Was Union und SPD vereinbart haben und worüber noch gestritten wird
Die Koalitionsverhandlungen laufen, nun sind die Ergebnisse der Arbeitsgruppen durchgesickert. Sie zeigen: Die beiden potenziellen Partner müssen noch viele Streitpunkte aus dem Weg räumen.

Während die Parteispitzen von CDU/CSU und SPD weiter über einen Koalitionsvertrag verhandeln, hat die Plattform „Frag den Staat“ fast alle Ergebnisse der Arbeitsgruppen veröffentlicht. Ein Überblick, was die Parteien vereinbart haben und wo noch Streit herrscht.
Innenpolitik
Union und SPD wollen eine Vorratsdatenspeicherung einführen. Die Union will zudem Gesichtserkennung an Bahnhöfen, Flughäfen und „Kriminalitäts-Hotspots“. Polizei und Justiz sollen Daten besser austauschen und mehr Befugnisse bekommen. Anschläge mit Messern oder Autos werden künftig wie Terroranschläge verfolgt. Die CDU fordert, die teilweise Cannabis-Legalisierung abzuschaffen. Die SPD will Abtreibungen und Schwarzfahren aus dem Strafgesetzbuch streichen.
MigrationUmfassend sind die Vereinbarungen zur Migration. Die Kontrollen an den deutschen Grenzen bleiben vorerst. Algerien, Indien, Marokko und Tunesien will die künftige Koalition als sichere Herkunftsländer einstufen, weitere sollen folgen. Die Union fordert zusätzlich, dass Asylverfahren in Ländern außerhalb der EU durchgeführt werden. Wer Straftaten begeht, soll abgeschoben werden, auch nach Syrien und Afghanistan. Für ausreisepflichtige Gefährder und schwere Straftäter ist ein unbefristeter „Ausreisearrest“ geplant.
Streit gibt es über Flüchtlinge, die eine Ausbildung machen, studieren oder arbeiten. Die SPD will ihnen erlauben, hier zu bleiben, die Union lehnt das ab. Streit gibt es auch bei der doppelten Staatsbürgerschaft: Die Unionsparteien wollen prüfen, ob man Terroristen und Extremisten die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen kann.
Wirtschaft und IndustrieDas Papier zur Wirtschaft beginnt mit einem Bekenntnis zur Autoindustrie. Danach hört die Einigkeit auf: Die Union will das Verbrenner-Aus ab 2035 stoppen und die CO2-Flottengrenzwerte aufweichen. Die SPD will beides beibehalten. Einig sind sich die Verhandlungspartner, dass E-Mobilität umfassend gefördert werden soll. Eine Kaufprämie für E-Autos fordert die Union, lässt die Höhe aber offen.
Die Industrie soll durch niedrigere Strompreise wettbewerbsfähiger werden, Wasserstoff nutzen können, für neue Ansiedlungen und Dekarbonisierung winken Fördergelder. Deutschland müsse zum „führenden Standort für Mikroelektronik“ werden.
Verteidigung und AußenpolitikUnion und SPD bekennen sich zur Unterstützung der Ukraine sowie der Freundschaft mit den USA und Israel. Streit gibt es über die Frage, ob ein Nationaler Sicherheitsrat ins Kanzleramt geholt wird. Die Union hat zudem Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des BIP und die Wiedereinführung der Wehrpflicht reingeschrieben, letzteres möchte die SPD nicht und setzt auf einen freiwilligen Dienst.
DigitalesDie Verwaltung soll antragslos und digital funktionieren, Behörden Clouds und KI nutzen. Jeder Deutsche bekommt automatisch ein Konto beim Bund und eine digitale Identität. Schwarz-Rot will verbieten, dass Daten doppelt erhoben werden und die Schriftform abschaffen. Der flächendeckende Ausbau von Glasfaser und schnellem Mobilfunk wurde ebenso vereinbart.
Bauen, WohnenFür alle Bauvorhaben wollen Union und SPD schnellere, einfachere und digitale Verfahren. Geplant sind ein „Wohnungsbau-Turbo“ und Lockerungen beim Lärmschutz. „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“, heißt es außerdem, der Punkt ist aber offenbar noch strittig. Die Mietpreisbremse bleibt für zwei Jahre, eine Expertengruppe wird eine Reform ausarbeiten. Strittig ist die Frage, ob der Bund das Wohngeld in voller Höhe (Union) oder wie bisher zur Hälfte übernehmen soll (SPD).
VerkehrWenig Konkretes gibt es beim Thema Verkehr. Mobilität müsse „bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich“ sein. Investitionen in Straßen und Schienen sollen steigen und die Bahn neu aufgestellt werden. Für Elektrifizierungen von Bahnstrecken entfällt die Kosten-Nutzen-Rechnung. Die SPD fordert ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen, die Union winkt ab. Die 2024 erhöhte Luftverkehrssteuer will die Union offenbar wieder senken. Das Deutschlandticket werde „über 2025 hinaus fortgesetzt“. Der Preis soll ab 2027 schrittweise steigen.
Klima und EnergieDas Ziel, im Jahr 2045 klimaneutral zu sein, bekräftigen Union und SPD. Wichtigstes Mittel sollen der CO2-Preis und der Emissionshandel sein. Allerdings soll es Entlastungen und Hilfen geben, um Preissprünge für Verbraucher und Unternehmen zu vermeiden. Die Strompreise wollen beide Parteien um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde senken.
Neben den Erneuerbaren sollen Gaskraftwerke ausgebaut werden. Es bleibt laut den Ergebnissen beim Kohleausstieg im Jahr 2038. Die Union fordert einen Rückbaustopp für die Kernkraftwerke, um zu prüfen, ob sie wieder ans Netz gehen könnten. Streit gibt es bei der Wärmeversorgung für Gebäude.
Gesundheit und PflegeBezahlbar und bedarfsgerecht stellt sich Schwarz-Rot das Gesundheitssystem vor. Die Ideen: eine Termingarantie, in unterversorgten Gebieten werden Budgetgrenzen für Fachärzte aufgehoben, Ausbau der Telemedizin und Jahresüberweisungen für chronisch Kranke. Die Krankenhaus-Reform wollen Union und SPD nochmals aufbohren. Bis Jahresende bekommen alle Deutschen verpflichtend die elektronische Patientenakte. Bei der Organspende setzt man weiter auf Aufklärung und freiwillige Spender.
Familien und JugendWeitgehend unstrittig sind die Pläne für Familien, Frauen, Jugend und Senioren. Union und SPD listen etwa verpflichtende Sprachtests für Vierjährige und neue Einkommensgrenzen beim Elterngeld. Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen soll verbessert werden, genauso wie die medizinische Ausbildung.
Arbeit und SozialesGegen den Arbeitskräftemangel planen die Parteien eine Fachkräfte-Strategie, mehr arbeitende Frauen sowie eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung. Sozialleistungen wollen Union und SPD digitalisieren und vereinfachen. Statt des Bürgergelds kommt eine Grundsicherung. Sie müsse komplett gekürzt werden, wenn Empfänger „wiederholt zumutbare Arbeit verweigern“. Über Details wird gestritten.
Den Mindestlohn soll die zuständige Kommission festlegen, 15 Euro seien im Jahr 2026 „erreichbar“. Das Rentenniveau will die SPD bei 48 Prozent sichern, die Union will Zu- und Abschläge neu berechnen, wenn man früher oder später in Rente geht.
Bürokratieabbau und SteuernViele Maßnahmen sind geplant, um Bürokratie abzubauen: Unnötige Vorschriften sollen entfallen, Personal reduziert und EU-Vorgaben möglichst 1:1 umgesetzt werden. Der Spitzensteuersatz soll später gelten, die SPD will ihn auf 47 Prozent erhöhen. Streit gibt es bei der Unternehmenssteuerreform, dem Ehegattensplitting, der Erbschaftssteuer, kommunalen Schulden und beim Länderfinanzausgleich.

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