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Die Hohenloher Abgeordneten Kevin Leiser und Valentin Abel sind nicht mehr im Bundestag
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Der Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe verliert zwei Abgeordnete: Kevin Leiser (SPD) und Valentin Abel (FDP). Wie sie auf die dreieinhalb Jahre in der Regierung blicken und wie es für sie weitergeht.
Valentin Abel (FDP, links) und Kevin Leiser (SPD) waren dreieinhalb Jahre lang Abgeordnete für den Wahlkreis Hohenlohe. Nun fliegen beide aus dem Bundestag.
Foto: Christoph Donauer
Es ist bitterkalt, als Kevin Leiser auf eine Leiter steigt und sein letztes Wahlplakat abknipst. Es hängt in Wittenweiler, einem Teilort von Blaufelden, wo der 31-Jährige aufgewachsen ist. „Ich habe viele Kündigungen geschrieben“, antwortet er auf die Frage, wie seine letzten Tage in Berlin waren. Denn der SPD-Politiker stand auf Listenplatz 16, was nicht für den Wiedereinzug gereicht hat. Sobald der neue Bundestag zusammengekommen ist, wird Leiser kein Abgeordneter mehr sein, nach weniger als einer Wahlperiode.
Obwohl die SPD mitregieren könnte, hat es für Kevin Leiser aus Blaufelden nicht gereicht. Der 31-Jährige kehrt vielleicht in seinen Beruf als Lehrer zurück.
Foto: Donauer, Christoph
Schon im Wahlkampf hat er damit gerechnet, dass es vermutlich so kommen wird. Obwohl die Sozialdemokraten mitregieren dürften, wird die Region keinen SPD-Abgeordneten mehr in Berlin haben. „Das ist eine ziemliche Herausforderung“, räumt Leiser ein. Die Parteiarbeit laufe nun ehrenamtlich: Seine E-Mail-Adresse will Leiser noch behalten sowie Kreisvorsitzender in Hall und Mitglied im Landesvorstand bleiben.
Leiser stolz auf Positionspapier zum ländlichen Raum
Stolz ist Kevin Leiser darauf, dass er einen Gesprächskreis zur Stärkung des ländlichen Raums und ein Positionspapier in seiner Fraktion angestoßen hat. „Dazu gab es vorher weder ein Gremium noch eine aktuelle Position.“ Außerdem habe er viele Praktikanten betreut und hoffentlich deren politisches Interesse geweckt. Gerne denkt er an den Tag, an dem sein Fußballverein beim FC Bundestag zu Gast war. „Schön, dass das geklappt hat.“
Was hat den 31-Jährigen bei seiner Arbeit im Bundestag überrascht? „Der immense Druck, der von so vielen Seiten kommt.“ Es sei unmöglich, allen gerecht zu werden.
Sorgen macht sich Leiser mit Blick auf den Ukraine-Krieg. „Ich hätte mich gerne weiter eingebracht“, sagt er über die Arbeit im Verteidigungsausschuss. „Aber ich bin nicht der Mittelpunkt des Universums.“ In Deutschland gebe es keine Einheit, die in Friedenszeiten für Cybersicherheit zuständig ist. „Wir hätten dafür das Grundgesetz ändern müssen, aber die CDU wollte das nicht.“
Der SPD hat eine klare Vision gefehlt
Dass die Sozialdemokraten herbe Verluste einstecken mussten, liegt laut Leiser daran, dass ein Marketingkonzept gefehlt hat. „Das hätte etwas sein können wie: Wir wollen für alle Menschen ein gutes Leben.“ Eine solch klare Vision hätte seiner Meinung nach mehr Menschen überzeugt, die SPD zu wählen. Nun müsse seine Partei die Niederlage aufarbeiten, sagt Leiser. „Es ist noch nicht ganz klar, welchen Weg das gehen wird.“ Klar sei nur, dass diese Auseinandersetzung innerhalb der Partei und nicht öffentlich geführt werden müsse.
Demnächst muss sich der 31-Jährige entscheiden, ob er in den Lehrer-Beruf zurückkehren möchte. Bis zur Wahl 2021 unterrichtete er Mathematik, Gemeinschaftskunde und Wirtschaft in Crailsheim. „Das ist das naheliegendste.“ Endgültig entschieden habe er sich aber noch nicht. Das Land darf ihn dort einsetzen, wo der Bedarf am größten ist.
„Ich habe gehört, es gibt so etwas wie ein Privatleben“, scherzt Leiser mit Blick auf die nächsten Wochen. Im Wahlkreis bekomme er viel Rückendeckung. „Ich werde weiter Politik machen, das steht fest.“
Auch für Valentin Abel geht es ehrenamtlich in der FDP weiter
Valentin Abel kommt an diesem Vormittag gerade vom Wertstoffhof, wo er die letzten Wahlplakate entsorgt hat. „Lieber neue Wahlen statt neue Schulden“ stand darauf oder „Liberté, Egalité, Aktienrenté“. Doch die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, weshalb Abel mit seiner Partei aus dem Bundestag fliegt. Selbst wenn es geklappt hätte, hätte er mit Listenplatz 12 keine Chance gehabt.
Nach der Wahl war der 34-Jährige noch mal in Berlin. Wenn sich eine Fraktion auflöst, muss vieles besprochen werden. Sein Büro in Schwäbisch Hall, direkt neben dem historischen Marktplatz, muss bis Ende März leergeräumt werden. „Seelisch und moralisch muss man sich als FDP‘ler immer auf sowas einstellen“, sagt er. Seine Partei habe es einfach nicht geschafft, ein Momentum zu erzeugen.
Valentin Abel aus Westernhausen hat nach dem verpassten Einzug der FDP noch keine Pläne für die nähere Zukunft. Fest steht: Seiner Partei bleibt der 34-Jährige weiterhin ehrenamtlich treu.
Foto: Donauer, Christoph
Anders als es das Wahlergebnis vermuten lässt, herrscht bei der FDP gerade Goldgräberstimmung, berichtet Abel. Es gebe neue Mitglieder, die Landtagswahl in Baden-Württemberg stehe an. Als nächstes brauche die FDP einen „Integrator an der Spitze“, meint Abel. „Es geht jetzt darum, die Partei zusammenzuhalten in einer Zeit, in der jeder Orientierung sucht.“ Er persönlich kann sich auch eine Doppelspitze vorstellen, ebenso wie ein neues Grundsatzprogramm.
Deutlich kritischer sind die JuLis in Hohenlohe: Die Jugendorganisation wirft ihrer Mutterpartei in einem aktuellen Statement vor, sie habe Vertrauen verspielt, versagt, unseriös gehandelt. Es brauche nun eine schonungslose Aufarbeitung.
„Ich würde es vielleicht etwas anders formulieren“, kommentiert Abel über das Schreiben. Es sei unbestritten, dass vieles nicht glatt gelaufen sei. Gleichzeitig habe die FDP vieles durchsetzen können, zum Beispiel deutliche Änderungen am Gebäudeenergiegesetz. Der Kompromiss sei weitgehend im Sinne der FDP gewesen. „Trotzdem hatten wir Probleme, das zu verkaufen. Das war ein Stück weit ein Versagen in der Kommunikation.“
Nicht alles sei schlecht: Der Ausbau von 5G, Glasfaser und den Erneuerbaren sei voran gegangen, beim A6-Ausbau und der Bahn seien wichtige Hürden genommen worden.
Hat die Ampel-Koalition zu viele Erwartungen geweckt?
Der 34-Jährige glaubt aber auch, dass die Ampel-Koalition anfangs zu viele Erwartungen geweckt hat. Künftig sei es wichtig, glaubhaft und empathisch rüberzukommen, nicht konfrontativ und herablassend. „Das ist die Richtung, die ich mir von der FDP wünschen würde“, sagt Abel. „Vielleicht sind wir dann ein bisschen langweiliger.“
Einen Plan für seine nähere Zukunft hat der 34-Jährige noch nicht. In seinen alten Job in der Halbleiterindustrie kann der studierte Betriebswirtschaftler nicht einfach zurückkehren. Fest steht, dass er in seinem Heimatort Westernhausen bleiben wird, wo er das Haus seiner Eltern Stück für Stück umbaut. Außerdem will er mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen, danach werde er sich „in aller Ruhe etwas suchen“, erzählt Abel. „Ich bin zu vielen Schandtaten bereit.“ Was ist mit einer Rückkehr in die Bundespolitik? „Ich könnte es mir vorstellen. Man hört ja nicht von heute auf morgen auf, ein politischer Mensch zu sein.“
„Die CDU muss sich im Kurs und im Ton ändern“, sagt Leiser mit Blick auf die Gespräche von Union und SPD. Friedrich Merz‘ Angriffe würden „nicht von Kompromissfähigkeit oder Führungskompetenz“ zeugen. Die nächste Bundesregierung müsse massiv investieren sowie mittlere und untere Einkommen entlasten. Es gebe keinen Automatismus für eine Koalition. „Am Ende entscheiden unsere Mitglieder.“
Für Abel steht fest, dass die Probleme der Wirtschaft und bei der Migration dringend gelöst werden müssen. Manche Forderungen der Union hält er aber für „Wahlkampfgedöns“: Das Bürgergeld könne man nicht komplett streichen. Problematisch findet Abel, dass die Union mehrere Ampel-Gesetze aus Prinzip abschaffen will. Früher habe man Gesetzen eine gewisse Zeit gegeben, um sich zu etablieren.
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