Weinbau im Kraichgau: Aus sauren Plörren wurden edle Tropfen
Daniel Deckers skizziert die Historie des Weinbaus im Kraichgau. Anlass ist das 770-jährige Jubiläum des Guts Burg Ravensburg. Welche Rebsorten sich bis heute gehalten haben:

Wer der Überzeugung ist, die Römer hätten den Weinbau in den Kraichgau gebracht, täuscht sich womöglich. Es waren die Menschen, die die Klöster und deren landwirtschaftliche Domänen im Rhein- und Neckarraum bewirtschafteten. Dies ist einer der zahlreichen Fakten über den Weinbau, die der Journalist und Weinhistoriker Daniel Deckers in Sulzfeld vortrug. Deckers Referat vollzog sich vor der imposanten Kulisse der Ravensburg. Das gleichnamige Weingut feiert dieser Tage sein 770-jähriges Bestehen. Es ist damit eines der ältesten Weingüter in Deutschland.
Weinanbau hat in Sulzfeld laut Deckers indes schon seit 800 Jahren Tradition. Erstmals sei er 1221 urkundlich erwähnt worden. Als 1251 der Weinhandel eines Göler zu Ravensburg erstmals in den Klosterurkunden auftaucht, dürfte es sich weit mehr als nur um "genießbar gemachtes Wasser" gehandelt haben, vermutet Deckers. Denn wer wäre schon bereit, einer solchen Plörre die Dignität einer Handelsware angedeihen zu lassen? Heute können es die hiesigen Weine in Deckers Urteil locker aufnehmen mit ihren edlen Geschwistern aus Burgund.
Warum Weinbau im Kraichgau ein Paradox ist

Der Weg dorthin war bitter und steinig. "Weinanbau im Kraichgau hat nichts mit Romantik zu tun, das ist eine Geschichte wiederholten Scheiterns" sagt Deckers, wohlkalkulierend, dass der Geschäftsführer des Jubiläumsweinguts, Claus Burmeister, humorvoll dazwischengrätscht: "Das schreiben Sie aber bitte nicht in der Zeitung!"
Deckers beschreibt den Weinbau in der Region als ein Paradox. Schließlich sei die Weinrebe vor 800 Jahren alles andere als Garantin des wirtschaftlichen Erfolgs gewesen. Die Böden aber zählen zu den besten in ganz Deutschland. Mit Hafer oder Tabak hätte eine viel höhere Wertschöpfung erzielt werden können. Die Antwort liefern laut Deckers wieder die Nonnen und Mönche. Im Mittelalter habe man Wein für medizinische und religiöse Zwecke benötigt. Außerdem böten sich die Steillagen des Hügellandes für konventionellen Ackerbau kaum an.
Wann der Qualitätsanbau begann
Die jahrzehntelangen Franzosenkriege haben den Weinbau immer wieder zurückgeworfen, bis es mit dem Bau der Eppinger Linien gelang, den Kraichgau als Durchzugsregion plündernder und brandschatzender Horden abzuriegeln.
Den Durchbruch brachte der Qualitätsanbau, der genau vor 200 Jahren begann. Der damalige Rentamtsmeister habe auf Burgunder, Traminer und Riesling gesetzt: "Das sind anspruchsvolle Weine, die eine Toplage erfordern." Die höheren Südlagen des Kraichgau-Hügellandes böten klimatische Bedingungen, die "vielleicht besser als die klassischen Toplagen" seien, so der Experte.
Warum sich ein Festhalten an alten Sorten lohnt
Erst in den 60er Jahren beginnt der Aufstieg der badischen Weine, die alsbald mit dem Werbeslogan "Von der Sonne verwöhnt" geadelt werden. Vielerorts setzen die Weinbauern auf massentaugliche Weine. Erst der Glykolskandal im Jahr 1985 setzt dem quantitativen Wachstum ein Ende. "Da kam die Stunde der Individualisten", so Deckers. Im Weingut Burg Ravensburg zahlte sich in den Folgejahren aus, dass das Gut seit 1821 "stoisch" an den Rebsorten Burgunder und Riesling festgehalten habe, so der Weinhistoriker.
Dass das Einzugsgebiet des Weinguts Burg Ravensburg eine Toplage ist, verspricht Geschäftsführer Claus Burmeister. Zum Jubiläum präsentiert er einen 2011erRiesling der Lage "Husarenkappe" sowie einen 2011er Lemberger der Lage "Dicker Franz". Die Tropfen sind auf je 2000 Flaschen limitiert.
Markante Namen
Das Weingut Burg Ravensburg wurde seit der Ersterwähnung bis 2009 kontinuierlich von dem Adelsgeschlecht der Gölers verwaltet. 2009 übernimmt der Unternehmer Heinz Heiler das Weingut Heitlinger in Östringen, Claus Burmeister wird Geschäftsführer des Weinguts und übernimmt zusätzlich die Geschäfte des Weinguts Burg Ravensburg. Dieses kann Heiler 2010 erwerben, so dass ab diesem Datum beide Weingüter einheitlich geführt werden, dabei aber weinrechtlich selbstständig bleiben. Die Lagen des Guts Burg Ravensburg heißen "Dicker Franz", "Husarenkappe", "Kapellenberg" und "Löchle".