Olaf Scholz hält "Jahrhundertrede" für Reinhold Würth zu dessen 75 Jahren Arbeit
Bundeskanzler Olaf Scholz würdigt das Arbeitsjubiläum von Reinhold Würth. Der Künzelsauer Vorzeigeunternehmer gerät beim Festakt im Carmen-Würth-Forum vor Rührung "etwas aus der Fassung".
Es ist eine Karriere, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Reinhold Würth feiert am Dienstag sein 75. Arbeitsjubiläum. Zum großen Festakt im Künzelsauer Carmen-Würth-Forum kommen am Dienstagnachmittag rund 400 geladene Gäste, um die außergewöhnliche Leistung des 89-jährigen Unternehmers zu würdigen. Der stimmungsvolle und unterhaltsame Abend wurde musikalisch von der Gaechinger Cantorey der internationalen Bachakademie Stuttgart und den Würth Philharmonikern umrahmt.
Als Festredner ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ins Hohenlohische gereist. Gemeinsam mit Reinhold Würth kommt er in einem Golf-Caddy in die Logistikhalle am Würth-Hauptsitz in Gaisbach gefahren und stellt sich dort den Fragen von jungen Mitarbeitern und Auszubildenden – unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter strengsten Sicherheitsbestimmungen.
Bei Laudatio auf Reinhold Würth im Carmen-Würth-Forum glänzt Olaf Scholz mit Details
Bei seiner Laudatio im Carmen-Würth-Forum glänzt der Kanzler mit Details aus Würths langem, „außergewöhnlichen“ Arbeitsleben und charakterisiert ihn als Mann, der viele gegensätzliche Attribute in sich vereint: Würth sei ein innovativer Traditionalist und ein traditionsbewusster Erneuerer, ein heimatverbundener Weltbürger, ernst und humorvoll, sparsam und lebensfroh, streng und barmherzig.
Er fordere von seinen Mitarbeitern Anstrengungen, die er aber großzügig belohne. Und Scholz zitiert Würth mit dem Spruch, dass Arroganz der Tod jeder geschäftlichen und zwischenmenschlichen Beziehung sei. Besonders dankt Scholz dem Jubilar für seinen unermüdlichen Kampf gegen Rechtsextremismus, der Aufgabe aller Bürger sei.
Topmanager blicken in Künzelsau launig ins lange Arbeitsleben von Reinhold Würth zurück
Zuvor blicken die langjährigen Würth-Topmanager Robert Friedmann, Sprecher der Konzernführung der Würth-Gruppe, und Norbert Heckmann, Sprecher der Geschäftsführung der Adolf Würth GmbH & Co KG, launig ins lange Arbeitsleben von Reinhold Würth zurück. Sie erinnern nicht nur an die Anfänge von Reinhold Würth im Unternehmen, der als 16-jähriger Lehrling alleine nach Düsseldorf und Köln fuhr, um Aufträge für die väterliche Schraubengroßhandlung in Künzelsau an Land zu ziehen – was dem Lehrling sehr gut gelang.
Friedmann und Heckmann loben auch die Weitsicht des Visionärs Reinhold Würth, der „immer zehn Jahre weiter war als der Rest der Welt“, wie Friedmann es formuliert. So hatte Würth schon in den 1970er Jahren die zentrale Bedeutung von Computern für den künftigen Erfolg des Unternehmens erkannt, und auch heute stehen für Reinhold Würth die Themen E-Business, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz ganz oben auf der Agenda.
Reinhold Würth formte aus Zwei-Mann-Betrieb Weltmarktführer für Montage- und Befestigungstechnik
Von der Bedeutung der Firma in der Familie wissen auch die Enkel Benjamin, Sebastian und Maria zu berichten, während Würths Tochter Bettina den Festtag krankheitsbedingt verpasst. Die Firma habe immer am Frühstücks- und am Abendbrottisch gesessen, lassen die drei Enkel die Gäste wissen. Selbst im Urlaub war es Reinhold Würth immer wichtig, die jeweiligen Würth-Landesgesellschaften zu besuchen.
So ist das eben, wenn einem die Arbeit mehr Hobby als Pflicht ist, wie es Reinhold Würth stets betont. Das Ergebnis: Aus dem Zwei-Mann-Betrieb hat er den Weltmarktführer für Montage- und Befestigungstechnik geformt, der mit 88.000 Mitarbeitern in mehr 80 Ländern einen Umsatz von 20,4 Milliarden Euro und ein Betriebsergebnis von 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Geehrter Würth gerät nach Rede von Bundeskanzler Scholz in Künzelsau "aus der Fassung"
Der Geehrte selbst ist nach all den freundlichen Worten und der „Jahrhundertrede“ des Bundeskanzlers „etwas aus der Fassung“, wie Würth auf der Bühne einräumt. Beschämt sei er, dass sich der Kanzler trotz der unzähligen Aufgaben, um die er sich kümmern müsse, so mit seiner Person beschäftigt habe.
„Das war ich nicht wert“, sagt Würth in seiner typisch bescheidenen Art. Und, ebenso typisch für seinen Humor, entschuldigt er sich bei den 400 Gästen, dass er ihnen mit dieser Veranstaltung einen halben bis ganzen Arbeitstag gestohlen habe und verweist auf den volkswirtschaftlichen Schaden, der in die Millionen gehe.
Reinhold Würth verkündet auf Festakt: Gebe Vorsitz an Enkel Benjamin ab
Da ist er wieder, der „Irre, der 75 Jahre arbeitet“, wie Würth über sich selbst flachst. Doch das war keine Strafe. „99 Prozent der Tage bin ich mit Freude an die Arbeit gegangen“, sagt er. Er sei immer neugierig gewesen, wollte zupacken, gestalten. Und auch wenn der Kanzler der Meinung ist, dass Würths Arbeitsleben noch lange nicht zu Ende ist, zeigt sich der 89-Jährige realistisch. „Es war ein glückliches Leben, wenn ich zurückschaue“, sagt er und dankt vor allem seiner Frau Carmen, dem Zentralpunkt der Familie.
Und weil er sein Unternehmen bei den Kindern, Enkeln und langjährigen Managern in besten Händen weiß, kann Reinhold Würth getrost etwas kürzertreten. Zum 1. Januar 2025 werde er den Vorsitz des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe, dem höchsten Organ in der Gruppe, an seinen Enkel Benjamin abgeben, kündigt Würth zum Abschluss des Festabends an. „Benjamin ist die Zukunft dieses Unternehmens“, betont der Patriarch. Als Ehrenvorsitzender des Gremiums werde er aber sicherlich im Hintergrund mitmeckern, verspricht Würth.