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Sechs Baustellen, die die schwarz-rote Bundesregierung im neuen Jahr angehen muss

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Die Wirtschaft lahmt, die Konsumlaune ist schlecht und die Digitalisierung kommt weiterhin nur schleppend voran. Die schwarz-rote Bundesregierung hat auch 2026 viel zu tun. Welche Probleme sie im neuen Jahr lösen muss.

Haben auch 2026 viel zu tun: Die Spitzen der schwarz-roten Bundesregierung, Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD, links), CSU-Chef Markus Söder, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD).
Haben auch 2026 viel zu tun: Die Spitzen der schwarz-roten Bundesregierung, Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD, links), CSU-Chef Markus Söder, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD).  Foto: Michael Kappeler

Drei Ziele hat sich die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag gesetzt: Stabilität garantieren, neue Zuversicht stiften und das Land umfassend erneuern.

Was hat Schwarz-Rot in rund einem Dreivierteljahr auf den Weg gebracht, um das umzusetzen? Und welche Baustellen müssen im neuen Jahr angegangen werden? Wir geben einen Überblick. 

1. Das Schulden-Problem

Noch vor dem Amtsantritt haben Union und SPD mit Stimmen der Grünen die Schuldenbremse ausgehebelt und sich neue Staatsschulden in beträchtlicher Höhe genehmigt. Das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität sollte Investitionen in Brücken, Bahn und Schulen ermöglichen. 

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kritisiert, jedoch, dass das Geld aus dem Sondervermögen zweckentfremdet werde. Statt für Investitionen nutze die Koalition das Geld, „um Lücken im Haushalt zu stopfen“: „Bereits geplante Ausgaben wandern ins Sondervermögen, etwa für Brücken, Schulen oder Krankenhäuser.“

Dazu kommt: Eine hohe Staatsverschuldung ist trotz der ausgezeichneten Bonität Deutschlands keine Lösung, Zinszahlungen belasten den Bundeshaushalt dauerhaft. Eine Kommission soll ausloten, wie die Schuldenregel reformiert werden kann. Ergebnisse gibt es bisher nicht.

Sparen will Schwarz-Rot außerdem, indem Subventionen und Förderprogramme kritisch überprüft werden, so der Koalitionsvertrag. Tatsächlich hat die Bundesregierung gerade erst Subventionen wie die Pendlerpauschale erhöht und ausgeweitet sowie die Rückerstattung für Agrardiesel wieder eingeführt.

2. Flaute in der Wirtschaft

Die wirtschaftliche Lage könnte sich nächstes Jahr nach mehreren Krisenjahren langsam erholen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass 2026 ein Wachstum von 1,3 Prozent erreicht werden könnte, 2027 könnten es sogar 1,6 Prozent sein. 

Die Bundesregierung hat für diesen Stimmungsumschwung einiges investiert, sie hat Unternehmen bei der Stromsteuer entlastet (ab 1.1.), Abschreibungen erleichtert und will nächstes Jahr einen 130 Milliarden Euro schweren „Deutschland Fonds“ auflegen.

Ob all das den Aufschwung noch beschleunigen kann, muss sich zeigen. Klar ist jedoch: Den Industrieverbänden gehen die Maßnahmen nicht weit genug. „Mehr Geld allein löst keine Probleme. Wir brauchen neues Grundvertrauen in den Standort Deutschland“, sagt etwa Helena Melnikov, die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Genauso dringend seien ein umfassender Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungsverfahren sowie niedrigere Arbeitskosten. 

3. Wo bleibt die Digitalisierung?

Die Digitalisierung voranzutreiben, ist in Deutschland seit jeher eine schwierige Aufgabe. Union und SPD haben deshalb extra ein eigenes Digitalministerium geschaffen und mit Karsten Wildberger, dem früheren Chef der Media-Markt-Saturn-Mutterfirma, einen Experten an Bord geholt.

In den ersten Monaten war das erst mal ein Nachteil, Wildberger musste sein Ministerium komplett neu aufbauen. Für die Bürger spürbare Fortschritte hat der CDU-Digitalminister bisher nicht gemacht, große Pläne hat er aber trotzdem. Im Januar 2027 soll die „Digitale Brieftasche“ kommen, in der Personalausweis, Führerschein, Fahrzeugschein und Versicherungskarten digital abgelegt werden können.

Außerdem wurde Wildberger mit einem Veto-Recht ausgestattet, sodass er mitbestimmen kann, in welche IT-Projekte Ministerium investieren. Dadurch soll die digitale Infrastruktur in der Bundesverwaltung einheitlicher werden.

4. Viele Maßnahmen für die Migrationskrise

Die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, sinkt seit geraumer Zeit. Während von Januar bis September 2023 noch fast 92.000 Syrer nach Deutschland kamen, waren es im selben Zeitraum 2025 nur noch 39.000. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Syrer erhöht, die von Deutschland aus zurück in ihre Heimat gehen. Ein Grund: Vor gut einem Jahr wurde das Assad-Regime gestürzt, die neue Führung des Landes stellt die Weichen in Richtung zivilgesellschaftlicher Freiheiten.

Gegenläufig sind die Zahlen bei Ukrainern: Die Zahl der Schutzsuchenden aus dem kriegsgebeutelten Land haben sich seit Herbst wieder deutlich erhöht. Denn die Regierung in Kiew hat die Ausreiseregeln für ukrainische Männer zwischen 18 und 22 Jahren wieder gelockert. Seitdem hat sich die Zahl der Ankommenden aus dieser Gruppe nach Angaben des Innenministeriums verzehnfacht. 

Die neue Bundesregierung hat sich seit ihrem Antritt auf die Fahnen geschrieben, Migration deutlich zu begrenzen und viele Maßnahmen beschlossen, wie etwa dauerhafte Grenzkontrollen und einfachere Abschiebungen. Künftig sollen sichere Herkunftsstaaten einfacher bestimmt werden können, Abschiebungen soll es auch nach Syrien und Afghanistan geben.

Den Städten und Gemeinden hilft das nicht unbedingt: Sie ächzen weiter unter der Zahl der Menschen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind und Wohnungen, Kita- und Schulplätze brauchen. Die Kommunen fordern deshalb, dass Bund und Länder ihnen stärker unter die Arme greifen – bisher ohne Erfolg. 

5. Was wird aus den Klimazielen?

Der Klimaschutz hat für die schwarz-rote Koalition keine Priorität, das haben die vergangenen Monate gezeigt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat immer wieder betont, dass Klimaschutz-Bemühungen nicht zulasten der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gehen dürften.

Auf EU-Ebene wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Klima-Gesetze entschärft, auch auf Betreiben Deutschlands hin. So kommt der EU-Emissionshandel für Verkehr und Gebäude nicht 2027, sondern 2028, die Grenzwerte für das EU-Lieferkettengesetz und den europäischen CO₂-Zoll wurden deutlich angehoben, sodass weniger Unternehmen betroffen sind. Auch die EU-Entwaldungsverordnung und das geplante Verbrenner-Aus ab 2035 wurden gelockert oder verschoben.

Wie Deutschland ohne diese Vorgaben seine Klimaziele erreichen will, ist fraglich. Bis 2030 soll der CO₂-Ausstoß gegenüber 1990 um 65 Prozent sinken, bis 2040 um 88 Prozent und bis 2045 auf null. Und bisher sieht die Bilanz nicht gut aus: In den Jahren 2021 bis 2024 sind die Emissionen vor allem durch die Corona-Pandemie und die schwächelnde Wirtschaft gesunken. Das Klimaschutz-Programm für die nächsten Jahre muss Umweltminister Carsten Schneider (SPD) bis März 2026 vorlegen.

6. Kampf gegen den Rechtsextremismus

„Mit guter Politik wegregieren“, diese Strategie kündigte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) im Kampf gegen die AfD an. Funktioniert hat das bisher nicht, die rechtsextreme Partei hat in Umfragen zugelegt und liegt mit Werten um die 25 Prozent teils vor der Union. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg könnte die AfD erstmals mehr als 20 Prozent der Stimmen erreichen.

Noch deutlicher ist der Aufwind der Rechtsextremen in den ostdeutschen Bundesländern, gewählt wird 2026 in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Hier reicht die AfD in Umfragen an die 40 Prozent ran, während die übrigen Parteien abseits der CDU kaum zweistellige Werte erreichen.

Dabei zeigt die „Mitte-Studie 2024/25“ der Friedrich-Ebert-Stiftung: Drei Viertel der Bevölkerung (76,1 Prozent) lehnt rechtsextremistische Einstellungen ab, fast genau so viele sehen in Rechtsextremismus eine Bedrohung. 

Wichtigstes Mittel gegen Rechtsextremismus sind mehr Bildung und Aufklärung, Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) will dafür das Förderprogramm „Demokratie leben“ mit mehr Geld ausstatten und einen stärkeren Fokus auf Demokratiebildung und Extremismusprävention legen. Ob das hilft, bleibt abzuwarten.

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