Pro & Contra: Sollte man das Böllern nicht verbieten?
Verletzungsgefahr, Feinstaub, Geld: Beim Thema Feuerwerk gehen die Meinungen auch in unserer Redaktion auseinander.

Pro Böllerverbot
Von Christian Gleichauf
Wir sind in den 1970er Jahren auch ohne Helm und ohne Gurt über die Autobahn gebrettert. Würde das heute noch jemand wollen? Eher nicht. Das allgemeine Sicherheitsbedürfnis hat sich verändert. Wir schließen Policen für jedes erdenkliche Risiko ab, wir achten auf die Gesundheit. Doch einmal im Jahr verzichtet ein beachtlicher Prozentsatz der Bevölkerung auf jedwede Besonnenheit und zündet, enthemmt durch mehr als genug Alkohol, eine Lunte nach der anderen. Dann ist die Freude groß, wenn die Rakete in den Nachthimmel schießt, der Böller feierlich explodiert mit einem Rumms.
Meistens. Denn Jahr für Jahr entfalten geschätzt 10.000 Feuerwerkskörper ihre Energie in einer Hand, einer Tasche oder einem Gesicht.
Muss man da einfach nur aufpassen?
Bei welchem anderen Thema, das so vielen Menschen in so kurzer Zeit schadet, käme man auf die Idee zu sagen: "Muss man halt aufpassen." Die unkontrollierte Silvesterknallerei in dieser Form ist aus der Zeit gefallen und sollte verboten werden.
Da muss man weitere Gefahren wie den freigesetzten Feinstaub eigentlich gar nicht mehr bemühen. Dennoch: Es wird da mit zweierlei Maß gemessen, wenn in einer Nacht in die Atmosphäre geschossen, was sonst mit rigider Regulierung mühsam reduziert wird.
Trotz Verbot mit Freude ins neue Jahr
Das heißt nicht, dass es kein Feuerwerk mehr geben sollte. Schließlich will die große Mehrheit der Deutschen an dieser liebgewonnenen Tradition festhalten. Wohl auch deshalb hält sich die Politik zurück. Die Lösung wäre aber denkbar einfach: Jeder Ort sollte die Möglichkeit haben, ein angemeldetes Spektakel zuzulassen - zur Freude aller.
Es würde hoffentlich dazu führen, dass dann hochwertige Pyrotechnik choreografiert zum Einsatz kommt. Aber der massenhafte freie Verkauf von Billigware muss aufhören.
Contra Böllerverbot
Von Heiko Fritze
Eines vorweg: Ich selbst böllere nicht. Aber es ist in unserer Familie zum schönen Brauch geworden, in der Silvesternacht zur Mauer unserer Altstadt zu ziehen und zuzuschauen, wie von dort aus die Raketen ins Neckartal fliegen, in den gegenüberliegenden Orten das Feuerwerk entbrennt und alles in eine festliche Stimmung getaucht wird.
Silvester ohne Raketen und Böller ist für mich undenkbar. Es wäre eine fade, lieblose, beliebige Nacht. Eine anspruchsvolle Lasershow, wie von der Deutschen Umwelthilfe seit Jahren als Ersatz vorgeschlagen, wäre zum einen wohl kaum in der ländlichen Region, in der ich hier wohne, zu finanzieren - und zum anderen: Wo bleibt denn da die festlich-freudige Stimmung?
Niemand ist doch zum Böllern verpflichtet. Jeder kann für sich entscheiden, ob er sprichwörtlich Geld in den Nachthimmel pustet. Selbstverständlich sind dabei Regeln einzuhalten - in historischen Altstädten ist ein Böllerverbot ebenso nachvollziehbar wie auf Plätzen, auf denen sich Tausende versammeln.
Chaoten gibt es immer
Chaoten, die Knaller in die Menge werfen, gehören aus dem Verkehr gezogen, keine Frage. Und wer meint, mit illegalen Polen-Böllern besonders laut das neue Jahr begrüßen zu müssen, ist selbst schuld, wenn er sich dabei üble Verletzungen zuzieht. Aber vieles ist auch eine Frage des gesunden Menschenverstands, der in den Jahren vor Corona für alle Vorsichtsmaßnahmen ausgereicht hat.
Nicht noch ein Verbot
Wir sollten ohnehin in dieser Zeit nicht noch mehr die Verbotskeule schwingen. Wir tauchen aus zwei Jahren rigider Versammlungs-Verbote auf, wir werden mit bedrückenden Nachrichten aus der Ukraine, zu den Themen Energieversorgung und Inflation belastet. Jetzt noch ein Verbot? Es reicht.