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Warum Tausende von Eintagsfliegen auf der Kocherbrücke Naturliebhaber erfreuen

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Auf der Kocherbrücke in Ingelfingen konnten Spaziergänger neulich einem besonderen Naturschauspiel beiwohnen: Unzählige Eintagsfliegen stiegen nach Einbruch der Dämmerung massenhaft aus dem Kocher. Warum das eine gute Nachricht ist.

Von Andreas Scholz
Ein beeindruckendes Naturschauspiel mit tausenden Eintagsfliegen gab es jüngst im Bereich der Ingelfinger Kocherbrücke zu beobachten.
Ein beeindruckendes Naturschauspiel mit tausenden Eintagsfliegen gab es jüngst im Bereich der Ingelfinger Kocherbrücke zu beobachten.  Foto: Hans Hagdorn

Auf der Kocherbrücke in Ingelfingen konnten Spaziergänger neulich einem besonderen Naturschauspiel beiwohnen. Unzählige Eintagsfliegen steigen nach dem Einbruch der Dämmerung massenhaft aus dem Kocher auf und umschwirrten das Licht der Lampen auf der Kocherbrücke. Das künstliche Licht schien sie magisch anzuziehen.

Faszinierendes Treiben der Eintagsfliege

Dem faszinierenden Treiben der Eintagsfliegen konnte sich auch Hans Hagdorn aus Ingelfingen nicht entziehen: Mit seiner Kamera hat er das Naturspektakel festgehalten. Für den Leiter des Muschelkalkmuseums in Ingelfingen ist der Auftritt von Ephoron virgo, so der wissenschaftliche Name des Uferaases, am letzten Juliwochenende eine spannende Naturbeobachtung, die ihn richtig freut.

Der Lebenszyklus endet mit dem Hochzeitsflug.
Der Lebenszyklus endet mit dem Hochzeitsflug.  Foto: Hans Hagdorn

"So oft habe ich das Uferaas bisher noch nicht gesehen. Vor Jahren habe ich mal einen Massenflug am Regen im Bayerischen Wald beobachtet", erklärt der Paläontologe. Hans Hagdorn wertet es als positives Zeichen, dass das Uferaas in diesem Sommer auch am Kocher bei Ingelfingen in Massen den Hochzeitsflug aufführt. "Die Larven dieser zartflügeligen Tiere leben im Schlamm, wo sie sich eine Wohnröhre gegraben haben. Die Larven brauchen sauberes Wasser in den Flüssen", erklärt der Naturliebhaber. "Am Ende ihrer Entwicklung schlüpfen zuerst die Männchen, die im vorletzten Stadium ihrer Entwicklung ans Ufer gelangen, wo sie sich nochmals häuten", erklärt Hagdorn.


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"Wenn etwas später auch die Weibchen kommen, startet nun alles wie auf ein geheimes Kommando zum Hochzeitsflug. Die Begattung findet im Flug statt, dann legen die Weibchen ihre Ei-Pakete auf dem Wasser ab und ihr kurzes Leben in der Luft geht zu Ende", so Hagdorn. Die Larven hingegen wachsen dann bis zum nächsten Jahr heran, bis auch diese ihren Lebenszyklus mit einen neuen Hochzeitsflug beenden.

Obwohl sich Hans Hagdorn wie andere Spaziergänger über das nächtliche Naturschauspiel auf der Kocherbrücke gefreut hat, wird er einen kurzen Moment nachdenklich. "Leider kommen die Eintagsfliegen die vom Licht angezogen werden aber gar nicht alle zur Eiablage, sondern verenden oft nach sinnlosem Flug um die Lampen."

Diese Eintagsfliege hat Hans Hagdorn aus der Nähe fotografiert.
Diese Eintagsfliege hat Hans Hagdorn aus der Nähe fotografiert.  Foto: Hans Hagdorn

Arnold Staniczek, Entomologe im Naturkundemuseum in Stuttgart, beschäftigt sich in seiner Forschungsarbeit intensiv mit Eintagsfliegen. Er weiß, was Eintagsfliegen auf Flussbrücken lockt. "Die Tiere werden vor allem von UV-haltigem Licht angezogen. Das Installieren von UV-armen Glühbirnen bei Lampen in Flussnähe vermindert die Attraktivität für Insekten ungemein."

Der Massenflug als erfreuliches Signal

Der Wissenschaftler stuft den Massenflug in diesem Sommer am Kocher bei Ingelfingen als erfreuliches Signal ein. "Das Uferaas war bei uns in den großen Flüssen ausgestorben, aber nach dem Zweiten Weltkrieg ist es seit den 1980er Jahren spektakulär zurückgekehrt."

Seiner Meinung nach profitierte das Uferaas nicht nur davon, dass sich ab der Mitte des 20. Jahrhunderts immer weniger Phosphat aus Waschmittelrückständen in den Flüssen befand. "Die Kläranlagen wurden moderner und die Reinigungsstufen erhöht. Das Uferaas mag die warmen Unterläufe in den großen Flüssen und ist daher auch ein Gewinner des Klimawandels", erklärt der Eintagsfliegenspezialist.

Das Uferaas am Kocher

"Das Uferaas ist zunächst am Rhein zurückgekehrt. Vom Neckar ist das Uferaas inzwischen auch am Unterlauf des Kochers angelangt. Vor 15 Jahren musste ich noch nach Neckargemünd fahren, um das Uferaas zu beobachten." Das Uferaas ist für den Insektenforscher die Eintagsfliege mit den imposantesten Massenhochzeitsflügen. "In historischen Zeiten wurden die toten Eintagsfliegen auf den Flussbrücken eingesammelt und als Schweinefutter verwendet."

 
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