Haftstrafe für Angeklagten wegen Corona-Schnelltest-Betrug in Millionenhöhe
Das Amtsgericht Öhringen verurteilt einen 28-Jährigen zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe. Wie einfach der Betrug den Schnelltestzentren gemacht wurde, schildert der Angeklagte vor Gericht. Seine Hausbank meldete wegen der vielen Zahlungen Verdacht.
Weil er den Staat mit zu viel abgerechneten Corona-Schnelltests um knapp 1,6 Millionen Euro betrogen hat, stand nun ein Mann aus dem Altkreis Öhringen vor Gericht. Er soll im Zeitraum von Mitte Juli bis Ende Oktober 2021 in einem Internetportal, das für Bürgertest-Abrechnungen diente, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) weit überhöhte Angaben über die Menge der Leistungen gemacht haben. Der exakte Vermögensverlust für den Bund: 1.580.714,16 Euro.
Nur wenige Tests tatsächlich gemacht
Nur fünf Prozent der angegebenen Testungen soll der gelernte Lebensmitteltechniker laut Anklageschrift tatsächlich durchgeführt haben. Der Betrug wurde dem Angeklagten einfach gemacht: "So einfach war das: Eintippen, auf Okay drücken und das Geld wurde überwiesen", schildert der Angeklagte das System.
Angeklagte zeigt Reue
Der ehemalige Gastronom und Inhaber eines Vermittlungsbüros gibt an, seit 2019 an einer Angststörung zu leiden. Wegen Panikattacken müsse immer ein Familienmitglied bei ihm sein. Ein Attest dafür hat er nicht. Schluchzend bereut er vor der Vorsitzenden Iris Wegendt und den Schöffen seine Taten, scheint die Fassung zu verlieren. "Lassen Sie sich nur Zeit", beruhigt ihn sein Strafverteidiger.
Angefangen hätte es mit der Eröffnung der Teststation im Juni 2021: "Bald habe ich gemerkt, wie einfach die Abrechnungen gingen. Da bin ich auf die Idee gekommen, irgendeine Zahl als Summe der erbrachten Testungen einzutippen", erklärt er seinen Betrug.
Betrug wurde einfach gemacht
"Wie kommt man auf die Idee solche Irrsinnszahlen einzutippen? Was haben Sie eigentlich mit der Kohle gemacht", fragt ihn die Richterin. Er habe Rechnungen bezahlt, Mietrückstände beglichen, den Verwandten im Ausland hohe Geldsummen überwiesen oder die Schwester beim Hauskauf unterstützt, lautet die Antwort. Das Geld hätte er aus Angst vor Einbruch und Negativzinsen bei Familienmitgliedern gebunkert, berichtet der 28-Jährige.
Hausbank meldete Verdacht auf Geldwäsche
Wie der Betrug aufgeflogen ist? Einem Hinweis auf Geldwäsche-Verdacht ans Landeskriminalamt durch die Hausbank des Angeklagten sei man seit November 2021 nachgegangen, berichtet ein Kriminalbeamter im Zeugenstand. Kurz vor Weihnachten sei es dann zu einer Durchsuchung der Geschäftsräume und der Wohnung des 28-Jährigen gekommen. Dieser hätte sich gleich geständig gezeigt. 2300 tatsächliche Schnelltestungen konnte man anhand der aufgefundenen Unterlagen feststellen; wobei eine Person auffällig oft getestet worden sei. Familienangehörige des Angeklagten hätten einen Teil des erschwindelten Geldes den Ordnungskräften übergeben. Zu Gunsten des Angeklagten korrigiert das Gericht die Quote der tatsächlich erbrachten Testungen von fünf auf zehn Prozent.
Abrechnungsverfahren erklärt
Das Procedere und die Grenzen des digitalen Bürgertest-Abrechnungsverfahrens erklärt ein Vertreter der KVBW. Dieser Zeuge berichtet auch, dass der Angeklagte nicht vom Gesundheitsamt mit Schnelltests beauftragt gewesen sei. Das Auszahlungssystem sei darauf ausgerichtet gewesen, den politischen Auftrag unbürokratisch und reibungslos zu gestalten.
Zwei Jahre und neun Monate Haft hält der Staatsanwalt für angemessen. Der Verteidiger plädiert angesichts des stabilen sozialen Umfelds seines Mandanten für eine Bewährung. Am Ende folgt das Schöffengericht dem Staatsanwalt: Zwar spreche vieles für den strafrechtlich bisher unbescholtenen Mann. Doch die krasse Lage in einer besonderen gesellschaftlichen Situation, wie sie während der Corona-Pandemie vorlag, derart auszunutzen, sei ein extrem sozialschädigendes Verhalten. "Das Urteil ist für Sie jetzt bitter. Aber die Schadenshöhe sprengt jede Dimension", erklärt Wegendt dem Angeklagten. Zudem muss er Wertersatz für die restlichen 94 164,80 Euro leisten.

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