Für seinen Parteifreund Cem Özdemir, der grüner Spitzenkandidat in Baden-Württemberg wird, hat Joschka Fischer nur lobende Worte parat. "Er ist ein hervorragender grüner Politiker und eine sehr gute Wahl für Baden-Württemberg", sagt er. Wie der amtierende Ministerpräsident Winfried Kretschmann passe Cem Özdemir zum "Schwobaländle", ist Fischer überzeugt. Özdemir rede schwäbisch wie ein Wasserfall und sei sehr klug. Dennoch werde der Wahlkampf für die Grünen nicht einfach.
Joschka Fischer erhält Demokratiepreis in Heilbronn – Ex-Minister spricht im Video Klartext
Beim Stimme-Live-Talk "Ohne Ausrede" bezieht der frühere grüne Außenminister klar Stellung zu den aktuellen Krisen. Am Mittwochabend wurde Joschka Fischer in Heilbronn der Preis "Württemberger Köpfe" verliehen.

Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wurde am Mittwochabend in der Heilbronner Harmonie mit dem Demokratiepreis „Württemberger Köpfe“ ausgezeichnet. Damit würdigte die Württemberger Gesellschaft die Verdienste des gebürtigen Gera-bronners für die Demokratie. Die Berichterstattung über die Preisverleihung folgt am Donnerstag auf stimme.de.
Am Nachmittag hatten sich Fischer und Laudator Jean Asselborn aus Luxemburg ins Goldene Buch der Stadt Heilbronn eingetragen. Am Vormittag war Joschka Fischer beim Live-Interview „Ohne Ausrede“ zu Gast.
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Joschka Fischer fordert mehr Unterstützung für die Ukraine
Besorgt, nachdenklich, aber mit klarem Kompass präsentiert sich Fischer am Mittwoch beim Stimme-Live-Interview. In der Bar des Heilbronner Parkhotels spricht der frühere Außenminister von den Grünen im Gespräch mit Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer Klartext.
Der 76-jährige pflegt den Blick über das große Ganze. Die Unordnung, ja das Chaos, das derzeit in der Welt herrsche, bereitet Fischer Unbehagen. "Die amerikanische Ordnung ist im Moment am Verschwinden", sagt er und meint auch den Schutz Deutschlands und Europas durch die USA.
Unter einem möglichen US-Präsidenten Donald Trump werde sich diese Entwicklung noch verstärken, fürchtet Fischer. "Transatlantik spielt bei ihm keine Rolle, die Nato auch nicht." Aber auch unter einer US-Präsidentin Kamala Harris würden sich die USA nicht mehr so stark für Europa engagieren wie das in den zurückliegenden Jahrzehnten der Fall gewesen sei, prophezeit der frühere Außenminister.
Ex-Außenminister Joschka Fischer: Putin nimmt Europa nicht ernst
Das hat Folgen, etwa für die Ukraine, für die die Wiederwahl Trumps "ein fatales Signal" wäre, so Fischer. "Wir werden die USA nicht ersetzen können", sagt er mit Blick auf die schwindende Unterstützung der Ukraine durch die Amerikaner. Putin nehme nur die USA ernst, nicht aber Europa.
Der Grüne spricht sich daher für deutlich mehr Unterstützung des überfallenen Landes durch Deutschland und Europa aus, und zwar militärisch, politisch und ökonomisch. Denn: "Wenn Putin gewinnt, macht er weiter. Nur weiter westlich."
Die Befürworter von Verhandlungen mit Russland kann Fischer nicht verstehen. "Wie soll man denn Putin vertrauen?" fragt er. Und auf die Frage von Heer, ob er sich einen Angriff Russlands auf einen Nato-Staat vorstellen könne, antwortet Fischer mit einer Gegenfrage: "Hätten Sie geglaubt, dass Putin die Ukraine angreift?"
Joschka Fischer: Deutschland war Putin gegenüber zu blauäugig
Die Lage ist also ernst, daher müsse Deutschland dringend seinen Verteidigungsetat erhöhen. "Daran führt kein Weg vorbei", sagt Fischer. Man sei Putin gegenüber zu blauäugig gewesen, dabei sei immer klar gewesen, dass er "kein Friedensengel und lupenreiner Demokrat ist", betont der Grüne. Wenn Deutschland und Europa nicht endlos erpressbar sein wollen, müsse man auf Abschreckung setzen, spricht sich Fischer klar für die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland aus.

Genauso klar zeigt sich der Grüne bei der Unterstützung Israels im Krieg gegen die Hamas. Das Existenzrecht Israels dürfe nicht in Frage gestellt werden, betont Fischer. Die deutsche Hilfe dürfe sich nicht nur auf zivile und defensive Güter beschränken. "Grundsätzlich bin ich auch für Waffenlieferungen an Israel."
Warum Fischer auch Merkel für die Wirtschaftskrise in Haftung nimmt
Sorge bereitet dem früheren Außenminister, der in Langenburg aufgewachsen ist, auch die deutsche Wirtschaft, die er in keinem guten Zustand sieht. Daran trage die langjährige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Mitverantwortung. "Sie hat nichts angepackt, weil sie wiedergewählt werden wollte", sagt Fischer. Das habe dazu geführt, dass das deutsche Geschäftsmodell nun "kaputt" ist.
"Billige Energie aus Russland, die wird es nicht mehr geben. Der scheinbar unendliche Markt China, wo alles zu verkaufen war, verändert sich in Richtung eines riesigen Rivalen und Konkurrenten. Das erlebt gerade unsere Automobilindustrie. Und Sicherheit für umsonst wird es auch nicht mehr geben."
Fischer über KI-Hotspot: "Alle Hoffnungen ruhen auf Heilbronn"
Was nun? "Alle Hoffnungen ruhen auf Heilbronn", sagt Fischer mit Blick auf das Ziel, die Stadt zum europäischen Hotspot in Sachen Künstlicher Intelligenz zu machen. Gleichwohl rechnet der 76-Jährige damit, dass sich die Bundesbürger auf härtere Zeiten einstellen müssen. "Wir werden härtere Zeiten erleben, wir werden die Prioritäten neu definieren müssen", sagt Fischer und meint vor allem die Verteidigungs- und die Wirtschaftspolitik. Aber auch die Klimakrise werde mit Macht zurückkommen, ist sich der Grüne sicher.

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