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"Aufregung über Mallorca-Urlauber ist komplett überzogen"

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Die deutsche Auswanderin Heimke Mansfeld lebt seit mehr als 20 Jahren auf der spanischen Insel. Die Not der Menschen dort sei extrem groß, schildert sie. Die Oster-Urlauber seien ein Schritt in Richtung Normalität.

Deutsche Touristen zieht es über Ostern nach Mallorca. Die Insel ist kein Corona-Risikogebiet mehr, die Quarantäne nach der Rückkehr entfällt. Foto: dpa
Deutsche Touristen zieht es über Ostern nach Mallorca. Die Insel ist kein Corona-Risikogebiet mehr, die Quarantäne nach der Rückkehr entfällt. Foto: dpa  Foto: John-Patrick Morarescu

Die Flieger nach Palma de Mallorca sind voll. Viele Deutsche zieht es über Ostern auf ihre Lieblingsinsel. Sie werden begleitet von einer teils emotional geführten Debatte über das Für und Wider der Urlaubsreise. Heimke Mansfeld lebt auf der Insel und ist Vorsitzende des Hilfsvereins Hope, der die Not der Bewohner zu lindern versucht. Ihr zufolge hungern Menschen auf Mallorca. Sie hält Reisen unter Schutzvorkehrungen für möglich.

Frau Mansfeld, was sagen Sie, sollen Urlauber kommen oder lieber wegbleiben?

Heimke Mansfeld: Ich verfolge natürlich die Diskussion und die Presseberichte in Deutschland und muss sagen, die Aufregung über Mallorca-Urlauber ist komplett überzogen.


Warum?

Mansfeld: Es wird so getan, als wäre der Himmel über Palma schwarz vor lauter Flugzeugen, die landen. Darüber sind einige Menschen hier sehr empört. Zu Ostern kommen nie so viele Touristen. Unsere Hauptsaison ist der Sommer. Auf der Insel haben wir etwa 1600 Hotels. Von denen öffnen zu Ostern normalerweise 700 bis 900. Dieses Mal werden nur 98 Hotels Gäste empfangen.


Warum so wenige?

Mansfeld: Die Betreiber können doch rechnen. Es lohnt sich für sie einfach nicht, für wenige Gäste aufzumachen.


Wie ist die Stimmung unter der Bevölkerung?

Mansfeld: Einerseits ist Freude zu spüren, weil mit den Touristen ein Zeichen gesetzt wird, dass es in die richtige Richtung geht. Man bekommt ein Gefühl von Normalität, wenn beispielsweise wieder Gäste in den Restaurants anzutreffen sind. Wobei sich nicht viele auf einmal treffen. Sie sitzen vereinzelt draußen auf der Terrasse und genießen die Wärme.

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Und andererseits?

Mansfeld: Es ist nach wie vor so, dass Spanier vom Festland nicht nach Mallorca kommen dürfen, um ihre Familien zu besuchen. Für die meisten Mallorquiner wird sich trotz Touristen nichts ändern. Die Menschen sind desillusioniert. Es macht sich Unmut breit. Sie verstehen die Corona-Regeln nicht mehr, es ist keine klare Linie zu erkennen. Alle paar Tage ändern sich die Auflagen. Da blickt keiner mehr durch. Wenn ich etwas wissen möchte, rufe ich inzwischen bei der Polizei an und frage: Was darf ich und was nicht?


Wie ist die Corona-Lage vor Ort?

Mansfeld: Unser Inzidenzwert liegt zwischen 22 und 24, ist also deutlich unter dem in Deutschland. Einige Regionen sind seit 14 Tagen Corona-frei.


Welche Auflagen erwarten die Urlauber?

Mansfeld: Es herrscht überall Maskenpflicht und für den Hotelaufenthalt ist ein negativer Test nötig. Ab 17 Uhr sind die Restaurants geschlossen. Das ist aber nicht schlimm. Auch hier ist es um Ostern herum abends noch sehr frisch. Die Corona-Auflagen sind hoch und sie werden ständig kontrolliert.


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Befürchten Mallorquiner, dass Touristen das Infektionsgeschehen anfachen?

Mansfeld: Der Tourismus ist unsere Haupteinnahmequelle. Natürlich befürchten einige, dass wir mit der Oster-Öffnung den Sommertourismus kaputtmachen könnten. Noch so einen Sommer wie im vergangenen Jahr werden die Menschen kaum schaffen.


Wie geht es den Menschen?

Mansfeld: Selbst der Mittelstand kann sich Miete und Lebensmittel nicht mehr leisten. Viele Menschen auf Mallorca leiden jetzt schon Hunger. Die Kinderarmut erreicht das Niveau von Ländern wie Bulgarien oder Rumänien. Unser Hilfsverein Hope Mallorca ist nur einer von vielen auf der Insel und wir allein geben bereits 28.000 Tonnen Lebensmittel im Monat aus. Die Lage ist erschreckend.


Wie sehen Sie angesichts der Lage die Reise-Diskussion in Deutschland?

Mansfeld: Unter Wahrung der Corona-Auflagen kann man reisen. Mit den wenigen, die kommen, ist Tourismus möglich. Das sollte auch in Deutschland möglich sein. Wir schauen in der Pandemie auf die Todesfälle, das ist richtig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass durch die Auflagen Hotels und Gastronomiebetriebe pleitegehen. Da hängen Familien dran. Es geht nicht nur ums Geld. Es werden Lebenswerke zerstört. Ich treffe Menschen, die depressiv geworden sind und sich umbringen möchten. Das kann man nicht wegwischen.

 

Heimke Mansfeld stammt aus Deutschland und lebt seit mehr als 20 Jahren auf Mallorca. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet als Haar- und Make-Up-Stylist. In der Pandemie gründet sie den Hilfsverein Hope Mallorca. Dieser unterhält Ausgabestellen für gespendete Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs. Die Armut nimmt dem Verein zufolge stark zu. Es gibt kaum staatliche Unterstützung.

 
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