Crans-Montana im Schweizer Wallis: Große Architektur vor Alpenkulisse
Der Ort steht für Naturschönheit, Sport und die Eleganz der 1960er- und 70er-Jahre. Doch das architektonische Erbe dieser Zeit ist in Gefahr. Ein Mann zeigt, wie Erhalt und Umnutzung funktionieren.

Crans-Montana in der französischen Schweiz war in den 1960er- und 70er-Jahren Ski-Ressort für den internationalen Jet-Set. Hier lernten Stars wie Jackie Kennedy und Jean-Paul Belmondo Skifahren und feierten ausgelassene Partys. Das dokumentieren zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos, die Historikerin Sylvie Doriot Galofaro zusammengetragen und an mehreren Orten in Crans-Montana ausgestellt hat.
Eine der Fotosammlungen befindet sich in einem Nebenraum des Grand Hotel du Parc, einem eleganten modernistischen Gebäude im historischen Zentrum. Hier wurde 1892 das erste Hotel im Ort gebaut, der Tourismus im damals noch unabhängigen Montana begann. Aus heutiger Sicht unvorstellbar wurden Touristen und Tuberkulosekranke, die zur Erholung in die Schweizer Alpen kamen, gemeinsam untergebracht. Das führte jedoch schnell zu Konflikten, so dass 1899 schließlich das erste Sanatorium für Lungenkranke eröffnet wurde.

Crans-Montana: Wo das Hotel du Parc steht, begann der Tourismus
1961 wurde das ursprüngliche Parkhotel überbaut – heute kommt die Hülle immer noch tadellos daher, ein klassischer modernistischer Bau, der filigran über dem Ort thront. Von hier aus hat man beste Sicht auf die Walliser Alpen und den kleinen See im Zentrum. Im Inneren ist das Gebäude jedoch in die Jahre gekommen, gleicht mehr einem lange nicht überholten Museum denn einer modernen Herberge.
Wie es langfristig weitergeht mit dem Hotel, das für ein bedeutendes Stück Ortsgeschichte steht, ist unklar. Die Besitzerin ist im Rentenalter, Spekulanten haben laut Doriot Galofaro einen Blick auf das Grundstück in 1A-Lage geworfen. Damit steht das Hotel du Parc stellvertretend für eine Reihe von charakteristischen Gebäuden. Sie sind vom Abriss bedroht, denn neue, ausladende Chalets, wie man sie zuhauf im Alpenraum findet, versprechen mehr Platz für Touristen und damit mehr Gewinn. Der historische und ästhetische Wert moderner Architektur werde vielfach verkannt, sagt Sylvie Doriot Galofaro. So drohen mit den eleganten Bauten aus vergangenen Zeiten auch reiche Erinnerungen zu verschwinden.

Tour von Super-Crans: Hochhaus sorgt für Kontroversen
Zu den Schmuckstücken dieser Zeit zählt der Wohnturm Super-Crans. Erbaut wurde er 1964 bis 1968 vom Architekten Jean-Marie Ellenberger, einem Bewunderer des weltbekannten schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier. Ellenberger bekam Ende der 1950er-Jahre den Auftrag, 70 Chalets auf einer grünen Anhöhe bei Crans-Montana zu bauen. Seine Lösung: ein Hochhaus, denn er wollte möglichst wenig Fläche verbrauchen und die Natur schonen. Eine Einstellung, die zu dieser Zeit, als das Wort Umweltschutz noch nicht erfunden war, revolutionär gewesen sein muss – genauso wie das Wohnkonzept. Im Tour von Super-Crans gibt es üppige Gemeinschaftsbereiche, in denen sich die Bewohner treffen können: ein Restaurant, eine Rooftop-Bar, eine große Empfangshalle, einen 25-Meter-Pool und eine Rasenfläche zum Sonnenbaden.
In einem Fachjournal heißt es: „Der Turm ist ein wichtiger Meilenstein in der Tourismus- und Architekturgeschichte des Wallis. Er wird in Bau- und Architekturkreisen als seltenes und außergewöhnliches Objekt anerkannt.“ Das liegt auch an der Ähnlichkeit mit Ikonen der Architekturgeschichte: den fächerförmigen Wohnhochhäusern des finnischen Stararchitekten Alvar Aalto, etwa im Bremer Stadtteil Vahr (1959 bis 1961). Bis heute ist das Anwesen sehr gepflegt, einige der 4-Zimmer-Wohnungen sollen für Beträge um die zwei Millionen Franken zum Verkauf angeboten werden.

Streit um Schutzstatus für charakteristisches Gebäude
Doch selbst das Super-Crans hat einen schweren Stand: Kritiker finden, das weithin sichtbare Hochhaus passe nicht in die Landschaft. So hatte der Walliser Staatsrat einen Schutzstatus zunächst abgelehnt. Diese Entscheidung kippte ein Gericht kurze Zeit später und beauftragte die Behörde, sich erneut mit dem Super-Crans zu befassen, das Gebäude sei ein „Denkmal von kantonaler Bedeutung“.

Hotel Chetzeron war früher Bergstation der Gondel
Einer, der sich nicht zufrieden geben wollte mit dem Zyklus aus Abbruch und Neubau ist der Hotelier und Gastronom Sami Lamaa. Er hat eine Bergstation aus dem Jahre 1964, der 2004 der Abriss drohte, vor diesem Ende bewahrt. „Ich wollte den Geist des Ortes erhalten“, sagt er. Das ist ihm trefflich gelungen. Die Station auf 2112 Metern über dem Ort heißt inzwischen Chetzeron und ist ein schickes Hotel „mit klarem Design und alpiner Einfachheit“, wie es im Internet heißt. Es schmiegt sich an den Berg und verschmilzt beinahe mit der Landschaft. Sami Lamaa hat die Struktur des Ursprungsgebäudes bewahrt. Lediglich die Fläche, auf der Pistenfahzeuge parkten, sei zusätzlich überbaut worden, sagt er.
So ist deutlich die große Öffnung für die Bergbahnen zur Hangseite hin erkennbar, hier sind nun auf zwei Ebenen die großzügige Empfangshalle mit schicker Bar und der Frühstückraum mit Panaromablick auf die Walliser Alpen angeordnet. Für die Außenfassade hat Lamaa Steine aus einem Steinbruch am Hausberg verwendet, im Restaurant gibt es Käse von der nahe Käserei. Gekocht wird mit Obst, Gemüse und Kräutern aus der Region, und beim Frühstück gibt es selbst gemachte Marmeladen, Smoothies und was das Land sonst noch zu bieten hat, durchweg unverpackt.
Hotel Chetzeron: Nachhaltigkeit und die Natur stehen im Mittelpunkt
Sami Lamaa liebt die Natur, das merkt man, wenn man mit ihm zu einem seiner morgendlichen Barfußspaziergänge aufbricht, die er gelegentlich für Gäste anbietet. Er will einen Beitrag dazu leisten, dass sie erhalten bleibt. So hat er Photovoltaik aufs Dach gepackt, erzählt, dass das Haus aufgrund der dicken Wände im Winter nahezu ohne Heizung auskomme – die Sonne wärme die Räume über die großen Fensterfronten auf. Das Wasser kommt über die Versorgungsleitungen für die Beschneiungsanlagen aus dem nahen Stausee. Nur der Pool, der brauche viel Energie, sagt Lamaa. „Aber ohne geht es nicht, die Gäste wollen das.“ „Alle haben gedacht, ich bin verrückt“, sagt er über sein Projekt. Doch der Erfolg gibt ihm Recht. Zimmer im Chetzeron sind schwer zu ergattern, das Restaurant mit feinen Schweizer Weinen und wechselndem typischen Essen, wie Raclette oder Rösti, ist mittags wie abends gut gefüllt.

Grand-Hotel Carlton in Gefahr? Charlie Chaplin war hier zu Gast
Zurück im Dorf wünscht sich Sylvie Doriot Galofaro eine ähnliche Erfolgsgeschichte für andere charakteristische Gebäude – wie das Hotel Carlton. Ein Anbieter für Sportreisen hat es bis vor wenigen Jahren betrieben, jetzt wartet das Anwesen von 1930 auf denkmalgerechte Sanierung und Anschlussnutzung. Die Historikerin fürchtet, dass auch das Carlton bald verschwinden könnte. Dabei steht auch dieses ehemalige Grand-Hotel für ein bedeutendes Stück Geschichte. Erbaut wurde es 1928 bis 1929 vom bekannten Schweizer Architekten Markus Burgener. Er war vom Bauhaus beeinflusst und gilt als maßgeblicher Gestalter der Moderne in der Schweizer Architektur. Der wohl prominenteste Gast des Hauses: Charlie Chaplin. Er logierte hier von Dezember 1969 bis 5. Januar 1970.