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Expertin zu E-Auto-Kaufprämien: „Klares Zeichen, dass E-Mobilität die Zukunft ist“

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Die Bundesregierung plant, den Kauf eines E-Autos mit einem Zuschuss zu fördern. Wie die Verkehrspolitik-Expertin Marion Vieweg von Agora Verkehrswende die Pläne beurteilt, erklärt sie im Interview.

In Deutschland sind zu wenige E-Autos auf den Straßen unterwegs. Mit Kaufprämien will die Bundesregierung das ändern.
In Deutschland sind zu wenige E-Autos auf den Straßen unterwegs. Mit Kaufprämien will die Bundesregierung das ändern.  Foto: Carsten Rehder

Der Umweltbonus für E-Autos wurde Ende 2023 gestoppt, warum braucht es wieder Zuschüsse für den Autokauf?

Marion Vieweg: Ich halte das für sinnvoll. Es braucht ein klares Zeichen der Politik, dass Elektromobilität die Zukunft ist. Wichtig ist, dass die Förderung zielgerichteter wirkt als bei der letzten E-Auto-Förderung. Den Umweltbonus konnte jeder nutzen und es gab ihn auch für teurere Fahrzeuge. Davon haben eher höhere Einkommensgruppen profitiert. Ziel sollte es jetzt sein, günstigere Fahrzeuge zu fördern und damit untere und mittlere Einkommensgruppen zu unterstützen.

Sie schlagen vor, die Prämien nach Einkommen zu staffeln. Das klingt nach einem bürokratischen Albtraum.Vieweg: So schwierig ist das eigentlich nicht. Der Arbeitsvertrag oder die Lohnsteuerbescheinigung reichen dafür aus. Alternativ kann man den Einkommenssteuerbescheid nehmen, dann sind auch Rentner und Selbstständige erfasst. Wichtig wäre, dass der Staat damit in eine zielgerichtete Förderung einsteigt, statt das Geld mit der Gießkanne zu verteilen. Tut man das nicht, finanziert die Kassiererin den Tesla eines Managers, solche Mitnahmeeffekte sollten vermieden werden.

Marion Vieweg ist Projektleiterin für Nationale Klima- und Verkehrspolitik bei Agora Verkehrswende.
Marion Vieweg ist Projektleiterin für Nationale Klima- und Verkehrspolitik bei Agora Verkehrswende.  Foto: privat

Es kursiert ein Papier der SPD-Fraktion, die mindestens 3000 Euro Bonus bis zu einem Netto-Kaufpreis von 45.000 Euro vorschlägt. Sind diese Größenordnungen sinnvoll?

Vieweg: Das denke ich schon. Es macht keinen Sinn, einen Fahrzeugpreis festzulegen, zu dem es nur wenige Modelle auf dem Markt gibt. Sinnvoll ist eine Preisobergrenze zwischen 40 und 50.000 Euro, darunter gibt es eine vernünftige Auswahl von guten Elektro-Fahrzeugen auf dem Markt. Wichtig ist dabei die langfristige Perspektive: Wenn ich ein Auto fördere, das neu 80.000 kostet, kostet es nach ein paar Jahren als Gebrauchtwagen noch zu viel. Je günstiger das Auto ist, desto höher ist der Förderanteil.

Viele Menschen wünschen sich eher ein E-Auto für unter 20.000 Euro. Wo bleibt für die Autobauer der Anreiz, solche Modelle zu entwickeln, wenn der Staat teure Wagen fördert?

Vieweg: Ein E-Auto unter 20.000 Euro ist in jedem Fall sinnvoll. Das ist allerdings eine Frage der Marken- und Modellstrategie der Hersteller, das kann der Staat nicht vorschreiben. Außerdem sind Kaufprämien nicht geeignet, um die Entwicklung eines bestimmten E-Auto-Modells zu fördern. So etwas passiert nicht über Nacht.

Sondern?

Vieweg: Man muss mit dem Arbeiten, was schon in der Pipeline ist. Zu hoffen ist, dass bei Modellen, die schon geplant sind, noch ein bisschen aufs Tempo gedrückt wird und sie früher auf den Markt gebracht werden als geplant.

Sollten nur E-Autos von deutschen Herstellern gefördert werden?

Vieweg: Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Aus Klima-Perspektive spielt das ehrlich gesagt keine Rolle – außer man berücksichtigt CO2-Emissionen, die in der Fahrzeugproduktion entstehen. Frankreich hat das versucht, aber es fehlen bislang einheitliche internationale Standards. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen wäre es schwierig, die Förderung auf heimische Hersteller zu beschränken. Außerdem sollte aktuell die Priorität auf kleineren und sparsameren Fahrzeugen liegen. In diesem Segment müssen gerade deutsche Hersteller noch nachlegen.

Ebenfalls diskutiert wird ein gefördertes Leasing-Modell mit günstigen Raten für E-Autos. In Frankreich waren die verfügbaren Kontingente in kürzester Zeit weg. Ein denkbares Modell für Deutschland?

Vieweg: Der Kontext ist hier sehr wichtig. In Frankreich gibt es eine sehr breite Förderkulisse für E-Autos aus unterschiedlichsten Bestandteilen: Kaufprämien, Mikrokredite, Abwrackprämien, angepasste Steuern und Abgaben. Das Social Leasing war quasi das Sahnehäubchen, weil man Pendler mit geringem Einkommen noch unterstützen wollte. So macht das Sinn, gerade läuft die zweite Runde. In Deutschland wird Social Leasing nicht alle Probleme lösen. Man muss es als ein zusätzliches Instrument sehen.

Sie sind also eher nicht überzeugt?

Vieweg: Die Anforderungen und Vorlieben der Menschen sind einfach sehr unterschiedlich. Der eine will sein Auto kaufen und besitzen, „bis der Tüv uns scheidet“. Andere finden Leasing toll, weil sie ein E-Auto mal ausprobieren können oder einen Neuwagen fahren können. Deshalb braucht es unterschiedliche Maßnahmen. 

Was halten Sie von einer Abwrackprämie für Verbrenner?

Vieweg: Das wurde ja schon mal versucht und nicht wirklich gut angenommen. Ich bin zwiegespalten. Es kann als zusätzliche Möglichkeit sinnvoll sein. Allerdings werden manche Verbrenner gar nicht mehr so viel gefahren oder dienen nur noch als Zweitwagen für kurze Strecken. Die Regierung muss sich fragen, ob sie Geld in eine Abwrackprämie steckt oder das dem Markt überlässt, der sich auch für gebrauchte E-Autos gerade entwickelt.

Die Bundesregierung muss für die geplanten Kaufprämien zusätzliche drei Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds nehmen. Wie weit kommt man damit?

Vieweg: Es ist gut, dass erkannt wurde, dass die Mittel zu gering sind, um E-Mobilität in Deutschland sinnvoll zu fördern. Damit kann man auf jeden Fall etwas anfangen und wichtige Signale für den Markt setzen. Andererseits gibt es noch eine Menge Vergünstigungen für Verbrenner, mit denen man widersprüchliche Signale an die Verbraucher sendet, zum Beispiel die niedrige pauschale Besteuerung von Dienstwagen.

Der CO2-Preis dürfte Sprit ab 2027 im EU-Emissionshandel verteuern. Bewegt er Menschen zum Umstieg?

Vieweg: Ein steigender CO2-Preis ist wichtig als Marktsignal, aber er kann nur einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz geben. Der Anteil an den Gesamtkosten ist gering. Außerdem schwanken gerade die Spritpreise sehr stark, die Bundesregierung kann darauf kaum Einfluss nehmen.

Wie bewegt man Menschen zum Umstieg, die sich trotz allem kein E-Auto kaufen möchten?

Vieweg: Ich glaube, die wird der Markt irgendwann automatisch mitnehmen. Wir haben noch so ein großes Potenzial von Menschen, die der E-Mobilität offen gegenüberstehen, sich aber einfach noch nicht dazu entschließen konnten, auf ein E-Auto umzusteigen. Wir können noch sehr viel tun, um diese Menschen zu überzeugen.

Zur Person: Marion Vieweg ist Projektleiterin für Nationale Klima- und Verkehrspolitik bei Agora Verkehrswende. Dort forscht sie zu ökonomischen und sozialen Aspekten der Verkehrswende und untersucht, wie politische Instrumente sozial gerecht ausgestaltet werden können. Zuvor war Vieweg als freiberufliche Beraterin im Energie- und Verkehrsbereich tätig. An der Universität in Hohenheim hat sie Wirtschaftswissenschaften studiert und ihren Master in Energiewirtschaft an der Universität Koblenz-Landau gemacht.

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