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Welche Vorhaben der Ampel-Koalition noch eine Chance haben könnten

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Die Ampel-Koalition hat einige Vorhaben nicht mehr in die Tat umsetzen können. Wir haben uns angeschaut, welche Gesetze im Bundestag diese Woche noch eine Chance haben könnten.

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Die Mietpreisbremse soll dafür sorgen, dass die Mieten in Städten stabil bleiben. Die Ampel-Koalition hat es nicht mehr geschafft, sie zu verlängern.
Die Mietpreisbremse soll dafür sorgen, dass die Mieten in Städten stabil bleiben. Die Ampel-Koalition hat es nicht mehr geschafft, sie zu verlängern.  Foto: Daniel Bockwoldt

Mit dem Bruch der Ampel-Koalition sind einige Vorhaben und Gesetze liegen geblieben. Weil die verbliebene Regierung aus SPD und Grünen keine Mehrheit mehr hat, können sie nur noch Gesetze verabschieden, wenn CDU/CSU, FDP oder genug Abgeordnete von anderen Parteien im Bundestag zustimmen.

Genauso gibt es Anträge, die von einer Gruppe Abgeordneter im Parlament vorgeschlagen worden sind und noch abgestimmt werden könnten. Unsere Redaktion hat sich für sechs Vorhaben und Gesetze angeschaut, welche Chance sie in der anstehenden Sitzungswoche noch haben.

Mietpreisbremse: Kommt die Verlängerung noch?

Die Mietpreisbreme soll dafür sorgen, dass Mieten nicht zu stark steigen. Das funktioniert so: Wird eine Wohnung oder ein Haus neu vermietet, darf die Miete nur zehn Prozent höher als die vor Ort übliche Vergleichsmiete sein. 

Die Bundesländer müssen durch eine Verordnung festlegen, wo die Mietpreisbremse gilt. In Baden-Württemberg sind das 89 Städte und Gemeinden, darunter Heilbronn und Neckarsulm. Doch diese Verordnungen in den Ländern fallen Ende 2025 weg, wenn die Mietpreisbremse ausläuft. 

Die Ampel-Koalition wollte das Gesetz bis 2029 verlängern, dazu kam es nicht mehr. Im Kabinett haben SPD und Grüne ihren Entwurf beschlossen, er müsste nun im Bundestag behandelt werden.

Darauf setzt Udo Casper, Geschäftsführer beim Deutschen Mieterbund Baden-Württemberg, auch wenn er wenig Hoffnung hat. „Es könnte sein, dass es scheitert.“ Der Deutsche Mieterbund habe bei CDU/CSU-Abgeordneten dafür geworben, der Verlängerung zuzustimmen, aber keine Antwort bekommen. „Wir finden dieses Verhalten befremdlich. Vor allem, weil die Mietpreisbremse keine Erfindung der Ampel ist, sondern unter der großen Koalition beschlossen wurde.“

Dabei drängt die Zeit, findet Casper. „Ohne eine Stabilisierung der Mietpreise wird Wohnen für immer mehr Haushalte zum Armutsrisiko.“ Wenn sich erst der neue Bundestag mit der Mietpreisbremse befasst, dauere das. Werde sie verändert, bräuchten wiederum die Länder Zeit, um darauf zu reagieren. 

SPD und Grüne erklären auf Anfrage, einer Verlängerung zustimmen zu wollen. FDP und Union lehnen das ab.

Umsetzung der EU-Asylreform in Deutschland stockt

Nach langen Verhandlungen hat die EU im vergangenen Sommer das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) verschärft. Mit der Reform können unter anderem Asylverfahren an den Außengrenzen der EU durchgeführt werden. Damit die Grenzländer entlastet werden, wird ein Solidaritätsmechanismus eingeführt, mit dem die übrigen Länder Flüchtlinge aufnehmen oder Geld zahlen müssen. Die Reform erlaubt schnellere Abschiebungen, außerdem wird der Austausch von Daten verbessert.

Wie bei allen EU-Verordnungen muss die deutsche Rechtslage an die neuen Vorgaben angepasst werden. Die Ampel-Koalition hat dazu das GEAS-Anpassungsgesetz vorgelegt. Die EU-Länder müssen die Reform bis Juli 2026 umgesetzt haben.

Der Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) liegt seit Oktober vor - und erntete scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen, weil er weit über das hinausgeht, was die EU vorschreibt. So soll künftig das Innenministerium festlegen, was sichere Herkunftsländer sind, statt wie bisher Bundestag und Bundesrat.

Im Bundestag wurde das Gesetz bisher allerdings nicht behandelt. Wann das passiert, ist offen. Marcel Emmerich, Obmann der Grünen im Innenausschuss, spricht von einem „hart erkämpften Kompromiss“. „Es ist richtig, dass wir die Umsetzung noch diese Woche in den Bundestag einbringen und für eine möglichst breite Mehrheit werben.“

Die SPD sei ebenso bereit, die Reform vor der Wahl zu verabschieden, wie Katja Mast, parlamentarische Geschäftsführerin der Sozialdemokraten, betont: „Es geht darum, eine europäische Lösung zu haben, die dafür sorgt, dass irreguläre Migration systematisch zurückgeht.“ Die Union ließ die Anfrage trotz Nachfrage unbeantwortet.

Demokratiefördergesetz: Seit mehr als 670 Tagen im Ausschuss 

Fast zwei Jahre ist es her, dass sich die Ausschüsse im Bundestag mit dem Demokratiefördergesetz beschäftigt haben. Inzwischen scheint das Vorhaben stillschweigend beerdigt worden zu sein: Der Gesetzentwurf schlummert seit mehr als 670 Tagen im Ausschuss und dürfte nicht mehr im Bundestag abgestimmt werden - auch wenn das theoretisch noch möglich wäre.

Das Ziel des Gesetzes ist es, Organisationen und Vereine, die sich für die Demokratie einsetzen, besser zu fördern. Dazu gehören Beratungsstellen, die über Extremismus aufklären, Aussteigern helfen oder Opfer von Gewalt unterstützen aber auch Projekte von Sportvereinen und Feuerwehren sowie Bildungsinitiativen.

Für die Organisationen ist das Gesetz vor allem deshalb bedeutend, weil Demokratieprojekte in der Regel nur ein Jahr gefördert werden, dann müssen Gelder neu beantragt werden. Klappt das nicht, werden sie gestrichen und Mitarbeiter entlassen. Dauert es länger, droht manchen Organisationen das Ende.

Die FDP blockierte das Gesetz innerhalb der Ampel und kritisierte, dass zivilgesellschaftliche Organisationen dauerhaft vom Staat unterstützt werden sollen. Ähnlich positioniert sich die Union, eine Neuauflage des Gesetzes ist also unwahrscheinlich.

Die Sprecher der SPD- und Grünen-Fraktion teilen auf Anfrage mit, dass beide sich nach wie vor für das Demokratiefördergesetz einsetzen wollen. 

AfD-Verbot: Zwei Anträge und ungewisse Mehrheiten

Spannend wird es diese Woche beim AfD-Verbot. Über den Antrag, den 124 Abgeordnete im November parteiübergreifend vorgelegt haben, soll am Donnerstag beraten werden. Unklar war lange, ob er es auf die Tagesordnung schafft.

In dem Antrag fordern die Abgeordneten, dass der Bundestag ein Verbotsverfahren für die AfD beim Bundesverfassungsgericht beantragt. Vorgesehen ist das in Artikel 21 des Grundgesetzes für Parteien, deren Ziele oder Anhänger sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten.

In aller Regel werden Anträge an die zuständigen Ausschüsse weitergeleitet. Das Bündnis „AfD-Verbot jetzt“ hofft aber, dass direkt abgestimmt wird. Dazu kommt es nur, wenn zwei Drittel der Abgeordneten das befürworten, das wären 488 Stimmen. „Das gilt als nicht sehr wahrscheinlich, ist aber nicht ausgeschlossen“, erklärt Julia Dück, Sprecherin des Bündnisses.

Ein weiterer Antrag von 43 Abgeordneten der Grünen fordert, dass zumindest geprüft wird, ob ein AfD-Verbot Erfolg haben könnte. Herausfinden soll das ein Gutachten. Unterstützt hat diesen Antrag auch der Hohenloher Harald Ebner (Grüne).

Die Meinungen zum AfD-Verbot gehen weit auseinander, auch innerhalb der Fraktionen. Ursprünglich hatten den Antrag Politiker von SPD, Grünen, Union und Linken unterstützt. Damals sei man von einer Wahl im Herbst 2025 ausgegangen, hieß es von den Initiatoren.

Arbeitszeiterfassung: Ein Gesetz fehlt, die Vorgabe bleibt

Die Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers in Deutschland muss dokumentiert werden. Das hat der Europäische Gerichtshof bereits 2019 entschieden, bestätigt wurde das Urteil 2022 vom Bundesarbeitsgericht. So soll sichergestellt sein, dass die tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden oder die verpflichtende Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und -beginn eingehalten werden.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte deshalb ein Gesetz verabschieden, das regelt, wie die Unternehmen in Deutschland dieser Pflicht rechtssicher nachkommen können. Das Ministerium hatte einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, in dem vorgeschrieben werden sollte, dass Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit elektronisch festgehalten werden müssen. Den Entwurf hat der „Business Insider“ Anfang 2023 veröffentlicht.

Doch über dieses Stadium kam das Vorhaben nie hinaus, wie Heils Ministerium auf Anfrage bestätigt. „Die regierungsinterne Abstimmung und Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes konnte in Folge des frühzeitigen Endes der Regierungskoalition nicht mehr abgeschlossen werden.“ Kurzfristig wird das nun nicht mehr passieren. Allerdings: Weil die beiden Gerichte jeweils die höchsten Instanzen sind, kann die neue Bundesregierung nicht an der Vorgabe rütteln.

Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs: Steht eine Mehrheit?

Erst im Dezember haben sich 328 Abgeordnete im Bundestag zusammengeschlossen, um die Vorgaben für Schwangerschaftsabbrüche zu ändern. Im Kern soll es in Deutschland nicht mehr strafbar sein, eine Schwangerschaft in den ersten zwölf Wochen zu beenden. Bisher ist das so, ein Schwangerschaftsabbruch ist für Frauen illegal, wird unter bestimmten Voraussetzungen und nach einer Beratung aber nicht bestraft.

Der Gesetzentwurf soll das ändern. Bis zur zwölften Woche wären Schwangerschaftsabbrüche dann erlaubt. Die Pflicht zur Beratung soll bleiben, die Wartezeit von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung aber wegfallen.

Damit folgt der Entwurf den Empfehlungen einer Kommission aus Wissenschaftlern, die im vergangenen Jahr ebenfalls empfohlen hat, Abtreibungen zu legalisieren. Den Antrag haben auch die regionalen SPD-Abgeordneten Josip Juratovic und Kevin Leiser sowie der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner unterstützt. 

Ob die Reform vor der Wahl kommt, ist aber ungewiss. Laut Medienberichten will die Union im Ausschuss verhindern, dass über den Gesetzentwurf im Bundestag abgestimmt wird. Die Anhörung im Rechtsausschuss findet am 10. Februar statt, für die Abstimmung im Bundestag bliebe also nur der darauffolgende Tag. Die Unionsfraktion ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.

„Wir wollen, dass Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden“, erklärt Katja Mast (SPD). „Die Neuregelung müssen wir ermöglichen, damit Frauen selbst über ihren Körper und ihr Leben entscheiden können“, meint Marcel Emmerich (Grüne). 

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