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Meinung: Die Diskussion um Lockerungen ist verfrüht

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Dass Geimpfte und Genesene wieder einen großen Teil ihrer Freiheiten bekommen, ist angemessen. Mit welchem Ausmaß die politische Diskussion geführt wurde, war es dagegen nicht, meint unser Redakteur Christoph Donauer.

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Lockerungen der Corona-Beschränkungen für Geimpfte und Genesene blicken die Menschen in Deutschland einer Umfrage zufolge mit gemischten Gefühlen entgegen.
Lockerungen der Corona-Beschränkungen für Geimpfte und Genesene blicken die Menschen in Deutschland einer Umfrage zufolge mit gemischten Gefühlen entgegen.  Foto: Oliver Berg/dpa

Nach wochenlanger Diskussion haben sich Bundestag und Bundesrat geeinigt, Geimpften und Genesenen wieder einen Großteil ihrer Freiheiten zu gewähren. Sie dürfen wieder andere Menschen treffen, müssen sich nicht testen lassen und auch Ausgangssperren gelten für sie nicht mehr. Das ist zweifelsohne richtig und angemessen. Wer einen vollständigen Impfschutz genießt, kann sich so gut wie nicht mehr anstecken oder das Virus übertragen, auch wenn ein Restrisiko bleibt.

Privilegien oder Sonderrechte?

Die Dimension der Debatte verwundert jedoch. Besorgniserregend oft wurde über die Wortwahl debattiert und von vielfacher Seite klargestellt, dass es sich keinesfalls um "Privilegien" handele oder "Sonderrechte", sondern eben um die Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte. Derlei Petitessen wären eigentlich kaum Erwähnung wert.

 


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Vor allem aber war die Diskussion dazu gedacht, positive Signale zu senden. Frei nach dem Motto: Schaut, es gibt auch gute Nachrichten. Der Bevölkerung wird etwas zurückgegeben, Einschränkungen werden zurückgenommen, die Freiheit winkt. Dabei betreffen die nun beschlossenen Lockerungen einen sehr geringen Teil der Bevölkerung. Gerade einmal 7,4 Millionen Deutsche sind vollständig geimpft, in Baden-Württemberg sind es nur rund 930.000 Menschen.

In den Geschäften arbeiten nicht nur Geimpfte

Selbst wenn diese Menschen ihre Freiheiten wieder ausleben wollten, bleiben viele Einschränkungen. Solange die Bundes-Notbremse gilt und die Inzidenz in vielen Regionen über 100 liegt, sind Geschäfte, Restaurants und Kultureinrichtungen geschlossen. Selbst wenn die Geschäfte wieder öffnen, arbeiten dort nicht nur Geimpfte. Hinter der Ladentheke, an der Bar oder an der Kasse stehen oft junge Menschen, die von einer Impfung weit entfernt sind.

Ebenfalls in weiter Zukunft liegen Szenarien, in denen sich nur Gruppen von Geimpften treffen und nur geimpftes Personal ausschließlich geimpfte Kunden bedient. Dazu kommt, dass ein digitaler Ausweis, der die Impfung zweifelsfrei, fälschungssicher und datensparsam nachweist, weiterhin fehlt. Im Internet blüht das Geschäft mit gefälschten Ausweisen, und es besteht die reale Gefahr, dass Infizierte mit gefälschtem Impfpass andere Menschen anstecken.

Es krankt an der Impfstoffbeschaffung und an der Terminvergabe

Die Diskussion um die Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte lenkt davon ab, dass sich in anderen Bereichen zu wenig tut. Auch nach vielen Monaten krankt es noch an der Impfstoffbeschaffung und der Organisation der Impfungen. Noch immer warten über 70-Jährige und über 80-Jährige auf einen Impftermin. Der wird ihnen inzwischen von kundigen Internet-Nutzern weggeschnappt, die alle Wege zur Impfberechtigung kennen und sich alarmieren lassen, sobald neue Termine frei sind. Wenn im Juni auch noch die Priorisierung fällt, gilt nur noch das Recht des Schnelleren.

 


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Natürlich hoffen Gastronomen, Hoteliers, Kulturschaffende und Veranstalter auf den Sommer. Doch solange die Bundes-Notbremse gilt, gilt die 100er-Inzidenz, und es droht die Gefahr, dass zu weitreichende Öffnungen und ein diffuses Infektionsgeschehen die Zahlen wieder in die Höhe treiben. Die Ansteckungen sind derzeit so hoch wie Ende November, und die Herdenimmunität ist nicht in Reichweite.

Es gilt nun, den ersten Schritt vor dem zweiten zu gehen und alles daran zu setzen, das Impfen zu beschleunigen. Ob wirklich so viel Impfstoff gebunkert werden muss, wie es manche Länder tun, muss hinterfragt und nötigenfalls geändert werden. Experten raten, möglichst viele Erstimpfungen zu verabreichen. Außerdem gehört genau hingeschaut, wer beim Impfen bisher vergessen wurde und noch keinen Termin bekommen hat.

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