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"Wahllos in die Leute gestochen"
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Augenzeuge spricht über Attentat in Solingen: "Das ging alles so unglaublich schnell"

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Drei Menschen hat ein mutmaßlich islamistisch motivierter Attentäter in Solingen erstochen, mehrere verletzt. Die "Heilbronner Stimme" hat mit einem Mann gesprochen, der die Ereignisse aus nächster Nähe verfolgen musste.


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"Es geht einem ständig durch den Kopf", berichtet ein Augenzeuge aus Solingen von den Stunden und dem Tag nach dem Attentat. Und der 61-Jährige hört nicht mehr auf zu erzählen, als müsse er sich die ganze Geschichte von der Seele reden. Namentlich genannt werden möchte er aber nicht.

Er und seine Frau, beide selbst Musiker, hatten sich am Freitag mit Freunden beim Konzert der lokalen Band Suzan Köcher‘s Suprafon verabredet, dem Top-Act dieses ersten Abends des dreitägigen "Festivals der Vielfalt", mit dem das 650-jährige Stadtjubiläum gefeiert werden sollte. Der besseren Akustik wegen hätten sie eine Viertelstunde vor dem Anschlag den Standort gewechselt: "Vorher hatten wir genau da gestanden, wo es passiert ist." 

Augenzeuge spricht über Anschlag in Solingen: "Und dann ging das schlagartig los"

"Wir standen ziemlich zentral, und dann ging das schlagartig los." Zuerst dachte er an eine Prügelei zwischen zwei Gruppen und trat einen Schritt zur Seite: "Dann stürzte auch schon neben uns einer nieder, das war dann wohl der Täter." Der Solinger klingt immer noch fassungslos: "Da war das aber alles schon vorne passiert. Der hatte wahllos in die Leute gestochen und rannte dann weg" - wie ihm erst später klar wurde, "ich habe gar nicht mehr nachvollzogen, wohin genau."


Plötzlich vermisste er seine Frau. Die 58-Jährige war schon, wie sich herausstellte, in einer Traube von Menschen eine nahe gelegene Treppe hinuntergerannt, gemeinsam mit vielen anderen, "weil irgendeiner geschrien hatte: ,Lauf, lauf, lauf'. Irgendeiner hat auch irgendwas von ,Bombe' geschrien."

Eine Frau lag in einer Riesenblutlache: Augenzeuge spricht über Attentat in Solingen

Fast hektisch spricht er weiter: "Das ging so schnell. Unmittelbar neben uns lag dann schon die erste Person in einer Riesenblutlache, an der Bühne deckten sie schon die erste Person ab, und die zweite Person, die wurde auch noch reanimiert. Mein Freund hat auch noch mit reanimiert, aber die drei haben es nicht geschafft."

"Also, bei der einen Frau wusste ich schon, die ist tot. Die lag da in so einer unglaublich großen Pfütze Blut und regte sich nicht mehr." Als er sich an diese Szene erinnert, spricht er langsamer: Er habe noch gesehen, wie ihr das Blut aus dem Hals sprühte und eine Frau versuchte, es abzudrücken. "Sanitäter waren auch sehr schnell da, aber wenn du so eine Halsschlagader-Verletzung hast, dann hast du eine Minute, zwei maximal, dann bist du weg."

Solinger über Messeranschlag: Verletzter Freund überlebte dank Not-OP

Die Sanitäter seien gut durchgekommen, denn die Leute seien schnell strahlenförmig weggelaufen, tatsächlich so, als sei eine Bombe in der Mitte gezündet worden. Er und seine zwei Freunde seien erst einmal stehengeblieben, um die Lage zu sondieren. Ein befreundeter Musiker habe sich in dem Chaos verletzt in eine nahegelegene Pizzeria geflüchtet, der sei dann verletzt nach Wuppertal direkt in den OP gekommen und hätte überlebt. 

Als sich die Freunde nach einer Weile alle wiederfanden, haben sie den Ort des Geschehens gemeinsam verlassen: "Das war ganz gruselig, wie wir uns da rausgeschlichen haben. Wir sind wie so eine Traube zusammen im Verbund gegangen, und jeder hatte in eine andere Richtung geguckt, ob da irgendjemand noch aus einer Hausnische  kommt und dich von der Seite attackiert. Das war ein ganz komisches Gefühl."

Philipp Müller, Hauptorganisator der Jubiläums-Feier von Solingen, stellt im Gedenken an die Opfer eine Kerze auf.
Philipp Müller, Hauptorganisator der Jubiläums-Feier von Solingen, stellt im Gedenken an die Opfer eine Kerze auf.  Foto: Thomas Banneyer

Auch am Samstag habe in der ganzen Stadt, in allen weit entfernt voneinander liegenden Stadtteilen, Totenstille geherrscht. 

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