„Parteien führen Wähler hinters Licht“: Ökonom Fratzscher kritisiert Wahlversprechen
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kritisiert die Wahlversprechen der Parteien als unehrlich. Milliardenschwere Steuererleichterungen seien nicht zu finanzieren.
Der Ökonom Marcel Fratzscher kritisiert die Versprechen der Parteien im Bundestagswahlkampf scharf. „Was mich schockiert, ist, dass die Parteien die Wähler und die Wählerlinnen hinters Licht führen wollen“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“, das auf der DIW-Homepage zu finden ist.
Fratzscher spricht von einem Überbietungswettbewerb der Parteien bei den Wahlversprechen, die er als unrealistisch bezeichnet. „Die Parteien trauen den Wählerinnen und Wählern nicht die Wahrheit zu“, sagt er.
Ökonom Fratzscher kritisiert Wahlversprechen: Parteien machen unrealistische Versprechen
Die milliardenschweren Steuerentlastungen, die die Parteien versprechen, hält der DIW-Chef für unrealistisch. Die FDP verspreche Steuererleichterungen in Höhe von 138 Milliarden Euro, die Union von 99 Milliarden Euro - bei beiden Parteien würden vor allem die Topverdiener von diesen Maßnahmen profitieren.
Die SPD stelle eine Entlastung in Höhe von 30 Milliarden Euro ins Schaufenster, die Grünen sogar 48 Milliarden Euro. „Das ist auch kein Pappenstiel“ so Fratzscher.
Bundestagswahl 2025: Steuersenkungen alleine genügen nicht
Der Ökonom hält Steuersenkungen prinzipiell für gut, weil sie sehr schnell wirken könnte. „Aber wenn es sich nur darauf fokussiert, dann wird es nicht reichen“, so Fratzscher. Es sei unehrlich, den Menschen zu versprechen, Steuern in großem Stil zu senken, massiv zu investieren und trotzdem die Schuldenbremse einzuhalten. „Das geht einfach nicht auf. Wo soll denn das Geld herkommen“, fragt der Wissenschaftler.
Kritik an Wahlversprechen: Reform der Schuldenbremse muss kommen, reicht aber nicht
Selbst eine Reform der Schuldenbremse, wie sie die SPD und die Grünen fordern, werde nicht ausreichen, um die nötigen Investitionen finanzieren zu können. „Wir brauchen in den nächsten Jahren jedes Jahr zusätzliche Investitionen von 40 Milliarden Euro in Straßen, Schienen, Brücken und Schulen“, erläutert Fratzscher unter Verweis auf Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Dazu kämen noch 30 Milliarden Euro, die jedes Jahr zusätzlich für die Bundeswehr benötigt werden.
„Diese großen Beträge könne nicht aus den laufenden Ausgaben herausgespart werden“, ist sich der DIW-Chef sicher. Fratzscher befürchtet, dass sich angesichts der Finanznot die Lage der Menschen im Land verschlechtern wird. „Es werden wieder die öffentlichen Investitionen und die Daseinsvorsorge daran glauben müssen“, sagt er.