Meinung zum Pandemieverlauf: Die Impfpflicht spaltet nicht
Ohne die Solidarität, die dieser Gesellschaft von einer kleinen Gruppe verweigert wird, gibt es womöglich nur noch einen Weg aus der Pandemie, glaubt unser Autor.
Eine Impfpflicht kommt nicht, so hörte man bis vor kurzem von so vielen Politikern in Regierungsverantwortung und Opposition. Es war ein dummes Versprechen. Dumm, weil in diesen Zeiten wenig auszuschließen war und ist. Versprechen hin oder her, die Impfpflicht könnte der einzig verbliebene Weg aus der scheinbar endlosen Berg-und-Talfahrt der Pandemie sein.
Manche könnten so ihr Gesicht wahren
Die erste Reaktion bei diesem Thema noch vor Monaten war: Das würde die Gesellschaft spalten. Heute zeichnet sich ab: Das Gegenteil ist der Fall. Viele Zögerliche haben inzwischen akzeptiert oder verstanden, dass der Nutzen der Impfung größer ist als die Risiken. Sie sind schon dabei, der Mehrheit zu folgen. Moderate Skeptiker könnten sich achselzuckend dem Unvermeidbaren fügen, ohne ihr Gesicht zu verlieren.
Jene aber, die sich nun mehr als ein Jahr in Rage geredet haben über Chips im Impfstoff und eine Weltverschwörung, die sie unterjochen will, haben sich selbst abgespalten von einer Gesellschaft, die mehr denn je auf Solidarität angewiesen ist. Diese Gruppe verweigert derzeit jede Solidarität. Deshalb nimmt die Wut nun auch bei Geimpften, bei Erkrankten und wirtschaftlich Betroffenen zu.
Eine Impfpflicht durchzusetzen, wäre schwierig
Doch Wut ersetzt kein Argument. Die Entscheidung für oder gegen die Impfpflicht darf keinem emotionalen Impuls folgen. Die verfassungsrechtlichen Fragen sind komplex. Mit dem aktuellen Urteil aus Karlsruhe zur Bundesnotbremse gibt es immerhin den Fingerzeig, dass ein entsprechendes Corona-Schutzgesetz von unserer Verfassung gedeckt sein dürfte.
Wirklich schwierig könnte seine Durchsetzung werden. Wer sein Weltbild darauf baut, dass eine Impfung ins Verderben führt, wird sich mit allen Mitteln wehren. Die Impfpflicht aus diesem Grunde abzulehnen, würde aber tatsächlich dem Staatsversagen gleichkommen, von dem zuletzt häufiger die Rede war.