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Absage Kandahar-Rennen in Garmisch: Bayern in blau-grün statt in blau-weiß

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Das legendäre Kandahar-Abfahrtsrennen in Garmisch-Partenkirchen ist wegen Schneemangels abgesagt worden. Skifahren trotz Temperaturen von mehr als zehn Grad Celsius? Im Zugspitzgebiet möchte man von Trübsal nichts hören.

Die Talabfahrt des Hausbergs in Garmisch-Partenkirchen Anfang Januar.
Die Talabfahrt des Hausbergs in Garmisch-Partenkirchen Anfang Januar.  Foto: Kümmerle, Jürgen

Aus is. Das legendäre Kandahar-Abfahrtsrennen in Garmisch-Partenkirchen ist wegen Schneemangels abgesagt worden. Dabei hätte man dieses Jahr ein kleines Jubiläum feiern können. Es wäre das 70. Rennen gewesen, das Ende Januar stattgefunden hätte. Ja, hätte. Die Region leidet, wie viele andere Alpenregionen auch, unter Schneemangel. Wenn überhaupt Schnee liegt.

Für den Freizeit-Skifahrer führen mehrere Lifte und Wege zur Kandahar-Abfahrt, einer über die Gondel am Hausberg. In der ersten Januar-Woche markierte ein autobahnbreites weißes Band aus Kunstschnee die Talabfahrt. Links und rechts naturgrün. Auf dem Berg waren die Flächen aus Kunstschnee zwar breiter. Daneben Wiese, Sträucher und Bäume. Temperaturen im zweistelligen Bereich hatte es tagsüber. Und das Anfang Januar.


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Mike Bräu war viele Jahre lang Pistenchef vom Klassik-Skigebiet, zu dem der Hausberg und die berüchtigte Kandahar-Abfahrt gehören. 1990 habe man das erste Mal Schneekanonen eingesetzt, die korrekt Niederdruck-Schneeerzeuger heißen. Sieben seien es am Anfang gewesen. "Jetzt haben wir 120 und 60 Schnei-Lanzen", sagt der der 63-Jährige. Damit die vernünftig funktionieren, brauche es Wasser, Luft und Kälte. Und natürlich Strom.

Blick auf die Kandahar-Abfahrt vom Start aus.
Blick auf die Kandahar-Abfahrt vom Start aus.  Foto: Kümmerle, Jürgen

Gespeist werden die Beschneiungsanlagen von zwei Speicherseen. Der eine fasse 50, der andere 70 Millionen Liter. "Ab einer Temperatur von minus vier bis minus fünf Grad ist es sinnvoll. Alles andere wäre Energieverschwendung", sagt Bräu. 1996 habe es auch schon einmal einen Januar gegeben, an dem es keinen Schnee hatte, erinnert er sich.

Schnee wurde schwer und sulzig

So ist es dieses Jahr auch. Da es in der ersten Januarwoche diese Temperaturen an manchen Tagen nicht hatte, wurde auch nicht beschneit. Der Kunstschnee wurde nachmittags schwer und sulzig. Am Samstag zogen die Verantwortlichen die Reißleine und sperrten die Talabfahrt. "Wir brauchen die Kälte", sagt Bräu. Nur dann können die acht Pistenraupen den Kunstschnee über Nacht zu einer vernünftigen Piste präparieren.

Rodler fahren auf einer Piste in Garmisch-Partenkirchen an Schneekanonen vorbei.
Rodler fahren auf einer Piste in Garmisch-Partenkirchen an Schneekanonen vorbei.  Foto: dpa

Es ist ja nicht so, als wären die weißen Kunstschneebänder ein ungewohntes Bild im Winter. Die Vierschanzentournee zum Beispiel. Bei wie vielen Wettkämpfen der vergangenen Jahre waren Schanze und Schanzenauslauf beschneit. Und auf den Dächern von Innsbruck lag kein Flöckchen.

Die Winter-Tourismusgebiete sind gebeutelt. Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause, in denen nur eingeschränkt Tourismus möglich war, liegen die Hoffnungen auf diesem Winter. Und jetzt das. Von Trübsal möchte man lieber nichts hören. Stattdessen soll dem ski- und schneeentwöhnten Urlauber ein möglichst perfektes Winter-Schneevergnügen präsentiert werden. Doch wie geht das, ohne Schnee?

Was, wenn der Fangzaun nicht hält?

In Garmisch-Partenkirchen kann man nicht verstehen, weshalb man jetzt so verwundert reagiert. "Es gab grundsätzlich immer schon Jahre, an denen keine Abfahrt ins Tal möglich war", sagt Michael Brunner. Der 58-Jährige ist seit mehr als 30 Jahren Skilehrer. Seit zehn Jahren ist er Chef der Skischule Ga-Pa in Garmisch-Partenkirchen. Mitte der 1980er-Jahre sei er selbst einer gewesen, der sich als Skifahrer in die steile Kandahar-Abfahrt hineinstürzte. Der Grund, weshalb der Weltcup abgesagt wurde, sei ja nicht nur gewesen, dass man den Kunstschnee nicht auf die steile Abfahrt aufbringen konnte.

"Wenn man mit 80, 90 oder 100 Stundenkilometer stürzt und aus irgendeinem Grund der Fangzaun nicht hält, kann es sein, dass man auf der Wiese landet statt auf dem Schnee." Wenn berichtet wird, die Kandahar-Abfahrt wird abgesagt, würden die Menschen denken, es liege kein Schnee. Klar, die Klimaerwärmung sei nicht zu leugnen, erklärt er. Er sei früher viel auf Gletschern unterwegs gewesen. Die seien auf jeden Fall kleiner geworden. "Ich lasse mich nicht nervös machen, dass es jetzt jedes Jahr so sein könnte."


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In diesem Winter reagierten Touristen schnell. Das Skigebiet auf der Zugspitze ist bequem von Garmisch aus zu erreichen. Maximal 4500 Menschen lassen die Betreiber der bayrischen Zugspitzbahn auf Deutschlands höchsten Berg. Vergangene Woche war die Zahl an fünf von zehn Tagen erreicht worden, erklärt Klaus Schanda, Leiter Vertrieb und Marketing. "50 Prozent der Gäste kommen nicht zum Skifahren." Winterwanderungen oder ein Besuch des Iglu-Dorfs seien Alternativen. Man dürfe sich da keiner Illusion hingeben, "Man muss die Aktivitäten anpassen."

Karikatur gibt Wirklichkeit wider

Nun hofft die Region auf die nächsten Tage. Schnee ist angesagt. Anders, als vergangene Woche, als sich die Touristen nachmittags in der Hausberghütte neben der Gondelanlage getroffen haben. Am Ausgang der Hütte hängt ein Foto einer Karikatur des österreichischen Künstlers Bruno Haberzettl. Darauf zu sehen sind Skifahrer, die sich dicht an dicht auf einem schmalen Kunstschneeband drängen. Am Pistenrand steht eine Schneekanone. Es sei ein Geschenk gewesen, das er bereits vor zehn Jahren erhalten habe, erklärt Martin Maurer (50), Hausmeister der Hütte. "Den Klimawandel gibt es", sagt er. "Wir müssen es so nehmen, wie es ist."


Klimaentwicklung

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes sind die fünf wärmsten Jahre seit 1881 nach dem Jahr 2000 aufgetreten. Die Temperaturen in Deutschland seien damit deutlich stärker gestiegen als im weltweiten Durchschnitt. Das liege darin begründet, dass sich die Landregionen schneller erwärmten als die Meere. Die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs in Deutschland habe in den vergangenen 50 Jahren deutlich zugenommen. 

 
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