Was der Hohenloher Grünen-Abgeordnete Harald Ebner bei COP15 in Montréal erlebt hat
Der Hohenloher Abgeordnete Harald Ebner (Grüne) war bei der Weltnaturkonferenz COP15 in Montréal (Kanada) vor Ort. Was er dort erlebt hat, wie er die Abschlusserklärung bewertet und was Deutschland nun unternehmen muss, erklärt er im Interview.

Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Harald Ebner: Das wichtigste Ergebnis ist, dass es erstmals ein globales Rahmenwerk mit konkreten Zielsetzungen und Überprüfungsmechanismen gibt, auf das sich ein Großteil der Weltgemeinschaft geeinigt hat. Das ist ein großer Schritt, um Biodiversität als unsere Lebensversicherung zu schützen.
Bis 2025 sollen 20 Milliarden Dollar jährlich für den Artenschutz im globalen Süden fließen, bis 2030 30 Milliarden. Was muss damit passieren?
Ebner: Das Abkommen hat zuvorderst Zielsetzungen für die Biodiversität. Ärmere Länder forderten dazu finanzielle Unterstützung von den Industriestaaten. Geld allein hat aber keinen Sinn ohne vereinbarte Maßnahmen. Wir haben darauf gedrängt, dass das Abkommen konkrete Ziele und Instrumente enthält und alle Staaten eine nationale Biodiversitätsstrategie mit einem zugehörigen Aktionsplan auf den Weg bringen müssen. Solche Ziele sind ja nun vereinbart. Aber man hatte sich da stark verhakt.
Inwiefern?
Ebner: Der globale Süden hatte 100 Milliarden Dollar in einem eigenen Fonds gefordert, 10 Milliarden Dollar waren dazu in einem bereits vorhandenen Fonds in Aussicht gestellt. Es ist auch richtig, dass es viel Geld braucht, um Biodiversität zu sichern. Aber das Geld muss irgendwo her kommen. Da können führende Industrienationen wie China nicht behaupten, sie seien ein Entwicklungsland, um nicht einzahlen zu müssen. Dieser Knoten wurde erst in den letzten 36 Stunden durchschlagen. Der von der Präsidentschaft berufene Chef-Unterhändler Jochen Flasbarth aus Deutschland hat ganze Arbeit geleistet und erreicht, dass international jährlich 20 Milliarden bis 2025 bereits gestellt werden, mit einer Steigerung auf 30 Milliarden Dollar bis 2030.
Was haben Sie selbst erlebt?
Ebner: Ich war eng angedockt an die deutsche Delegation. Wir waren morgens in den Delegationsbriefings kurz nach 7 Uhr dabei. Um diese Uhrzeit gehen Sie durch leere Kongresshallen! Niemand ist da, außer die Deutschen, die ihr Briefing machen - auch die, die bis 5 Uhr nachts noch verhandelt haben. Da wurde Wahnsinniges geleistet und lange über kleine Details verhandelt. In vielen Gesprächen am Rande des Plenums und der Arbeitsgruppen wurden Positionen ausgetauscht und so der Weg zu gegenseitigem Verständnis vertieft.
Nämlich?
Ebner: Der Begriff "Mutter Erde" hat beispielsweise in vielen Naturreligionen eine große Bedeutung. Damit hatten einige Industrienationen offenbar ein Problem wollten das Abkommen aber daran letztlich nicht scheitern lassen, zumal wenn man in anderen Punkten etwas bekommt. Über solche Kompromisse wurde in endlosen Gesprächen debattiert, rund um die Uhr. Sie müssen bedenken: Entschieden wird nach dem Konsens-Prinzip, es werden keine Mehrheitsentscheidungen getroffen. Jeder Streit muss geschlichtet werden. Am Ende müssen alle 193 Staaten müssen an Bord sein.
Wie bedeutend ist die Erklärung?
Ebner: Allein, dass es ein geeintes Abschlussdokument gibt, ist großartig. Es ist jetzt eine internationale Aufgabe, Biodiversitätsverluste zu stoppen. Wir geben uns konkrete mittel- und langfristige Ziele bis 2030 und 2050. Außerdem wird definiert, was passieren muss. Ganz konkret hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, die Belastung der Ökosysteme mit Pestiziden und Nährstoffen aus Düngemitteln bis 2030 zu halbieren, die Belastung mit Plastik soll gegen Nunn heruntergefahren und die Lebensmittelverluste halbiert werden. Und es müssen 30 Prozent der Land- und Meeresflächen bis 2030 geschützt werden. Man kann sich darüber natürlich streiten. Ich sage: Wir sollten lieber auf hundert Prozent der Fläche naturverträglich wirtschaften. Aber wir kommen um Regeln, wie wir in bestimmten Gebieten handeln, nicht drumherum, dafür braucht es die Schutzgebiete.
Erfüllt Deutschland die Vorgaben?
Ebner: Die Vorstellung von Naturschutzverbänden war, dass es streng geschützte Gebiete sein müssen. Im Text ist das nun anders formuliert, so dass die Gebiete nur aktiv gemanagt und geschützt werden müssen. Manche würden sagen, es wurde verwässert, ich halte es andererseits für sinnvoll, dort auf eine naturverträgliche und nachhaltige Wirtschaftsweise zu achten. Ich gehe davon aus, dass Deutschland die reine Quote für Schutzgebiete längst erfüllt, aber wohl noch nicht die naturverträgliche Bewirtschaftung.
Braucht es also strengere Vorgaben?
Ebner: Deutschland muss jetzt liefern. Wenn wir es nicht anders schaffen, die Biodiversität zu schützen, sollten wir zehn Prozent der Fläche unter strengeren Naturschutz stellen. Viel besser wäre, so zu wirtschaften, dass es der Biodiversität gut tut. Mehr Ökolandbau, weniger Pestizide, weniger Straßenbau.
Haben Sie als Bundesregierung konkrete Hausaufgaben bekommen?
Ebner: Ja. Das Abkommen sieht den Abbau umweltschädlicher Subventionen vor, wie ja auch schon im Koalitionsvertrag mit FDP und SPD vereinbart. Das sollte der Finanzminister jetzt vorbereiten. 500 Milliarden US-Dollar an umweltschädlichen Subventionen sollen bis 2030 abgebaut sein. Das bedeutet, dass vor allem die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) auf keinen Fall weiterhin so aussehen kann wie heute. Diese 55 Milliarden Euro müssen raus aus der Umweltschädlichkeit und rein in eine umweltverträgliche Nutzung. Darauf werden wir hinwirken, damit die nächste EU-Agrarpolitik gemeinwohlorientiert und naturverträglich wird. Aber auch die Halbierung der Pestizid- und Nährstoffbelastung bis 2030 wird eine große Aufgabe.
Zur Person
Harald Ebner ist Bundestagsabgeordneter der Grünen im Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe und Vorsitzender des Umweltausschusses im Bundestag. Der 58-Jährige war von Donnerstag bis Montag in Montréal, als Mitglied der deutschen Delegation um Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne).