Kolumne: Heilbronn hat keinen Grund für Komplexe
Forscher und Wissenschaftler haben in Heilbronn erklärt, wie Städte attraktiver werden: Bei Frequencity ging es um Potenziale. Um die Zukunft des Aquatolls geht es am Donnerstag: Streicht Neckarsulm das Geld, könnte noch das Denkmalamt die Kuppel retten.
Eine vermeintlich unattraktive Innenstadt ist kein Heilbronner Alleinstellungsmerkmal. Vielerorts entwickeln Verantwortliche Konzepte, um Leben in die City zu bringen. Ansprüche und Einkaufsverhalten machen das nicht gerade einfach. Dass es aber Lösungen nicht nur für Metropolen gibt, hat der zweitägige Kongress Frequencity auf dem Bildungscampus gezeigt. Die Referenten waren hochkarätig, allerdings bis auf eine Ausnahme ausschließlich männlich. Diversität blieb also eher Theorie, ansonsten aber gab es durchaus praxisnahe Impulse.
Vorträge und Workshops richteten sich zwar ans Fachpublikum, waren aber für jeden offen, der in der Stadt lebt. Die Gebühr für den Onlinestream in Höhe von 75 Euro oder das Doppelte für den Eintritt vor Ort war nicht wenig, aber dafür gab es auch reichlich, ganz konkreten Inhalt. Wichtigste Erkenntnis dabei: Innovationen und Vielfalt sind notwendig, das Etikett Bildungsstadt allein ist noch keine Garantie. Aber Heilbronn hat Potenzial, das finden nicht nur Zukunftsforscher Matthias Horx und andere Referenten.
Keine Lösungen mit problemorientiertem Denken
Ähnlich äußerte sich vergangene Woche Stanford-Literaturprofessor Hans Ulrich Gumbrecht in einem Interview in der "Taz". Überall in Deutschland entschuldige man sich für den Provinzstatus, außer in Heilbronn. Hier gebe es keinen "Provinzkomplex", stellte der Buchautor verwundert fest, als er - wegen eines "außergewöhnlich guten Honorars", das ihm die Kreissparkasse für einen Vortrag zahlte - die Stadt besuchte. Warum auch?
Es gibt überhaupt keinen Grund für Komplexe, Selbstbewusstsein steht der Stadt gut zu Gesicht. Zumal Lösungen nicht mit problemorientiertem Denken entstehen können. Das hat Horx ebenfalls bei Frequencity logisch erklärt.
Die Signale sind deutlich
Am Donnerstagabend entscheidet der Neckarsulmer Gemeinderat noch nicht über den Abriss des Aquatoll, auch wenn viele Badfans das befürchten. Zunächst geht es um die Bereitschaft, das Badevergnügen weiter zu finanzieren und die Anlage komplett zu erneuern. Und da sind die Signale deutlich: Die Mehrheit im Gemeinderat will das nicht. Zu marode die Technik, zu teuer die Sanierung. Die Frage, wie es so weit kommen konnte, ist ebenso berechtigt wie die Verwunderung darüber, dass die Stadt noch Stellenanzeigen für den Kassenbereich schaltet.
Am schlechten Zustand des einstigen Vorzeigeobjekts, das übrigens vor 30 Jahren auch nicht von jedem Neckarsulmer gewollt war, lässt sich nichts schönreden. Wenn nicht bald der ominöse Investor aus der Deckung kommt und die Stadt sich tatsächlich auf einen Deal mit ihm einlässt, ist das Ende der Anlage in ihrer jetzigen Form eben doch realistisch.
Prüfung im Landesamt läuft noch
Dann kann nur noch der Denkmalschutz die Kuppel retten. Die Prüfung läuft noch. Sicher ist: Wird das Aquatoll Kulturdenkmal, hätte Neckarsulm zwar immer noch kein finanzierbares Spaßbad, aber eine ganz neue Diskussionsgrundlage.