Trump-Attentat ändert im US-Wahlkampf alles: „Gereckte Faust wird Geschichte schreiben“
Donald Trump hat einen Mordanschlag überlebt. Seine Anhänger sehen das als Zeichen Gottes und vergleichen ihn bereits mit John F. Kennedy. Die Probleme der Demokraten im US-Wahlkampf werden durch den vereitelten Anschlag noch größer.
Während Amerika und die Welt noch immer entsetzt sind über den versuchten Mordanschlag auf den früheren US-Präsidenten Donald Trump, sind sich politische Beobachter weitgehend einig: Trump dürfte gestärkt aus den Ereignissen des Wochenendes hervorgehen.
Allein die ikonischen Fotos, die Sekunden nach den Schüssen entstanden sind und die einen kämpferischen und blutenden Donald Trump mit nach oben gereckter Faust zeigen, haben das Potenzial, ihn endgültig zum Heilsbringer in den Augen seiner Anhänger zu machen. Wenn Trump jetzt geschickt agiert, könnte er es schaffen, gemäßigte Wählergruppen auf seine Seite zu ziehen, so die Wahrnehmung vieler Kommentatoren.
Für den seit dem desaströsen TV-Duell vor gut zwei Wochen stark angeschlagenen amtierenden Präsidenten Joe Biden wird es damit wohl noch schwieriger werden in der heißen Phase des US-Wahlkampfes.
Attentat auf Donald Trump: Welche neuen Erkenntnisse gibt es?
Nach derzeitigen Erkenntnissen hat der Attentäter, ein 20-Jähriger aus der Region um den Anschlagsort in der Kleinstadt Butler in Pennsylvania, alleine gehandelt. Erkenntnisse über sein Tatmotiv gibt es bislang nicht. Dafür wird die Kritik am Secret Service immer lauter. Die Behörde ist für den Schutz ehemaliger US-Präsidenten zuständig.
Drängende Fragen sind unter anderem: Wie konnte der Mann auf das Dach eines Industriegebäudes in Schussweite des Rednerpults gelangen und dort so lange unentdeckt bleiben? Biden kündigte eine unabhängige Untersuchung an, um zu klären, was genau passiert ist.

Biden gegen Trump: Wie ist die Gesamtlage im US-Wahlkampf?
Seit dem denkwürdigen Auftritt von Biden im TV-Duell mit seinem Konkurrenten Trump vor mehr als zwei Wochen hatte das Biden-Lager versucht, Bedenken über den Gesundheitszustand des 81-Jährigen und dessen Eignung für das Amt des Präsidenten zu zerstreuen. Dieses Thema ist angesichts der aktuellen Ereignisse schlagartig in den Hintergrund gerückt, genauso wie die Spekulationen darüber, ob Biden im Wahlkampf noch durch eine jüngere Kandidatin, etwa Vizepräsidentin Kamala Harris, ersetzt werden wird.
Nun geht es einzig um die Frage, wie und ob die Demokraten Donald Trump überhaupt noch angreifen können. Das Team um Biden sei „geschockt“ von den Entwicklungen, zitierte der US-Sender CNN Quellen im Weißen Haus. Man müsse jede Äußerung nun sehr sorgfältig abwägen und persönliche Attacken vorerst völlig sein lassen. Denn einen Menschen, der gerade knapp dem Tod durch ein Attentat entgangen ist, könne man nicht persönlich angreifen. Die Rhetorik zuvor war auf beiden Seiten teils bitterböse.
US-Wahlkampf: Wie reagieren Trump und sein Lager nach dem Attentat?
Trump ist ein Medienprofi, der genau um die Macht von Bildern weiß. Trotzdem ist seine schnelle Reaktion unmittelbar nach den lebensbedrohlichen Schüssen beachtlich, auf Videos ist sie dokumentiert. Nur Sekunden, nachdem eine Kugel seinen Kopf gestreift hat, reckt er kämpferisch eine Faust in die Höhe und schreit seinen Anhängern „fight, fight“ entgegen. Seine Sicherheitsleute versuchen gleichzeitig, ihn rasch aus der Schusslinie und zu seinem Auto zu manövrieren. Es sind Bilder, die in die Geschichte eingehen werden. Sie weckten bei vielen älteren Amerikanern Erinnerungen an das Attentat auf Präsident John F. Kennedy im Jahr 1963. Menschen weltweit kennen die Fernsehszenen, die zeigen, wie Kennedy bei einer Wahlkampfparade in Dallas von zwei Schüssen getroffen wird, später stirbt er im Krankenhaus.
Trump überlebte die Attacke auf ihn – und sagte später, „nur Gott allein“ habe seinen Tod verhindert. Es erscheine „wie ein Wunder“, so auch Mike Johnson, republikanischer Vorsitzender des Repräsentantenhauses, „Gott hat Präsident Trump gestern beschützt“. Analysten gehen davon aus, dass das Narrativ vom „politischen Erlöser“ Trump neuen Aufwind geben wird. Er habe sich im Wahlkampf vielfach als Heilsbringer stilisiert, viele seiner Anhänger sähen es als göttliches Zeichen, dass er überlebt habe, heißt es im Magazin „Politico“. Trump habe es instinktiv verstanden, mit den Fotos vom Samstag Schwäche zu Macht umzudeuten. Kommentatoren sind sich sicher: „Trumps in die Höhe gereckte Faust wird Geschichte schreiben.“
Demokraten vs. Republikaner: Wird sich am Ton des US-Wahlkampfes nun etwas ändern?
Zumindest kurzfristig ist das schon geschehen. Beide Bewerber beschworen am Tag nach den Schüssen die Einheit der Nation und warben um gemäßigtere Töne im Wahlkampf. Die politische Debatte im Land sei sehr hitzig geworden, sagte Joe Biden in einer Rede zur Lage der Nation am Sonntagabend. „Es ist Zeit, sie abzukühlen. Wir alle haben die Verantwortung, das zu tun.“ Gewalt sei nie eine Lösung. „Wir lösen unsere Meinungsverschiedenheiten an der Wahlurne. So machen wir es – an der Wahlurne, nicht mit Kugeln.“ Eine solche abendliche Ansprache aus dem Büro des Präsidenten, die im Fernsehen übertragen wird, ist selten. Sie ist krisenhaften Momenten und großen Zäsuren im Land vorbehalten.
Auch von Donald Trump kamen ungewöhnlich versöhnliche Töne nach seiner Ankunft beim viertägigen Parteitag der Republikaner in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin. Dort soll der 78-Jährige offiziell zum Kandidaten gekürt werden. „Ich hatte eine extrem harte Rede komplett vorbereitet, wirklich gut, alles über die korrupte, schreckliche Regierung“, sagte Trump der „New York Post“. „Aber ich habe sie weggeschmissen.“ Er wolle das Land durch Erfolg zusammenbringen und habe nahegelegt, dass der Wahlkampf im Ton nun etwas gemäßigter weitergehen solle, sagte er der Zeitung weiter.
Wie geht es für Trump nach dem Attentat im Wahlkampf weiter?
Der Parteitag geht bis 18. Juli, die Wahl Trumps zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 5. November gilt als sicher. Er werde nicht zulassen, dass ihm ein potenzieller Mörder eine Änderung seiner Terminplanung aufzwinge, hatte er vor seiner Ankunft in Milwaukee in seinem Nachrichtendienst Truth Social geschrieben – und war wie ursprünglich geplant angereist.
Laut Medienberichten gleicht die Stadt einem Hochsicherheitstrakt. 50.000 Teilnehmer werden erwartet, das Sicherheitskonzept wurde lange vor dem Attentat ausgearbeitet und soll nun noch einmal verschärft werden. Das erklärte Secret-Service-Direktorin Kimberly Cheatle am Montagmittag. Sie steht seit dem Attentat politisch massiv unter Druck.

Wie geht es nach dem Trump-Attentat bei den Demokraten weiter?
Die Demokraten zogen unmittelbar nach dem Anschlag fertige Wahlkampfspots zurück. Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris änderten Reisepläne und verschoben Wahlkampftermine zu besonders konfrontativen Themen, zum Beispiel einen, bei dem es um das Recht auf Abtreibung gegangen wäre. Das ist ein Thema, bei dem Republikaner und Demokraten politisch weit auseinander liegen.

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