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Großkreise statt Landkreise? FDP plant tiefgreifende Reform für Baden-Württemberg

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Rufe nach Verwaltungsreformen und Bürokratieabbau werden immer wieder laut. Jetzt hat die FDP im Südwesten radikale Reformvorschläge ins Gespräch gebracht. Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus. 

Hans-Ulrich Rülke ist FDP-Landesvorsitzender, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Liberalen in Baden-Württemberg. Nun hat er mit einem Positionspapier für Aufsehen gesorgt.
Hans-Ulrich Rülke ist FDP-Landesvorsitzender, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Liberalen in Baden-Württemberg. Nun hat er mit einem Positionspapier für Aufsehen gesorgt.  Foto: Seidel, Ralf

Die Diskussion um Verwaltungsreformen flammt im Südwesten immer wieder auf. Besonders die vier Regierungspräsidien stehen häufig in der Kritik – zu teuer, zu ineffizient, so der Vorwurf. Die FDP in Baden-Württemberg geht mit ihren Forderungen jetzt noch einen Schritt weiter. 

FDP in Baden-Württemberg will Stadt- und Landkreise auflösen

Die Partei hat die Forderung, alle Regionalverbände und Regierungspräsidien im Land abzuschaffen, bereits als Teil ihres Wahlprogramms zur Landtagswahl beschlossen. Jetzt schlägt FDP-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke in einem Positionspapier zusätzlich vor, auch die 44 Land- und Stadtkreise aufzulösen. Stattdessen solle es nur noch 13 sogenannte Groß- und Regionalkreise geben.

Aktuell vereinen Stadtkreise Kompetenzen von Kommunen und Landkreisen – mit dem Vorschlag der FDP würden sie ihre  kommunalen Aufgaben weiter wahrnehmen, Verwaltungsaufgaben der Landkreisebene, wie zum Beispiel Ausländerbehörden oder Zulassungsstellen, aber verlieren. 

Grüne sehen Vorschlag als „verzweifeltes Ringen um Aufmerksamkeit“

Von einer Abschaffung der Präsidien will das Regierungspräsidium in Stuttgart auf Nachfrage unserer Redaktion nichts wissen, diese seien „in vielen Bereichen wichtig und unverzichtbar“. Ein Regulierungsabbau sollte Vorrang vor dem Abschaffen von Verwaltungsebenen haben. „Sonst macht das Gleiche nur jemand anderes“, teilt Regierungspräsidentin Susanne Bay mit.


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Reformbedarf in Baden-Württembergs Verwaltung? Ja, aber nicht so radikal


Auf deutliche Kritik stieß der FDP-Vorschlag auch beim Landkreistag. Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski sagte, dadurch gehe lediglich die Bürgernähe zurück, vor allem in Krisenzeiten sei deutlich geworden, wie wichtig die Landkreise seien, um vor Ort schnell und angepasst reagieren zu können. Das nehme man ernst, sagte Hans-Ulrich Rülke auf Anfrage, doch die Bedenken überzeugten nicht. 

„Offenbar bangt die FDP um den Einzug in den Landtag und ringt verzweifelt um Aufmerksamkeit. Der Vorschlag ist aber veraltet und wird regelmäßig aus der Mottenkiste gepackt“, sagt eine Sprecherin der Grünen-Fraktion auf Anfrage unserer Redaktion. Der Vorschlag sei „Budenzauber mit bloßen Symptomen, anstatt an die Ursachen heranzugehen“. Für die Grünen sind nicht die Verwaltungsstrukturen die Ursache des Problems, sondern Gesetze und Vorschriften – hier müsse man ansetzen, um mehr Freiräume auf kommunaler Ebene zu schaffen.

SPD-Politiker Reinhold Gall sieht dringenden Reformbedarf – Kommunen sollen zusammengeschlossen werden

Vorsichtiger äußert sich die SPD-Fraktion, die zwar nicht alle vier Verwaltungsebenen für erforderlich hält, aber dafür erst einmal eine „ehrliche Aufgabenkritik“ fordert.

Deutlicher äußert sich der ehemalige Landesinnenminister und SPD-Kreisrat Reinhold Gall aus Obersulm. Er sagte dem „Reutlinger General-Anzeiger“, er könne „zwei oder drei Gemeinden im Landkreis Heilbronn nennen, die nicht mehr in der Lage sind, ihren Aufgaben nachzukommen.“ Gegenüber der Stimme bekräftigt er diesen Reformbedarf auf kommunaler Ebene. „Wünschen würde ich mir, dass insbesondere in kleineren Kommunen über einen Zusammenschluss mit Nachbarkommunen nachgedacht und diskutiert wird. Das Land müsste hierbei finanzielle Anreize bieten.“

Auch die Landkreise würde Gall gerne zusammengeschlossen sehen. „Durch die Gründung von Regionalkreisen könnte man Verwaltungsaufgaben und Zuständigkeiten bündeln, ohne wie von der FDP vorgeschlagen, die Landkreise auflösen zu müssen.“ Die Regionalkreise würden dann die Aufgaben der Regionalverbände übernehmen. Wichtig sei Effizienz, die Abschaffung von Doppelstrukturen, die Beschleunigung von Entscheidungen und die Bündelung von Zuständigkeiten, so Gall..

Die CDU-Fraktion zeigt sich grundsätzlich offen für Reformen, auch ihr Spitzenkandidat Manuel Hagel hatte in der Vergangenheit gefordert „mindestens zwei Verwaltungsebenen“ zu streichen. „In Baden-Württemberg stehen zwischen den Menschen, unseren Unternehmen und dem Land noch zu viele Ebenen“, sagt ein Sprecher. „Daher gilt für uns: Zuerst straffen wir die Abläufe, dann vereinfachen wir die Strukturen unseres Gemeinwesens.“

Heilbronner Landrat Norbert Heuser: Diskussion lenke von den notwendigen Reformen ab

Auch Heilbronns Landrat Norbert Heuser erachtet eine Auflösung der bestehenden Landkreise nicht für nötig. Die Diskussion lenke von den wirklich notwendigen Reformen ab. Das Gebot der Stunde sei, Gesetze mit auskömmlicher Finanzierung zu erlassen. Dazu bräuchte es keine Regionalkreise, teilt er auf Stimme-Anfrage mit und spielt auf die finanzielle Belastung von Kommunen und Landkreisen an. Diese erachtet er als wichtigeres Problem, als Verwaltungsebenen aufzulösen. Positiv an der Diskussion wäre für Heuser, wenn sie dazu beitrüge, „Kooperationen und kreisübergreifende Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu fördern.“

Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Barta wünscht sich eine Verwaltungsreform

Grundsätzliche Sympathie für die Reform-Vorschläge der FDP hat Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. „Verwaltungsreform kann auch in Baden-Württemberg stattfinden“, sagte Barta am Dienstag beim Stimme-tv-Live-Talk „Ohne Ausrede“ in Heilbronn.

Am FDP-Vorstoß wertschätze er den Mut, bezweifle aber, ob sich solche weitgehenden Maßnahmen wie das Herausnehmen von ganzen Verwaltungsebenen tatsächlich umsetzen ließen. Dennoch sagt Barta: „Der Ansatz ist ja richtig, dass wir Verwaltungen schlagkräftiger machen.“ Damit könne man auch die Kommunen entlasten, die über die Aufgabenflut stöhnen.

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