Kinder mit der Katastrophe nicht allein lassen
Backwoche im Kindergarten Adelshofen soll Flutopfern und den Kleinen vor Ort bei der Verarbeitung der Schreckensbilder helfen
"Wer praktisch helfen kann, fühlt sich nicht so hilflos und ohnmächtig", erklärt Marina Weinert, die Leiterin der Einrichtung. Das gilt für Erwachsene wie auch für Kinder.
Die Flut in Südostasien beschäftigt die Kleinen vor Ort. Die Erfahrung machen Marina Weinert und ihre Kolleginnen. Morgens im Stuhlkreis sprechen die Mädchen und Jungen das Thema an. Für die Leiterin besteht kein Zweifel: "Die Eindrücke und Bilder müssen verarbeitet werden." In vielen Elternhäusern sitzen Kinder allein vorm Fernseher. Diese allgemein gesellschaftliche Entwicklung gehört laut Weinert in den meisten Familien in Adelshofen keineswegs zur gängigen Praxis. Dennoch sei es auch Aufgabe von Kindergärten und Schulen, Kindern beim Umgang mit Katastrophen und Gewalt zu helfen.
Fehlt es den Kleinen an Verarbeitungsmöglichkeiten, auch beispielsweise von Gewaltszenen im Fernsehen oder Computer, stellt Weinert das rasch fest. Es zeigt sich im Spielverhalten. "Auch das ist vereinzelt zu beobachten."
Kinder sehen die Bilder der Flut. Wie sollen sich Erwachsene verhalten? Weinerts Tipp: Die Kinder vor allen Dingen nicht allein lassen. Es sei fast unmöglich, die Fotos der Flut von den Kleinen fern zu halten. Wichtig sei daher, mit ihnen darüber zu sprechen.
Aus der Rede entwickelt sich im Kindergarten Adelshofen die Aktion Backwoche. Sechs Erzieherinnen mitsamt Praktikantinnen kümmern sich um rund 70 Mädchen und Jungen. Jetzt backen sie auf Teufel komm raus. Am Ende steht am Freitag der Verkauf von etwa 20 Kuchen und 100 Schinkenhörnchen.
Gestern Morgen hält der vierjährige Lukas Mühling den Mixer in der Hand. Neben ihm steht Nico Deusch und schaut, dass auch alles richtig läuft. Eine Linzertorte ist bereits im Ofen. Eine andere steht fix und fertig auf dem Tisch. "Die kann man aufheben", erklärt Erzieherin Jutta Schnerr die Kuchenauswahl. Frage an die beiden Vierjährigen: Für wen macht ihr das? "Für die Mamas und Papas", sagt Lukas Mühling bestimmt. Er überlegt und ergänzt: "Und für die armen Leute von der Welle." Freund Nico weiß Bescheid: "Da sind ein paar tot geworden, das Haus war kaputt." Für die beiden steht fest: "Denen muss man Geld geben und Essen und Trinken und das Haus bauen."
Jetzt streichen Nico und Lukas den Rührteig in der Form glatt. Nico kennt sich aus. Er backt oft - "zu Hause mit der Oma". Bei Großeltern und Eltern findet die Aktion ein positives Echo. Sie geben den Sprösslingen Butter und Zucker mit. Geplant war, dass die Erzieherinnen die Zutaten privat spenden. "Das Besondere ist", erklärt Weinert, "dass sich hier kleine Menschen von drei bis sechs Jahren engagieren und etwas für andere machen." Und Sozialverhalten, so die Leiterin, sei ein Schwerpunkt ihrer Arbeit.



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