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Von Monogamie zu Polyamorie: Wie Veränderung an der Beziehungsform funktionieren kann

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Psychologin Julia Hinterthür erklärt im Interview, wie monogame Beziehungen offen, polyamor oder eine ganz andere Form annehmen können. Doch nicht immer ist ein solches Vorhaben eine gute Idee.

Selbst in ansonsten glücklichen Beziehungen leiden viele Menschen unter Trennungsängsten, oft ausgelöst durch Selbstzweifel.
Selbst in ansonsten glücklichen Beziehungen leiden viele Menschen unter Trennungsängsten, oft ausgelöst durch Selbstzweifel.  Foto: Sebastian Gollnow/dpa/dpa-tmn

Mit der Monogamie fangen die meisten Beziehungen an. Bei manchen Menschen entwickelt sich jedoch der Wunsch, nach einer anderen Form der Beziehung. Doch wie geht man so etwas in einer bestehenden Beziehung am besten an? Psychologin Julia Hinterthür von der Caritas Heilbronn hat dazu die Antwort.

 

Wie findet man heraus, ob eine Beziehungsform außerhalb der Monogamie etwas für einen ist und man das auch umsetzten möchte, oder es nur ein interessanter Gedanke ist? 

Julia Hinterthür: Neugier ist eine schöne Grundhaltung im Leben – nicht nur für Beziehungsthemen, sondern für alles. Es ist schöner, wenn Themen mit der Neugier starten, anstatt beispielsweise aus einer Not heraus. Bei offener Neugierde frage ich mich: Was gibt es da draußen in der Welt, das ich noch nicht kenne? Wo eröffnen sich Felder, die ganz viel Freiheit und Möglichkeiten mit sich bringen und gleichzeitig Vorbehalte und Angst auslösen? Es kann spannend sein, sich die Frage zu stellen, welche Beziehungsform zu einem passt, und welche gelebt werden möchte. Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto klarer wird einem, ob es sich lediglich um einen interessanten theoretischen Gedanken handelt oder ob ein Umsetzungswunsch besteht.

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Viele Beziehungen starten mit der Monogamie. Ist das wichtig für eine Vertrauensbasis oder kann man mit jeder Beziehungsform starten?

Hinterthür: Prinzipiell kann mit jeder Beziehungsform gestartet werden. Jeder Mensch ist anders und hat andere Wünsche an eine Beziehung. Es gibt Menschen, die wollen bewusst eine monogame Beziehung führen und sind zufrieden damit. Es gibt Menschen, die merken, dass sich ihre Bedürfnisse in der monogamen Beziehung verändert haben und entwickeln mit der Zeit den Wunsch, die Beziehungsform daran anzupassen. Wieder andere starten direkt in konsensueller Nicht-Monogamie. Generell kann keine Aussage darüber getroffen werden, welche Beziehungsform für immer zu einem passt. Es handelt sich lediglich um eine Momentaufnahme: Was passt gerade zu mir – zu meinen aktuellen Bedürfnissen im Hier und Jetzt und zu den Menschen um mich herum, die potenzielle Partner und Partnerinnen sind oder sein könnten?

 

Zu einer Beziehung gehören mindestens zwei Personen. Wie spreche ich denn am besten bei meinem Partner oder meiner Partnerin den Wunsch nach Veränderung an?

Hinterthür: Bevor wir über das Wie sprechen können, ist das Wann wichtig. Zum einen ist es möglich, bevor ich eine Beziehung eingehe und noch gar nicht klar ist, welche Form die Beziehung haben wird. Und es gibt die Möglichkeit, dass ich in einer monogamen Beziehung lebe und die Idee habe: „Ich möchte gerne an der Art und Weise, wie wir Beziehung führen, etwas verändern.“ Wichtig dabei ist, dass beide Personen einer Veränderung offen gegenüberstehen. Im besten Fall haben beide ähnliche Vorstellungen oder Wünsche und sprechen darüber, weil sie miteinander glücklich sind und bleiben wollen, jedoch gerne noch etwas anderes integrieren möchten. Selbst wenn ich schon länger in einer nicht-monogamen Beziehung lebe, kann ich bemerken, dass ich gerne etwas verändern möchte. Veränderung ist Hauptbestandteil einer jeden Beziehung, egal in welcher Form sie gelebt wird. Es bedarf regelmäßigen Austausch darüber, was zwischen den Partnern noch gilt.

 


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Den Wunsch nach Veränderung auszusprechen, kann beängstigend sein. Denn es lässt sich nicht mehr zurücknehmen. Wie kann ich dabei vorgehen?

Hinterthür: In erster Linie kann es hilfreich sein, einen guten Moment für ein Gespräch auszuwählen, in dem beide Personen verfügbar sind - emotional und zeitlich. Die Person, die die Idee einbringt, kann dann ausformulieren: Wo kommt das Bedürfnis, der Gedanke her. Mit viel Transparenz und Rücksicht gegenüber allem, was dann damit ausgelöst wird. Das kann für die andere Person erstmal eine Überraschung sein oder Gefühle der Verunsicherung auslösen. Deswegen ist es ratsam, achtsam miteinander umzugehen, sich genug Raum zu geben, nachzufühlen und keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Manchmal kann es auch nützlich sein, in einen innerlichen Monolog zu gehen oder mit Freunden darüber zu sprechen, um sich Ängste, Herausforderungen aber auch Chancen für die Beziehung klarzumachen.

 

Können dabei auch begleitende Gespräche mit Therapeuten helfen? 

Psychologin Julia Hinterthür arbeitet für die Caritas Heilbronn.
Psychologin Julia Hinterthür arbeitet für die Caritas Heilbronn.  Foto: privat

Hinterthür: Natürlich, Paarberatung und -therapie kann genau dafür einen Rahmen schaffen. Das Gespräch wird gehalten, weil man sich in einem geschützten Kontext befindet. Das Paar wird angeleitet, sich die passenden Fragen zu stellen, und sich nicht unwillentlich zu verletzten. Und dann wird verhandelt. Denn eine Beziehungsform festzulegen, hat viel mit dem Finden von Konsens zu tun. Manche Paare haben Respekt davor, das allein zu machen – aus Angst, die eigenen oder die Grenzen des anderen zu überschreiten. In einer Beratung hat das Paar die Möglichkeit, angeleitet darüber zu sprechen und ergebnisoffen zu bleiben – wie auch immer sie dann weiterleben.

 

In welchen Situationen ist die Öffnung einer Beziehung keine gute Idee?

Hinterthür: Wenn Paare in einer monogamen Beziehung merken, dass es gerade nicht so gut läuft und die Öffnung als Rettungsversuch eingesetzt wird, um die andere Person halten zu können. Wenn es das Paar nicht schafft, selbstständig durch Gespräche an die Schwachstellen der Beziehung heranzukommen, dann ist eine Öffnung mit Vorsicht zu genießen. 


Zur Person

Julia Hinterthür (30) arbeitet seit 2019 bei der Caritas Heilbronn und berät Paare, Familien und andere Beziehungskonstellationen. Nach Ausbildung in Theaterpädagogik studierte sie Psychologie. Zudem ist sie ausgebildet in systemischer und Sexualtherapie.

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