist uns auch sehr wichtig", betont Wolf. So hat das DRK den Mitarbeitern auch Angebote für offene Stellen bei den anderen Einrichtungen des Wohlfahrstverbands und bei Mitbewerbern angeboten.
"Wir sind auch auf Dienste zugegangen, die ähnlich aufgestellt sind wie wir, um Mitarbeiter und Kunden zu vermitteln", betont Wolf. Für den stellvertretenden Geschäftsführer ist die Situation beim DRK auch Ausdruck einer allgemeinen Krise in der Pflege. "Wir hatten die Hoffnung, dass durch die Wertschätzung, die wir seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie erfahren haben, auch die generelle Anerkennung des Berufes wächst. Diese Hoffnung realisiert sich wohl nicht", bedauert Wolf, der sich über die Situation in der Pflege "betroffen" zeigt.
Signale setzen
"In Pflegeberufen wird eine für die Gesellschaft unheimlich wichtige Arbeit geleistet, und gerade jetzt, wo die Pandemie zu Ende geht, müssten deutliche Signale zur Stärkung kommen", fordert Wolf.
Das unterstreicht auch Verdi, für die das Phänomen lange bekannt ist. "Die wirtschaftlichen und personellen Fragen spielen derzeit in der Pflege eine große Rolle", betont Arne Gailing, stellvertretender Bezirksgeschäftsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Heilbronn-Franken. Oft seien die Sätze der Kostenträger für die Pflegedienstleistungen kaum ausreichend. "Das ist eine enge Geschichte und der Markt ist heiß umkämpft", betont Gailing. Das DRK gelte dabei, was Bezahlung und Belastung angeht, als gute Adresse für Mitarbeiter.
Neue Gesetze kosten viel Geld
Auch Jürgen Heckmann bedauert die Entwicklung. "In Fällen, wo unsere Versicherten nicht gleich einen Nachfolgedienst bekommen, stehen wir zur Seite, auch mit unserem eigenen sozialen Dienst", versichert der stellvertretende Geschäftsführer der AOK Heilbronn-Franken. Rund 100 der 180 DRK-Kunden sind AOK-Versicherte.
Ein generelles Problem sieht Heckmann in der ambulanten Pflege der Region noch nicht, aber die Dienste gerieten am Markt immer stärker unter Druck. Und eine Besserung sei nicht in Sicht. "Die Spahn"schen Gesetze der vergangenen Jahre haben die Kranken- und Pflegekassen viel Geld gekostet", betont der 52-Jährige und macht klar: "Das Geld wird in den nächsten zwei, drei Jahren nicht mehr ausreichen."
Meinung: Hohn
Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt in Heilbronn mit dem DRK ein renommierter Anbieter für Ambulante Pflegedienste den Laden zumacht. Der Fall zeigt, vor welchen Schwierigkeiten unsere Sozialversicherungssysteme generell stehen. Der Markt an Fachkräften in der Pflege ist leergefegt. Und mit den Honoraren, die die Anbieter von den Kassen bekommen, wird es immer schwieriger, kostendeckend zu arbeiten. Nach den Problemen in der Rentenversicherung sind die Lücken nun auch in der Pflege unübersehbar.
Und das, obwohl ein Jahrzehnt lang die Steuereinnahmen von einem Rekordergebnis zum anderen sprangen. Aber statt die Systeme fit für die Zukunft zu machen, versickerten die Einnahmemilliarden in Prestigeprojekte oder wurden mit der Gießkanne im Land verteilt, um die eigene politische Klientel zu bedienen – Nachhaltigkeit: Fehlanzeige. Nun in der Corona-Pandemie zeigen sich die dramatischen Folgen. Es klemmt an allen Ecken und Enden. Und mit den Krankenkassen stehen schon die nächsten Rufer auf der Matte, die Steuermilliarden fordern, um das System am Laufen zu halten. Mutlos und planlos schleppen sich Regierung und Opposition in den September, in der Hoffnung die Wahl zu überstehen, ohne vorher Farbe bekennen zu müssen. Danach kommen die Grausamkeiten auf den Tisch. Dann hallen Lob und Applaus, der Pflegekräften, Ärzten und Sanitätern in der Not gespendet wurde, wie Hohn zurück.