Temprano-Olivenöl steht in Jaén fast überall auf dem Tisch. Gereicht wird dazu Pan de Pueblo, Sauerteigbrot. So beginnt das Essen in der Cantina la Estación in Úbeda. Hübsch: Sie ist wie ein Speisewagen eingerichtet. La Barbería in Baeza setzt Olivenöl vielfältig ein, serviert werden verschiedenste Tapas wie Oktopus. Picualia bietet Führungen mit Öl-Verkostung an. Das hauseigene Restaurant wurde 2024 im Guide Michelin erwähnt.
Worauf es beim Olivenöl ankommt
In Jaén werden Olivenöle der Extraklasse hergestellt. Wie die Frucht in die Flasche kommt, worauf man achten muss und warum junge Früchte am besten schmecken.

Bis auf die vorbeirauschenden Autos ist es ruhig, wo sonst reger Betrieb herrscht. Das Gelände der Ölmühle Picualia ist menschenleer, die Maschinen stehen still. Denn Oliven werden nur von Oktober bis Februar geerntet. In dieser Zeit fahren von morgens bis abends Lastwagen vor und laden Früchte ab. Die Laderampe erinnert an eine Tankstelle, bei der es 16 Spuren gibt, in denen abgeladen werden kann.
Picualia ist kein alteingesessener Betrieb, sondern eine Genossenschaft. Vier Mühlen gab es in Bailén in der südspanischen Region Jaén. 2009 entschieden sich zwei davon zu fusionieren und eine neue Ölfabrik direkt an der Autobahn zu bauen. „Sie sollte leicht erreichbar und sichtbar sein“, sagt Pilar Gutiérrez Rodríguez. Die 27-Jährige leitet den Olivenöl-Tourismus im Unternehmen. Der Name kommt von der Picual-Olive, die am häufigsten angebaut wird.
Auf dem Olivenöl-Markt ist Jaén ein Schwergewicht. Ein Viertel des weltweiten Olivenöls wird hier hergestellt, die Region produziert mehr als Italien in einem Jahr. Die Italiener kaufen das spanische Öl sogar und vermarkten es als ihr eigenes. Rund 66 Millionen Bäume in Jaén tragen die begehrte Frucht. Das ist nicht zu übersehen, überall wachsen die Bäume mit den knorrigen Stämmen und schlanken Blättern. Sie können hunderte oder sogar tausende Jahre alt werden, in der Landwirtschaft werden sie aber nach 20 Jahren ausgetauscht.

„Temprano“: Warum die edelsten Öle aus Oktober-Oliven entstehen
Für Besucher erklärt Gutiérrez Rodríguez erst die Grundlagen. „Im Oktober ernten wir die grüne Frucht.“ Dabei werden die Bäume mit einem Traktor geschüttelt, die Früchte fallen auf eine Plane. Aus Oktober-Oliven werden die hochwertigsten Öle mit dem Zusatz „temprano“ („früh“). Im November werden die Früchte grün-violett, sind bitterer und liefern mehr Öl. Im Dezember ist es noch mehr, die Qualität dafür etwas niedriger.
Etwa 1000 Landwirte aus der Region liefern die Oliven an, darunter große und kleine Betriebe. Zweige werden ausgesiebt, die Früchte gewaschen, dann laufen sie über Förderbänder in die Fabrik. Dort wird mit Zentrifugen sofort das Öl herausgeschleudert. „Olivenöl wird nicht gepresst, sondern extrahiert“, betont die Expertin.

Nach etwa 45 Minuten ist der Prozess durch, das Produkt aber noch nicht fertig. Pilar Gutiérrez Rodríguez führt in einen Raum mit zwölf Tanks. Hier wird das Öl gefiltert, bevor es gelagert wird. Denn Oliven nehmen Schaden durch Luft und Licht, weshalb Fruchtbestandteile dafür sorgen würden, dass das Öl ranzig wird.
Anschließend wird das Öl in riesigen Tanks gelagert. Je nach Bedarf wird in kleinen Chargen in Flaschen (edel) und Fünf-Liter-Kanister (Hausgebrauch) abgefüllt. Bis zur nächsten Ernte will Picualia das Olivenöl verkaufen, es ist also selten mehr als ein Jahr alt. „Wir versuchen, das zu vermeiden.“
Fruchtig, bitter und scharf muss Olivenöl schmecken
Aber wie schmeckt es denn nun? Pilar Gutiérrez Rodríguez füllt einen Schluck Öl in ein blaues Gefäß, das Tester nutzen. „Farbe ist kein Anzeichen von Qualität“, erklärt sie. Dann wärmt sie den Inhalt mit ihrer Hand und nimmt den den Duft auf. Es riecht intensiv grasig, nach Tomaten und natürlich Oliven.
Noch besser der Geschmack: erst mild auf der Zunge, dann bitter, zum Schluss leicht scharf im Hals. Und so muss es schmecken, erklärt die Expertin. „Ein extra-natives Olivenöl hat niemals Fehltöne.“ Öl mit falschen Geschmacksnoten wird hier „Lampante“ genannt, Lampenöl. Dieses verkauft Picualia an Raffinerien, die es weiterverarbeiten.

23 Millionen Kilogramm Oliven hat die Ölmühle diese Saison verarbeitet und daraus drei Millionen Kilo Olivenöl gemacht, weniger als geplant. Die Ernte werde extrem vom Wetter beeinflusst, sagt Gutiérrez Rodríguez. Der Olivenbaum gibt sich eigentlich mit Regen im Winter und nicht zu heißen Sommern zufrieden, doch der Klimawandel bringt das durcheinander. Deshalb setzt man seit Jahren auf die robustere Arbequina-Olive. Doch ihr Öl verliert das Aroma nach einer gewissen Lagerung. „Wir versuchen, es gut zu machen“, sagt Gutiérrez Rodríguez. „Manche Menschen fürchten, dass wir damit unsere Kultur verlieren.“

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