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Welche Folgen für die Gesellschaft hat die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz?

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Ein Technikphilosoph und ein KI-Forscher erzählen, wie Kommunikations-KIs wie ChatGPT überhaupt funktionieren und welche Vorteile und Gefahren sie durch die technische Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz sehen.

von Annika Heffter
 Foto: Framestock_stockadobecom

Künstliche Intelligenz (KI): Für die einen hört sich das an wie Teufelswerk, wie ein Science-Fiction-Film, in dem Roboter die Weltherrschaft übernehmen. Für andere ist KI der große Heilsbringer, durch die der Mensch zu ewigem Leben gelangt.

Professor Armin Grunwald beschäftigt sich am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unter anderem mit "Technikphilosophie". Er sagt: "In unserer Forschung schauen wir hinter diese Erzählungen, die entweder das Paradies versprechen oder von einer Apokalypse ausgehen, und lassen die Luft aus ihnen heraus."


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Zusammen mit KI-Forscher Professor Nicolaj Stache von der Hochschule Heilbronn erklärt er, was Kommunikations-KIs wie ChatGPT sind und welche Vorteile und Gefahren von ihnen ausgehen.

KIs können lernen, sind aber keine Lebewesen

Zunächst einmal betont Grunwald: "ChatGPT denkt nicht selbst. KIs können zwar lernen und sich verändern, aber sie sind trotzdem keine lebendigen Wesen." Er nennt ein Beispiel: "Wenn Chatbots Texte schreiben oder Prüfungen bestehen, wissen sie dann, was sie wissen?" Bei Menschen stecke stets Wissen und Verständnis hinter so einer Leistung.

"Aber der Chatbot besteht die Prüfung nicht aus eigener Kraft, sondern weil er an Daten trainiert wurde. Nicht der Chatbot hat das Abitur geschafft, sondern der Mensch hat ein System geschaffen, das Fragen so gut beantwortet, dass es das Abi besteht."

Wie KI zu Ergebnissen gelangt, ist oft nicht gänzlich nachvollziehbar

Eine KI wie ChatGPT, betonen beide Experten, sei extrem komplex. "Ich habe ChatGPT einmal gefragt, was die Rechnung 2-5x2 ergibt. Die Antwort war -6, obwohl -8 richtig gewesen wäre. Darauf angesprochen, reagierte ChatGPT mit: 'Stimmt, Entschuldigung. Das Ergebnis ist -8.'", sagt Nicolaj Stache.

Wie ChatGPT zu Ergebnissen kommt, sei manchmal nicht ganz nachvollziehbar, oft lösen solche Antworten bei Nutzern Erstaunen aus. Das Programm, so Stache, erkenne Muster in einem riesigen Datenschatz, aber das heiße nicht, dass es zwangsläufig immer richtig liege.

Chancen von Text- und Bild-KIs: Barrieren abbauen und Routineaufgaben abgeben

Dennoch betont er: "Im Grunde ist diese Entwicklung etwas sehr Positives. Wenn man ChatGPT richtig nutzt, kann man etwa die eigene Effizienz und Kreativität erweitern." Routineaufgaben müssten nicht mehr selbst erledigt werden, Sprachbarrieren könnten überwunden, Abläufe vereinfacht werden. Zugleich warnt er: "Es ist ein Tool, keine komplette Lösung." Es sei wichtig, das Werkzeug "mit Verstand" einzusetzen.

Das sieht auch Grunwald so. Er hat keine Sorge, dass der Mensch nicht mehr gebraucht werden könnte. "Dass Technik besser ist als der Mensch, war schon immer so. Selbst ein einfacher Spaten ist besser als meine bloße Hand, wenn es darum geht, den Garten umzugraben." Die Technik sei aber immer nur punktuell besser, eine Allzweck-KI gibt es nicht. "Wir Menschen hingegen sind Multifunktionswesen", sagt Grunwald.

Gefahr, dass Menschen der KI zu sehr vertrauen

"Ich habe keine Angst, dass KI ein Eigenleben entwickeln könnte. Aber ich habe Angst, dass sich die Menschen zu sehr darauf verlassen", sagt Stache. Auch Chatbots, die jetzt schon der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind, seien letztendlich nur Modelle, "die auf riesengroße Datenbanken zugreifen, die aber trotzdem einseitig und fehlerhaft sein können".


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Die Herausforderung für Menschen sei, im Hinterkopf zu behalten, dass die KI nicht automatisch recht hat. "Wir müssen uns mehr aneignen, Ergebnisse zu bewerten, Informationen auf Plausibilität zu überprüfen und zu hinterfragen", warnt Stache.

Datenriesen wie Google oder Microsoft haben viel Macht

Die Macht der großen Datenkonzerne wie Google oder Microsoft, sagt Grunwald, sei "beispiellos in der Geschichte, meiner Einschätzung nach vielleicht sogar größer als die von Atommächten". Monopolstrukturen von Datenriesen seien problematisch, weil "die Korrektur fehlt, auf ethischer, wirtschaftlicher und politischer Ebene".

Auch Stache sagt dazu: "Es ist falsch, es ausschließlich der ethischen Vorstellung von Unternehmen zu überlassen, was erlaubt und was verboten ist." Eine gute Regulierung, räumen beide ein, sei aber sehr schwierig, zumal die Entwicklung global stattfindet.

Entfernen wir uns durch die Technik von der Realität?

Die Geschwindigkeit der Veränderung macht Grunwald Sorgen. "Wir lassen uns keine Zeit zu reflektieren: Was ist gut, was ist schlecht?" Je mehr man sich in "künstlichen, abgehobenen" Welten bewege, desto größer sei auch die Gefahr, den Bezug zur Realität zu verlieren.

Das Suchtpotenzial, sagt Grunwald, steige, je besser die Simulation der Realität ist. "Zwischen den Menschen und die Realität schieben sich immer mehr Zwischenschichten, die auch eine filternde Funktion haben." Dennoch bleibe die analoge Welt real und hole den Menschen auch dann ein, wenn er nicht an sie glaube. "Natürlich kann man zum Beispiel den Klimawandel leugnen, aber die realen Folgen wie Dürren oder Fluten hält das trotzdem nicht auf."

"Die menschliche Nutzung einer Technologie entscheidet über die Folgen, nicht die Technik selbst", sagt Grunwald. Zum Beispiel: "Als das Internet sich vor 25 Jahren immer mehr in der Gesellschaft verbreitete, erwarteten viele, dass Diktaturen das nicht überleben würden. Und was sehen wir jetzt stattdessen? Die Gefährdung von Demokratien." Die Nutzer würden also selbst lenken, wohin technische Entwicklung führt und wie gefährlich sie für Mensch und Gesellschaft werden kann.

Die Experten: Armin Grunwald ist Professor für Technikphilosophie am Institut für Philosophie des KIT sowie Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag. Nicolaj Stache ist Forschungsprofessor für Künstliche Intelligenz an der Hochschule Heilbronn sowie Leiter des Zentrums für Maschinelles Lernen.

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