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Die Ampel-Koalition legt die Axt an den Klimaschutz, um Wissing zu retten

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Die Ampel-Koalitionäre haben angekündigt, das Klimaschutzgesetz zu ändern. Statt einer jährlichen Überprüfung sollen künftig das Gesamtergebnis und das 2030-Ziel im Fokus stehen. Damit ist vor allem dem FDP-Verkehrsminister geholfen und der Klimaschutz gefährdet, meint unser Autor.

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Christian Lindner hat die Ergebnisse des Koalitionsgipfels vorgetragen, wie er alles vorträgt: wortgewandt, gefühlt innerlich schmunzelnd. Dabei hat er nichts Geringeres verkündet, als dass die Ampel-Koalition die Axt an den Klimaschutz anlegen wird: Das Klimaschutzgesetz soll modernisiert werden, wie Lindner es nennt, denn es sei "sehr bürokratisch" und führe "in der Praxis zu nicht umsetzbaren Ergebnissen".

Dabei ist es ganz einfach. Deutschland soll 2045 klimaneutral sein. Der CO2-Ausstoß muss bis dahin unter Null sinken, damit selbst unvermeidbare Emissionen nicht mehr ins Gewicht fallen. Bis 2030 stehen 65 Prozent weniger im Hausaufgabenheft, aktuell steht das Land bei einem Minus von 40,4 Prozent - seit 1990.

Damit jeder sehen kann, wo es hakt, wird der CO2-Ausstoß für sechs Sektoren angegeben: Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Jeder Sektor hat gesetzlich vorgeschriebene jährliche Obergrenzen. Werden sie gerissen, muss der zuständige Minister ein Sofortprogramm vorlegen, das Abhilfe schafft. Die Maßnahmen bewertet der Klima-Expertenrat.

Der Zeitpunkt der Ampel-Reform ist entlarvend

Es stimmt, schon im Koalitionsvertrag der Ampel steht, man wolle eine "sektorübergreifende" und "mehrjährige Gesamtrechnung" einführen. Entlarvend ist aber der Zeitpunkt, die Reform jetzt anzugehen. Vor zwei Wochen hat das Umweltbundesamt verkündet, dass der Verkehr und der Gebäudesektor ihr Ziel gerissen haben - zum zweiten Mal in Folge und mit großem Abstand.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hätten im Sommer also erklären müssen, wie die Emissionen 2023 in ihren Sektoren sinken sollen. Während Geywitz 2022 wichtige Punkte vorlegte, nannte Wissing kaum wirksame Maßnahmen, die der Expertenrat als nicht im Ansatz ausreichend abstrafte. Diese Reform ist eine verkappte Lex Wissing.

Wenn das Gesamtergebnis zählt, kann Wissing sich aus der Verantwortung stehlen

Geradezu dreist ist Lindners Aussage, dass "die Sektoren sich gegenseitig helfen können". Bedeutet: Wissing könnte Klimaschutz im Verkehr weiter vernachlässigen, wenn die anderen Sektoren genug einsparen und das Gesamtergebnis stimmt.

Dass dieser Weg nicht zum Ziel führt, zeigt Baden-Württemberg. Abfallwirtschaft und Landwirtschaft sind hier vorbildlich, Industrie und Energiewirtschaft waren bis zur Energiekrise auf passablem Weg. Der Verkehr und der Gebäudesektor aber verursachen die meisten Emissionen, eine Trendwende ist nicht in Sicht. Hier muss etwas passieren. Es wäre unfair, diese Aufgabe auf Sektoren abzuwälzen, die längst abgeliefert haben.

Ehrlicherweise könnte die Ampel-Koalition den Pariser Klimavertrag schreddern

"Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide", warnt der Weltklimarat IPCC. "Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen - weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren", erklärt Klimaratmitglied Thomas Heimer für Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass zu wenig Klimaschutz die Freiheit künftiger Generationen massiv bedroht. Wenn die Ampel-Koalition das Klimaschutzgesetz aushebelt, muss sie ehrlicherweise auch den Pariser Klimavertrag schreddern.

Die Koalitionäre hoffen zudem auf den EU-Emissionshandel, der ab 2027 für Verkehr und Wärme gilt. Das ist sinnvoll, verteuert aber fossilen Sprit und Brennstoffe. Gegen diese brutale Logik des Marktes dürfte man dann nicht ansteuern. Gerechter wäre, die Millionenbeträge, mit denen die Bundesregierung Emissionsrechte kaufen muss, jetzt in echten Klimaschutz zu stecken.


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