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Das Urteil im Prozess um den Polizei-Inspekteur hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack

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Der in Stuttgart wegen sexueller Nötigung angeklagte Inspekteur der baden-württembergischen Polizei wurde freigesprochen. Am Ende des Urteils stehen viele Verlierer, meint unsere Autorin.

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Im Prozess gegen den Inspekteur der Polizei geht der Angeklagte (r) mit seiner Frau vor der Urteilsverkündung zum Gericht.
Im Prozess gegen den Inspekteur der Polizei geht der Angeklagte (r) mit seiner Frau vor der Urteilsverkündung zum Gericht.  Foto: Bernd Weißbrod (dpa)

Im Zweifel für den Angeklagten. Andreas Renner, wegen sexueller Nötigung angeklagter Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, ist vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen worden. Nicht, weil das Gericht seine Unschuld für erwiesen hält. Sondern, weil sich der erhobene Vorwurf nicht zweifelsfrei beweisen ließ. Am Ende stand Aussage gegen Aussage über das fragliche Geschehen, und das Gericht begründete ausführlich, warum es in solchen 50:50-Fällen weit überzeugendere Darstellungen und Aussagen als die der Nebenklägerin und Geschädigten braucht, um zu einem Schuldspruch zu gelangen. An diesem Punkt ist das Urteil gegen Andreas Renner nachvollziehbar.

Auch, wenn der Gedanke daran schwer erträglich ist, dass in einer solchen Situation, die eben zwangsläufig oft ohne Zeugen stattfindet, ein mutmaßliches Opfer noch immer davon abhängig ist, ob ein Gericht ihm glaubt oder eben nicht. Und ein mutmaßlicher Täter im Zweifel weiter darauf setzen kann, dass sein Schweigen und die Unschuldsvermutung eben dann doch am Ende für ihn in die Waagschale fallen.

Das Urteil hinterlässt nur Verlierer

Nicht nachvollziehbar sind jedoch in der Begründung des Gerichts viele andere Punkte. Praktisch kein Aspekt, der in Summe des Geschehens zu Lasten von Andreas Renner hätte gewertet werden können, wurde berücksichtigt. Alle Zeugenaussagen und Ereignisse dagegen, die auf ein Persönlichkeitsbild des Angeklagten hinweisen könnte, das zum Tatvorwurf passt, wertete das Gericht als unmaßgeblich. Dagegen wurde zu Lasten der Nebenklägerin ihr gesamtes Privatleben herangezogen und die Glaubwürdigkeit ihrer gesamten Aussagen auf dieser Basis hinterfragt.

Der Rechtsstaat mag hier vordergründig gesiegt haben, dem Gesetz mag Genüge getan sein. Das Urteil aber, sofern es rechtskräftig wird, hinterlässt nur Verlierer. Die Nebenklägerin sowieso. Dazu alle Frauen und potenzielle Opfer von Übergriffen, die hier erneut erleben, wie schwer es ist, den Nachweis einer Nötigung, eines Übergriffs, eines Missbrauchs zu erbringen – und welche Opfer es dafür in Kauf zu nehmen gilt. Wird sich auch nur eine davon ermutigt fühlen, sich an Vorgesetzte, an Meldestellen oder gar die Justiz zu wenden? Wohl kaum. Und verloren hat auch Andreas Renner, der zwar im Strafverfahren freigesprochen ist, dessen Polizeikarriere aber wohl nach dem nun anstehenden Disziplinarverfahren am Ende sein dürfte.

Ein Verfahren mit bitterem Nachgeschmack

Wenn es einen Lichtblick gibt, dann den, dass die gesamte geschlossene Struktur des Beförderungssystems der Polizei nun aufgebrochen ist. Die vielen weiteren Fragen dazu, die im Verlauf des Prozesses und auch des damit zusammenhängenden Untersuchungsausschusses aufkamen, werden sich jedenfalls nicht mehr unter den Teppich kehren lassen. Das macht den Nachgeschmack des Verfahrens allerdings nur ein klein wenig bitterer.


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