Sternekoch Boris Rommel im Interview: "Wer selbst kocht, schenkt mir seine Zeit"
Machbare Rezepte für alle, die gerne Familie und Freunde einladen: Zwei-Sternekoch Boris Rommel über sein neues Buch "Zeit zu kochen"

Ob man das wirklich nachkochen kann? Die Rezepte eines Sternekochs? Sogar eines Zwei-Sternekochs? "Kann man", verspricht Boris Rommel (40), Küchendirektor des Wald & Schlosshotels Friedrichsruhe. "Zeit zu kochen – Am Tisch mit Familie und Freunden" heißt sein neues Buch. Weil Boris Rommel und seiner Frau Angelika zu Hause genau das wichtig ist: Lieblingsmenschen die Tür zu öffnen und allen einen schönen Abend zu bereiten. Drei oder vier Gänge kommen dabei selten auf den Tisch, erzählt Boris Rommel im Interview.
Ihre Rezepte findet man nicht im Internet. Nun aber in "Zeit zu kochen". Was bedeutet Ihnen ein zweites Kochbuch?
Rommel: Das Schöne ist: Es zeigt den Zuspruch. Das erste Buch 2018, "Kochen ist Leben", ist sehr gut angekommen und war schließlich ausverkauft. Und dann haben wir in den letzten zwei Jahren gemerkt, wie groß die Nachfrage nach einem neuen Buch ist, vor allem im Restaurant haben sich wirklich sehr viele Gäste erkundigt. So war irgendwann klar: Ein zweites macht Sinn. Dieser Zuspruch war sehr wichtig – und sehr schön.

"Zeit zu kochen" ist kein Gourmet-Buch, keines, das Rezepte auf Sterne-Niveau zeigt - wie es eigentlich Ihr Alltag ist.
Rommel: Richtig, so haben wir es auch beim ersten Buch gehandhabt, und das war der richtige Weg: Rezepte, die man zu Hause gut nachkochen kann. Auch "Zeit zu kochen" ist so ausgelegt. Wer gerne kocht und ein wenig Erfahrung hat, kommt mit allen Rezepten zurecht. Manches ist ganz leicht, manches etwas aufwendiger, aber alles ist gut machbar. Das war unser größter Anspruch.
Sie zeigen Vorspeisen, Salate, Hauptgänge mit Fleisch, Fisch oder vegetarisch, Dips, Eintöpfe und viele Ideen für Beilagen. Ihnen war aber wichtig, dass der Hobbykoch die Rezeptkomposition, zum Beispiel Rinderrouladen mit Champignons, Feldsalat und Brezelknödel, nur als Vorschlag versteht.
Rommel: Ja, das wäre schön! Man kann einfach unglaublich viel zwischen den Rezepten kombinieren. Also zu den Rouladen auch die Spätzle oder die Schupfnudeln aus einem anderen Rezept servieren. Oder den Salat variieren. Das macht es sehr, sehr vielseitig.

Hinter dem Buchtitel "Zeit zu kochen - Am Tisch mit Familie und Freunden" steckt viel privater Boris Rommel.
Rommel: Stimmt. Meine Familie ist in den vergangenen Jahren größer geworden und es hat sich so entwickelt, dass meine Frau und ich und mittlerweile auch unser zweijähriger Sohn uns jeden zweiten Sonntag mit allen treffen. Also mit meinen Eltern, Schwiegereltern und der Familie meiner Schwägerin - immer im Wechsel öffnet einer seine Haustür für alle anderen. Das ist ein liebgewonnenes Ritual geworden und nun auch die Grundlage zum zweiten Buch: Ich koche für meine Liebsten und bereite ihnen einen schönen Abend. Weil das wertvoll ist. Ich würde mich für mich alleine nicht groß in die Küche stellen. Aber für Menschen, die mir wichtig sind, eben schon. Auch weil es natürlich schön ist, wenn jemand mit dir am Tisch sitzt und zu schätzen weiß, dass du dir die Zeit genommen und die Mühe gemacht hast.
Wer ein Kochbuch füllen möchte, steht vor der Frage: Welche Rezepte nehme ich? War die Auswahl schwer?
Rommel: Auf jeden Fall stand am Anfang sehr viel Brainstorming. Man überlegt zuerst: Welches Lebensmittel soll in den Vordergrund? Ähnlich wie bei der Erstellung einer Speisekarte. Im nächsten Schritt fragt man sich: Was passt zu diesem Lebensmittel, was passt zur jeweiligen Jahreszeit. So entstehen Rezepte. Die müssen dann aufgeschrieben, gekocht, probiert werden.

Und das sicher nicht nur einmal?
Rommel: Genau, man muss alles mehrfach optimieren. So lange, bis alle Angaben exakt stimmen. Natürlich hat man Erfahrungswerte, aber für ein Kochbuch riskiert man nichts. Das ist wie in der Pâtisserie: Da muss jedes Gericht exakt rezeptiert sein. Deshalb habe ich an allem lange gefeilt, zusammen mit Kollegen aus dem Gourmetteam.
Neben den Rezepten erzählt das Buch auch Geschichten, unter anderem über Ihr großes Hobby: Ihre Werkstatt. Was entsteht dort?
Rommel: Vor allem bin ich in meiner Werkstatt ganz mit mir. Und dann ist mein Kopf eben immer voller Ideen. Es sind so zum Beispiel schon viele Accessoires fürs Gourmetrestaurant entstanden. Ich liebe es einfach, wenn etwas entsteht. Ein Ergebnis zu sehen. Mit den Händen etwas zu schaffen. Ob in der Werkstatt oder beim Kochen.
Weckgläser werden viele noch aus Omas Keller kennen. Sie haben Wert darauf gelegt, dass ein extra Kapitel am Ende des Buches genau solchen Rezepten gewidmet ist. Eingemachtem Obst und Gemüse.
Rommel: Ja, und ich bin sehr gespannt, was die Leute dazu sagen werden! Ich bin absoluter Fan vom Einmachen. Die Rezepte sind nicht nur leicht umzusetzen, sondern unheimlich vielseitig und lange haltbar. Es gibt zig Möglichkeiten, sie auf den ganzen Garten anzuwenden, das könnte sehr interessant werden für die Hobbyköche.

Die interessiert vielleicht auch: Gibt es etwas, das Sie immer im Kühlschrank haben?
Rommel: Mmh ... also sehr oft Burrata und Tomaten. Dazu reicht ein bisschen Olivenöl, ein schöner Essig und Salz. Überhaupt finde ich das Thema Salate sehr spannend.
Wenn Sie daheim Gäste haben, was kommt auf den Tisch?
Rommel: Selten ein Vier-Gänge-Menü. Daheim soll es entspannt zugehen, gemütlich sein, gesellig. Es soll Zeit sein, miteinander zu reden, der Abend soll nicht damit vergehen, dass man in der Küche steht. Das funktioniert am besten, wenn man etwas kocht und es genau so - im Topf, in der Pfanne – serviert. Das ist auch der Gedanke hinter vielen Gerichten im Buch: Man kann einzeln auf Tellern anrichten, aber genauso funktioniert dieser Sharing-Gedanke: Man stellt Fleisch, Beilage, Salat, Dip und so weiter auf den Tisch und jeder nimmt sich, was und so viel er möchte.
Und umgekehrt: Was freut Sie selbst, wenn Sie eingeladen sind? Werden Sie überhaupt eingeladen, oder hat jeder Angst, wenn ein Zwei-Sternekoch zu Besuch kommt?
Rommel (lacht): Anfangs war das tatsächlich so: Viele hatten Sorge, wenn sie mich zum Essen am Tisch hatten. Mittlerweile sind zum Glück alle entspannt. Was freut mich ... Ich kann sehr gut erkennen, ob etwas selbstgemacht oder gekauft ist. Und wenn ich sehe, da hat sich jemand Mühe gegeben, selbst gekocht, sich damit befasst, dann kann mich das sehr freuen. Etwas Selbstgemachtes zeigt die größte Wertschätzung, weil derjenige seine Zeit hineingesteckt hat.

Sehr viel Zeit stecken Sie als Küchendirektor auch in die Sterneküche. Sie ist Ihr Alltag. Seit 2018 hat das Le Cerf in Friedrichsruhe zwei Michelin-Sterne. Da schwebt immer auch die Frage im Raum: Kann es einen dritten geben? Soll es einen dritten geben?
Rommel: Unser neuer Hoteldirektor Rolf Brönnimann bringt gerade viele Ideen ein, und sie werden alle nur nach Rücksprache mit mir ausgearbeitet. Das funktioniert sehr gut. Wir wissen, dass wir die drei Sterne probieren können. Aber nicht morgen. Nicht in den nächsten ein bis zwei Jahren. Es gibt hier im Haus andere Dinge, die erst einmal im Vordergrund stehen werden, und genau so ist es gut. Man kann und sollte da nichts übers Knie brechen. Alles zu seiner Zeit.
Sind Sie stolz, nach vielen Monaten Arbeit nun "Zeit zu kochen" in Händen zu halten?
Rommel: Ja … Ja, das bin ich. Als das Buch da war, haben meine Frau und ich unsere Neffen, die in der Widmung vorne erwähnt sind, ihre Zeilen vorlesen lassen. Die zwei Jungs waren sehr berührt, und das wiederum war für uns sehr emotional. Stolz also vielleicht vor allem auf solche Dinge wie eine Widmung im eigenen Buch, in der man die Menschen nennt, die einem am wichtigsten sind. Meine Frau, meine Kinder, die Familie.
Mit Blick auf dieses Buch, was wäre für Sie das Schönste?
Rommel: Wenn die Freude und der Spaß am Kochen wieder größer würden. Es ist schon ein Phänomen unserer Zeit, dass man schnell hier, schnell dort isst. Dazu kommen Millionen von Videos in den sozialen Netzwerken mit Rezepten, die mit Kochen leider nichts mehr zu tun haben. Da geht es um die schnelle Fünf-Minuten-Küche, oft nur zusammengewürfelt aus Fertigprodukten. Ich finde, es ist wirklich wieder: Zeit zu kochen.
Info
"Zeit zu kochen - Am Tisch mit Familie und Freunden" ist im Verlag der Heilbronner Stimme erschienen, umfasst 200 Seiten und kostet 39,90 Euro. Erhältlich in den Stimme-Geschäftsstellen in Heilbronn und Öhringen, unter stimme.de/shop und im regionalen Buchhandel.

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