Wie die AfD ihre Sperrminorität in Thüringen nutzen könnte
In Thüringen ist passiert, wovor Experten seit Monaten gewarnt haben: Die AfD um ihren Landeschef Björn Höcke hat mehr als ein Drittel der Stimmen erreicht. Was sie damit blockieren könnte und wie die Lage in Sachsen ist.

Die AfD ist bei den Landtagswahlen in Thüringen nicht nur stärkste Kraft geworden. Sie hat auch mehr als ein Drittel der Mandate erreicht und wird künftig 32 von 88 Sitzen im Erfurter Landtag belegen.
Experten hatten seit Monaten gewarnt, dass die AfD diese sogenannten Sperrminorität nutzen kann, um das Landesparlament bei wichtigen Entscheidungen zu blockieren. Denn für viele wichtige Entscheidungen in Thüringen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, die die anderen Parteien nun nicht mehr erreichen können. Im Umkehrschluss sind solche Entscheidungen also entweder nicht mehr möglich oder vom Segen der Rechtsextremen abhängig.
Wie die AfD diese Macht für sich nutzen könnte? Es fängt bei Neuwahlen an. Die einzige in Thüringen mögliche Regierungskoalition ist eine aus CDU, SPD und dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht. Und selbst dieser Gruppe würde eine Stimme fehlen. Scheitert die Regierungsbildung, könnte der Erfurter Landtag nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit aufgelöst werden, um Neuwahlen anzustoßen.
Sperrminorität für AfD: Wie sie mit Dauerblockaden die Regierung lähmen könnte
Weitere wichtige Abstimmungen sind nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit, künftig also nur mit der AfD möglich, etwa die Wahl der Ausschüsse, die Verfassungsrichter ernennen ebenso wie die Wahl der Mitglieder für die parlamentarische Kontrollkommission, die den Verfassungsschutz beaufsichtigt. Der Druck, diese Gremien zu besetzen, ist enorm hoch - und eine Blockade durch die AfD könnte laut Beobachtern dazu führen, dass sie sich Zugeständnisse erpressen kann.
Dabei ist die Sperrminorität eigentlich ein wichtiges Instrument. Sie soll insbesondere autoritäre Regierungen davon abhalten, durchregieren zu können. "Die Parteien sollen zum politischen Kompromiss befähigt und genötigt werden – gerade, wenn es um die großen Fragen geht, Änderungen der Verfassung etwa", schreiben Anna-Mira Brandau und Juliana Talg in einem Beitrag für das Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs. Doch es gebe eben auch die Kehrseite: Parteien, die am demokratischen Diskurs nicht interessiert sind, können ihre Sperrminderheit für Dauerblockaden nutzen - und währenddessen die Erzählung verbreiten, dass die Landesregierung nichts zustande bringen würde.
AfD hat schon Rot-Rot-Grün monatelang blockiert
In der Vergangenheit ist das bereits passiert, führen Brandau und Talg aus. 2020 blockierte die AfD demnach monatelang die Konstituierung des Richterwahlausschusses. Nur er kann Richter auf Lebenszeit ernennen. Weil jede Fraktion in dem Gremium vertreten sein muss, verlangte die AfD-Fraktion im Gegenzug für die Aufstellung ihres Kandidaten, dass sie den Posten des Landtagsvizepräsidenten besetzen darf. Am Ende stimmte auch Ministerpräsident Bodo Ramelow für den AfD-Mann und der Richterwahlausschuss konnte seine Arbeit beginnen.
Vorschläge, wie diese und weitere Blockademöglichkeiten verhindert oder zumindest erschwert werden können, haben Verfassungsrechtler einige gemacht. Das Problem: Um die Vorschläge umzusetzen und die Landesverfassung zu ändern, ist wiederum eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Die rot-rot-grüne Landesregierung konnte sich mit der CDU nicht auf eine Zusammenarbeit einigen.
Rechenfehler in Sachsen: AfD verpasst Sperrminorität knapp
Ob die AfD auch in Sachsen eine Sperrminorität erreicht hat, war zunächst unklar. Am Wahlabend sah es noch danach aus, in Sachsen sind 40 Sitze dafür nötig und die AfD hatte nach dem vorläufigen Ergebnis 41 erreicht. Mehrere Medien berichteten am Montagmorgen (02.09.) jedoch, dass sich die Landeswahlleitung in Sachsen verrechnet und das falsche Sitzzuteilungsverfahren angewendet haben könnte. Die Behörde überprüfte das. Einer Meldung des "Spiegels" zufolge ist tatsächlich ein Fehler passiert und das Wahlergebnis wird korrigiert. Damit kommt die AfD voraussichtlich nur auf 40 Sitze, womit sie genau ein Drittel der Mandate aber keine Sperrminorität errungen hat.