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Tafeln in Hohenlohe: Vorräte werden jetzt schon knapp

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Für den Tafelladen in Öhringen haben derzeit um die 1100 Menschen eine Berechtigungskarte. Sozialverbände sind alarmiert: Preissteigerungen treffen Arme mit besonderer Wucht.

Qualitätskontrolle: Die ehrenamtlichen Helferinnen prüfen neu eingetroffene Ware. Jeden Morgen bekommen sie Spenden von Lidl, Aldi und Rewe.
Qualitätskontrolle: Die ehrenamtlichen Helferinnen prüfen neu eingetroffene Ware. Jeden Morgen bekommen sie Spenden von Lidl, Aldi und Rewe.  Foto: Schnell, Jennifer

Susanne Münsters Arbeitstag beginnt morgens um acht Uhr. Die Leiterin des Öhringer Tafelladens empfängt den orangenen Kleinbus, der Lebensmittel von Discountern wie Lidl, Penny und Rewe liefert. Gemeinsam mit ihren ehrenamtlichen Helfern prüft Münster frische Lebensmittel und räumt sie in die Regale. "Ein bis zwei Busladungen kommen pro Tag bei uns an. Wir nehmen alles an, was ein Mindesthaltbarkeitsdatum von zwei Wochen oder kürzer hat", erklärt sie.

Ehrenamtliche der Tafel schätzen Dankbarkeit

Insgesamt 40 Ehrenamtliche unterstützen die Tafel in Öhringen. Eine von ihnen ist Ute Kettemann aus Kirchensaal. "Ich habe vor eineinhalb Jahren in der Zeitung gesehen, dass Mitarbeiter gesucht werden und wollte etwas Sinnvolles tun." Seitdem helfe sie einmal pro Woche im Laden aus. Besonders schätzt die 58-Jährige die Dankbarkeit der Kunden: "Wir haben einige Kunden, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Die ersten Worte auf deutsch, die sie gelernt haben, waren Danke und Tschüß."

Täglich würden zwischen 40 und 50 Kunden den Tafelladen besuchen. "Von März bis Mai kamen besonders viele Ukraine-Flüchtlinge. Da waren es zeitweise bis zu 70 Kunden am Tag", sagt Leiterin Münster. Zu dieser Zeit habe sie und ihr Team nochmal mehr geleistet, die Öffnungszeiten um eine Stunde verlängert. Außerdem haben "Privatleute haben viel gespendet: Milch, Eier, Zucker, Mehl. Die Hilfsbereitschaft war toll."

Seit eineinhalb Jahren Leiterin vom Tafelladen: Susanne Münster. Sie hat täglich alle Hände voll zu tun und bittet um Unterstützung durch Spenden oder Mithilfe vor Ort.
Seit eineinhalb Jahren Leiterin vom Tafelladen: Susanne Münster. Sie hat täglich alle Hände voll zu tun und bittet um Unterstützung durch Spenden oder Mithilfe vor Ort.  Foto: Schnell, Jennifer

Dazu kam vor wenigen Wochen eine große Geldspende als Soforthilfe der Stiftung Würth. Im Juni hatten 1100 Menschen eine Berechtigungskarte, um bei der Öhringer Tafel einzukaufen.

Erneuter Anstieg an Tafelkunden

Seit einigen Wochen merkt die 59-Jährige aus Pfedelbach wieder einen leichten Anstieg der Kundenzahl. Die tägliche Herausforderung sei, dass man nie wisse, wie viele Lebensmittel morgens eintreffen. Über die aktuellen Vorräte an haltbaren Lebensmittel wie Nudeln, Mehl, Öl aber auch Shampoo und Seife sagt Münster: "Die Vorräte im Keller sind schon jetzt aufgebraucht."

Daher bittet sie dringliche um Spenden von Privatleuten. Vor allem haltbare Lebensmittel wie Säfte und Dosenware sowie Drogerie-Produkte für den täglichen Gebrauch wie Zahnpasta, Klopapier oder Spülmittel seien gefragt.

Der Paritätische: "Armut ist Diskriminierung"

Bereits eine halbe Stunde vor Ladenöffnung treffen sich die ersten Kunden - überwiegend Senioren - vor dem Laden, tauschen sich aus, genießen die Gesellschaft. Eine der Stammkundinnen, die sich bereits munter mit einem anderen russischsprachigen Besucher unterhält, ist Erna Weilert.

Die 85-jährige Kasachin, die in Öhringen wohnt, läuft häufig das Martersgässle entlang. "Ich habe eine große Familie und brauche immer etwas. Ich habe fünf Kinder, 15 Enkel und einige Urenkel. Nach der Kirche komme ich gerne hier her und hoffe darauf, ein paar Eier oder etwas Zucker mitnehmen zu können." Ihr Mann sei krank und sitze im Rollstuhl, Weilert genießt die kleinen Ausflüge und die Gespräche mit anderen Kunden.

Erna Weilert ist auf die Tafel angewiesen und damit kein Einzelfall. In Baden-Württemberg war 2021 jeder siebte Mensch von Armut betroffen. Laut paritätischem Armutsbericht erreicht die Armutsquote somit einen neuen Höchststand seit zehn Jahren.


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Als besonders armutsgefährdete Gruppen zählen laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende, Familien mit mehreren Kindern sowie Rentner. Armut definiert sich so: "Jede Person gilt als einkommensarm, die mit ihrem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt." Für Single-Haushalte wären das monatlich weniger als 1150 Euro netto, für Erwachsene mit einem Kind (unter 14 Jahren) 1500 Euro. Ein Paar mit zwei Kindern gilt als arm, wenn es weniger als 2400 Euro zur Verfügung haben.

Weiter teilt der Verband mit: "Armut ist Diskriminierung." Betroffene Menschen hätten nicht die gleichen Bildungs- und Teilhabechancen. "Chancengerechtigkeit, Bildungserfolg und Lebenschancen hängen immer noch eng mit der finanziellen Situation von Familien zusammen." Und so treffen die aktuellen Preissteigerungen einkommensarme Menschen mit besonderer Wucht.

Unterstützung für die Tafeln

Die Tafeln freuen sich über Ehrenamtliche, die beim Einräumen und beim Verkauf helfen. Sachspenden sind gerne gesehen. "Vielleicht möchten Kleingärtner Äpfel, Birnen, Zwetschgen oder sonstiges Obst und Gemüse vorbeibringen?", regt Leiterin Susanne Münster an. Helfer sollen sich telefonisch anmelden.

Lösungsansatz gegen Armut wäre laut Sozialverband VDK folgender: "Der Staat kann sich ausschließlich über Steuern finanzieren. Es gibt keinen anderen Weg." Berthold Krist, Vorsitzender des Ortsverbandes Künzelsau, schlägt weiter eine Abgabe für Großunternehmen vor. 

 
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