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Der Bikini feiert 75. Geburtstag

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Von den Anfängen im Pariser Molitor, wo die Nackttänzerin Micheline Bernardini am 5. Juli 1946 einen von Louis Réard entworfenen nabelfreien Zweiteiler präsentierte, bis zum Bikini für Männer hat sich viel verändert. Altmodisch geworden ist der Bikini in all den Jahren aber keineswegs.

 Foto: dpa

Kein Kleidungsstück hat kurz nach dem zweiten großen Krieg, als die Welt in Trümmern lag, mehr Aufsehen erregt als der Bikini. An keinem Kleidungsstück lassen sich gesellschaftspolitische Entwicklung und Zeitgeist so gut ablesen.

An diesem 5. Juli feiert der Zweiteiler, der mal mehr und mal weniger bedeckt, Jubiläum. Denn auf den Tag genau vor 75 Jahren, am 5. Juli 1946, präsentierte der gelernte Maschinenbauingenieur und Designer Louis Réard im Pariser Schwimmbad Molitor einen nabelfreien und für die damaligen Verhältnisse natürlich viel zu knappen Zweiteiler.

Nach einem Atoll benannt

Der Bikini schlug buchstäblich ein wie eine Bombe, denn Réard benannte die beiden Stoffteile nach dem Atoll, das nur wenige Tage zuvor durch die Atombomben-Versuche der Amerikaner in die Schlagzeilen geraten war. Unübersetzt ging das Wort "Bikini" um die Welt. Louis Réard war seiner Zeit allerdings voraus. Erst als die schweizer Schauspielerin Ursula Andress als Bond-Girl in einem hellen Zweiteiler, mit Messer am Gürtel und zwei Muscheln in den Händen, aus dem Meer stieg, begann der Siegeszug des Bikinis und seine Akzeptanz wuchs.


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75 Jahre später widmet sich das Bikiniartmuseum in Bad Rappenau-Bonfeld ausschließlich diesem Thema und zeichnet einen Designer aus, der Zweiteiler für Männer auf den Markt bringt. "Der Bikini", sagt Ursula Templin, ehemalige Designerin von Triumph International, "stößt an die Grenzen des Möglichen." Für Maximilian Lang, den jungen Leiter des Museums, ist die Entwicklung nachvollziehbar: von den Anfängen im Molitor über skandalumwitterte Fotos von Brigitte Bardot, Marilyn Monroe oder Raquel Welch, bis hin zu einem Kleidungsstück für alle, und zwar egal welchen Alters, welcher Figur und welchen Geschlechts.

Seit der Vorstellung des Bikinis 1946 sei gesellschaftspolitisch einfach viel passiert, sagt der CEO: "von der schleichenden Emanzipation der Frau bis zu aktuellen Themen wie Gender Equality und Diversity". Obwohl das Thema locker sei, mit Urlaub in Verbindung gebracht werde und für Lebensfreude stehe, sollten die Leute beim Besuch des Museums nicht nur schmunzeln, so Lang. Zu seinem Team gehören Historikerinnen und Kulturwissenschaftler. Die Bonfelder wollen auch eine seriöse Anlaufstelle sein für alle, die sich dem Bikini wissenschaftlich oder journalistisch nähern. Sie arbeiten Geschichte und Geschichten auf, archivieren unzählige Kollektionen, informieren in wechselnden Ausstellungen, bilden weiter und spezialisieren sich immer mehr.


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Weltweites Netz gespannt

 Foto: siehe dateiname

Das Netzwerk hinter den Kulissen ist groß. Pläne, Teile der Ausstellung auszuleihen, gibt es. Interessenten auch. "Wir sehen uns in der Pflicht", sagt Maximilian Lang, "eine überregionale Plattform zu bieten, und damit etwas für die Branche zu tun." Das Thema ist vielfältiger, als es auf den ersten Blick erscheint. Es lebt nicht nur von seiner Historie oder davon, wie man diese deutet. Es lebt vor allem vom Zeitgeist.

Hinter dem Bikiniartmuseum steht der Autohof-Besitzer Alexander Ruscheinsky aus Regensburg und ein junges, begeisterungsfähiges Team, dem laut Maximilian Lang die Ideen noch lange nicht ausgehen werden: "Wir sind auch bemüht, auf die Schulen zuzugehen. Wir glauben, dass wir ein interessanter Ausflugsort sind", sagt er.

Vor exakt einem Jahr, als das Gebäude an der A6 eröffnet wurde, wurde auch der Janara-Swimwear-Award geboren. Er zeichnet Bademodenhersteller für deren Kollektionen aus. Eine Jury aus Fachleuten, zu denen auch die französische Réard-Biografin Ghislaine Rayer gehört, schlägt Kandidaten vor. Zwischenzeitlich hätten sich aber auch Firmen von sich aus beworben, sagt Maximilian Lang, und wertet das als Indiz dafür, dass das Bikiniartmuseum mit seinen Aktivitäten in der Branche wahrgenommen wird.

Mit dem heutigen Tag nun wurde das Ergebnis des 2. Janara-Awards bekannt gegeben. Zu den Gewinnern zählen das amerikanisch-türkische Label "Lily & Rose", das brasilianische Label "Blueman" die deutschen Hersteller "Prachtstück" und "Anita" sowie die Libanesin Léa Daaboul. In der Kategorie "Extravagant und Provocative" setzte sich Fernando Cozendey durch.


Mode als politisches Statement

Seine Kreationen verfolgen laut Jury politische Ziele. Cozendey verwischt Geschlechtergrenzen: "Dass der Zweiteiler 75 Jahre nach seiner Geburt nicht mehr nur Frauen vorbehalten ist, markiert den Beginn eines geschlechtsegalitären Zeitalters", heißt es in der Begründung. "Bademode ist so viel mehr als ein Stück Stoff", sagt Lilian Pacce, Mode-Journalistin aus Sao Paulo: "Sie dient jeder Generation als Kommunikationsmedium." Dem schließt sich Maximilian Lang an: "Die Welt ist bunt", sagt er. Und es sei wichtig, dass man das diskutiere, denn "jeder sollte dafür stehen dürfen, wofür er geboren ist." Natürlich, gibt auch Lang zu, trägt Mann so einen Bikini eher an der Copacabana als im Bad Rappenauer Freibad. Die Brasilianer hätten ein anderes Körpergefühl als die Europäer.

Ein bisschen was von der Leichtigkeit Brasiliens ist in den Räumen des Bikiniartmuseums zu spüren. Viele Besucher seien überrascht, sagt Lang - von der Größe der Ausstellung und von den vielen unterschiedlichen Facetten, die das Thema zu bieten habe. "Wir sind überzeugt von dem Thema", fügt der Betriebsleiter nach diesem ersten Jahr in Bonfeld hinzu, "und wir wissen, dass es funktioniert". Trotz Corona. Die Schließung seit November habe man für die Weiterentwicklung genutzt.

Nun aber habe der reguläre Betrieb des Bad Rappenauer Museums Priorität. Kehrt die Welt zur Normalität zurück, wird der Janara-Award dort im Rahmen einer Gala verliehen. Bis dahin gibt es die Auszeichnung per Post.

 

Kulturabendfestival

Am 24. Juli 2021 findet ab 17 Uhr im Kunstgarten des Bikiniartmuseums das erste Kulturabendfestival statt. Highlights sind der Einzug der David-Hasselhoff-Badehose, die Präsentation des ersten Bikinis für Männer sowie die skandalöse Fotografie „Raquel Welch on the Cross“.  Außerdem finden Sonderführungen zum Bikini statt. Tickets sind für 19 € erhältlich, inkl. einer Museumstour, zwei Getränken und einem französischen Flammkuchen. 

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