Essen für Bedürftige in Heilbronn, das auch die Seele satt macht
Der Armutsbericht des Paritätischen zeigt: Mehr Menschen geraten in wirtschaftliche Not. Ein Besuch bei drei Essensausgaben für Bedürftige in Heilbronn.

"Alle sind hier gut zu uns. Und es gibt immer was zu essen": Mohammed aus Marokko strahlt und nimmt sich einen Apfelsaft. Täglich besucht er die "Brotzeit" in der Wartbergschule um 7.20 Uhr, das Frühstück der Uschi-Glas-Stiftung. So wie eine Zweitklässlerin, deren Eltern "früh arbeiten müssen".
Käsebrot, Möhren und Paprika sind ein guter Start in den Tag - und ein kostenloser. "Jetzt ess' ich mich nochmal richtig satt", den Satz kennt Schulleiterin Bärbel Hetzinger. Mit Bauchweh blickt sie auf sechseinhalb Wochen Sommerferien. Viel zu lang, findet sie. Besonders für Kinder aus prekären Verhältnissen.
Armut bei Kindern hat traurigen Rekord erreicht
Bundesweit hat die Armut bei Kindern und Jugendlichen mit 20,8 Prozent eine neue traurige Rekordmarke erreicht, wie auch die Armut allgemein. So steht es im aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands. Mehr als 30 Prozent aller kinderreichen Familien, in denen drei oder mehr Kinder leben, sind von Armut betroffen.
Umstände, die Bärbel Hetzinger kennt. In der Wartbergschule sind 30 Nationalitäten unter einem Dach vereint, Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan sind darunter, Kinder traumatisierter jesidischer Frauen aus der Gemeinschaftsunterkunft - aber auch aus starken Bildungshaushalten. "Eine Kiezschule wollen wir nicht sein."
Zwölf Schulen bieten in Heilbronn die Brotzeit an
Doch natürlich hat auch sie Wechselkleidung für Schüler im Schrank und Ersatz-Sporthosen, wenn Kinder ihre immer vergessen und eigentlich keine haben. In Heilbronn bieten zwölf Schulen die "Brotzeit" an und erreichen so 540 Kinder. Bald kommt die Gerhart-Hauptmann-Schule dazu.

Auch in den Gildetreff in der Wilhelmstraße kommen die Menschen ab 8.30 Uhr. "30 Wurst- und 25 Käsebrötchen - alles schon weg", bilanziert Helfer Siegfried Lambert nach einer halben Stunde. "Heute waren viele beim Frühstück." 15 bis 20 Leute kommen immer, heute ist auch mancher da, um sich kostenlos Haare schneiden zu lassen. So wie Josef Ubl, 76 Jahre alt. Er trinkt hier gern seinen Kaffee. Zwei Frauen leisten Gesellschaft. Sabine F. (Name geändert), 59, wartet auf den Bibelkreis.
Für viele ist der Gildetreff "ihr Wohnzimmer"
Altersarmut ist überwiegend weiblich, heißt es im Bericht des Paritätischen, auch Gildetreff-Leiter Hans-Martin Klenk stellt fest, dass der Frauenanteil steigt. Bundesweit hat die Armut bei Rentnern um 17,9 Prozent zugenommen. Ältere Menschen mit Grundsicherung, Wohnungslose, die in Außen-WGs der Obdachlosenunterkunft leben, für sie alle ist in Heilbronn "der Gildetreff ein wichtiger Aufenthaltsbereich, ihr Wohnzimmer", so Klenk.
Beim "Seelenschmaus" in der Nikolaikirche in der Sülmerstraße verkündet um 12.15 Uhr Horst-Werner Neth, Ehrenamtlicher und Pfarrer im Ruhestand: "Die Essenskapazität für heute ist ausgeschöpft. Tut mir leid für alle, die später kommen, wir haben keine Fleischküchle mehr." Da hat das Essen gerade erst angefangen. Mindestens zwei Euro zahlen die Gäste, 3,50 Euro normalerweise.
Auch beim Seelenschmaus zählt das Zusammensein
"Das Angebot richtet sich an Stadtarme oder Bürger mit schmalem Portemonnaie", hatte Pfarrer Steven Häusinger im Vorfeld gesagt. Auch hier zählt das Zusammensein. Denn wenig Geld zu haben, macht einsam. Für einen 68-jährigen Heilbronner ist der Schmaus Dienstag und Donnerstag "etwas Besonderes". "Ich bin allein, kochen kann ich nicht besonders." Und dass es ihm nicht nur ums Essen, sondern auch um Gesellschaft geht.